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6. Kapitel

Herr Réalmont hat seinen Getreideanteil verkauft; wir bringen die Lieferung alle miteinander zum Bahnhof von Baugignoux. Seine drei Pachtbauern sind dabei, die diesen Frondienst zu erfüllen haben: Signoret von la Claviere, Gobert, der Sohn, und der große Perrichon, der den Platz der Barois eingenommen hat. Und wir andern drei Nachbarn Descombes von der Rifarderie, Hervaux aus Petit-Moussais und ich helfen den Pächtern.

Außerdem ist auch noch der Knecht von Perrichon und derjenige von Gobert da, die jeder für sich einen Reservewagen führen. Das macht also acht Wagen, die schwer beladen einer hinter dem andern auf dem schmalen Gemeindeweg dahinziehen. Die gut geschmierten Räder rollen im gleichmäßigen Takt, und die Kieselsteine knirschen unter der malmenden Wucht dieser Rädereisen. Die Ochsen, frisch geschoren, gut gewaschen, schön gebürstet, mit weißem Fell, das von einer makellosen Sauberkeit ist, gehen langsam mit tief geneigten Köpfen. Jeder Ochsentreiber mit seinem Treibstachel in der Hand hält sich auf gleicher Linie mit den Köpfen seines Deichselgespanns. Jeder führt stolz sein Gespann; die Tagestoilette der Tiere ist mit noch größerer Sorgfalt ausgeführt worden in Anbetracht dieser Fahrt, die wie eine öffentliche Schaustellung ist. In Wirklichkeit sind die Zuschauer sehr spärlich an solch einem düstern kalten Januartag; der nie sehr belebte Feldweg zieht sich in einer verzweiflungsvollen Öde hin.

Es ist schon zwei Uhr vorbei, als wir mit dem Umladen der hundertsechzig Sack des Transportes zu Ende kommen.

Endlich frei, setzen wir uns hin zum Frühstück im Eisenbahngasthof, während die abgeschirrten Ochsen sich in einer Ecke des Hofes an den Heubündeln stärken, die am Morgen für sie mit aufgeladen worden sind.

Zwei Bauern haben sich schon in der Schankstube niedergelassen, die wir betreten; es sind die Pächter aus La Clayette, Perotte und Courtial, die mit mehreren von uns gut bekannt sind. Sie frühstücken nicht, trinken nur einfach eine Flasche zusammen und essen ihr Stück Schwarzbrot und Käse dazu, während wir, wie es Sitte ist, unser Frühstück von den Käufern des Getreides bezahlt bekommen. Sie aber sind zur Bahn gekommen, um eine Ladung Tannenholz abzuliefern, die für die Zimmererarbeiten an einem feinen Gebäude bestimmt sind, das sich ihr Herr, der Hauptpächter Duranton, bauen läßt. Die ganze Frone trug ihnen nicht einmal ein Danke-schön ein, und sie wollen sich nicht Unkosten machen.

Hervaux fordert durch eine geschickt gewählte Frage Perotte und Courtial zu weiteren Vertraulichkeiten auf.

»Der hat Glück mit seinem Reichwerden, euer Herr. Wenn ihr ebenso gute Geschäfte macht, wie der, seid ihr nicht zu bedauern.«

Der rothaarige, untersetzte Courtial, der einen Bart wie ein Prophet hat, läßt sich nicht erst bitten, auf den hingeworfenen Köder anzubeißen.

»Das denkt Ihr! Der bereichert sich gerade an unserem Elend. So leicht gibt es keinen wieder, der so bis ans lebendige Fleisch zu scheren weiß.«

Perotte, groß, blond, mit einem bleichen aber angenehmen Gesicht, ergreift jetzt seinerseits das Wort.

»Verdammt noch mal, wenn ich mir denke, vor fünfundzwanzig Jahren fuhr er im Land umher mit irgendeinem dreckigen Wagen und einem Gaul, der die Auszehrung hatte, und verkaufte Krämerwaren. Dabei hat er auch, wenn es sich machte, altes Eisen, Lumpen und Kaninchenfelle gekauft. Und jetzt läßt er sich ein Schloß bauen! Jawohl, es ist ihm geglückt Hauptpächter zu werden, und er hat damit Bescheid gewußt, wie man das beste Teil für sich behält.«

Darauf nimmt einer nach dem anderen voll Erbitterung seinen Pachtherrn vor und führt Beispiele der Unverschämtheit und Härte dieser Leute an. Von allen Einzelheiten, die sie berichteten, blieb mir diese im Gedächtnis, weil ich ganz besonders von ihr betroffen war.

Duranton ließ sich jährlich von einem jeden seiner acht Pachtbauern vierhundert Kilo Kartoffeln zugeben, was im ganzen dreitausendzweihundert Kilo ausmachte. Das ermöglichte ihm, sich zwei bis drei Schweine umsonst zu mästen, und trotzdem hatte er immer noch im Frühjahr einen Rest Kartoffelknollen als Keimkartoffeln zu verkaufen. Nun waren aber die Kartoffeln im Vorjahr nicht reichlich gediehen. Der gute Mann verkaufte daraufhin seinen Pächtern, als die Zeit der Aussaat kam, einen guten Teil derselben Kartoffeln, die sie ihm umsonst gegeben hatten.

»Was den Duranton anbetrifft, da kann einen schon nichts wundern,« meinte Descombes.

Perotte mischte sich hinein, um zu erklären, daß Auburtin im ganzen genommen sicherlich nicht mehr taugte als sein Kollege. Wenn er sich auch keine Kartoffeln schenken läßt, so hat er sich dafür etwas anderes ausgedacht, das ist eine Getreideschrotmühle, die er sich gekauft hat, und in der alle seine Pächter das Korn mahlen müssen, das sie zum Viehfutter gebrauchen. Er verpflichtet sie, wohlverstanden, gut dafür zu zahlen und obendrauf behält er noch Mahlkorn für sich und reichlich, das kann ich euch sagen. Damit mästet er auch seine Schweine. Und er setzt seinen Stolz darein, einen Stall voll Kühe zu besitzen, die so wohlgenährt sind, daß ihr Fell nur so glänzt. Wenn seine Pachtbauern noch bis jetzt nicht dazu verwendet worden sind, Fuhren für den Bau eines Gebäudes zu machen, so haben sie doch auch ein gutes Teil Frondienst zu tun. Sie bestellen seine vier Hektar Land und besorgen die Aussaat, sie mähen seine drei Hektar Wiesenland, und ihre Frauen besorgen die Wäsche für Frau Auburtin.

»Von den drei großen Pächtern von La Clayette ist wohl sicherlich nur Fauvert ein leidlich guter Kerl, was?« horcht sie Signoret aus.

Sogleich fallen Perotte und Courtial über Fauvert her. Der? Das ist ein Mensch, der bei allem immer untätig nebenhersteht. Der denkt, daß Essen, Verdauen, Rauchen und Kartenspielen die wichtigsten Geschäfte des Lebens ausmachen. Sein Grundsatz ist, die Sachen, indem man sich die wenigste Mühe gibt, laufen zu lassen. Er ist immer dazu zu haben, zu verkaufen, wenn ein Käufer von Verkaufen spricht, aber er setzt den Kaufvorschlägen eine unglaubliche Menge Schwerfälligkeit entgegen, weil man um zu kaufen Geld aus der Kasse holen muß. Im übrigen genügen die oben erwähnten einfachen Lebensgenüsse, die zu den Ausgaben der Familie hinzukommen, um diese Kasse vor lästiger Überfüllung zu schützen. Aus demselben Grund ist er nie dazu aufgelegt, am Jahreswechsel Abrechnung zu machen, und die Pachtbauern müssen Monate und Monate warten, ehe sie den Anteil bekommen, der ihnen zukommt.

Courtial sagte dann, wie um einen Schluß zu ziehen:

»Duranton, Auburtin, Fauvert, da muß man erst nach La Clayette kommen, um eine solche Versammlung von schönen Seelen zu finden. In Cremery werdet ihr nicht von solchen Blutsaugern geschunden.«

Wir räumen ein, daß wir keinen solcher Art haben. Lacaze, der einzige Großpächter bei uns, ein ehemaliger Schüler der Ackerbauschule, ist ein peinlicher, höflicher Mann, der bedacht ist, die Rechnungsabschlüsse genau zu erledigen und der keine unlauteren Mittel zu gebrauchen scheint, um sich schneller zu bereichern. Aber die Bedingungen, die er stellt, machen es den Pachtbauern auch kaum möglich, Ersparnisse herauszuwirtschaften, und seine Marotte ist, wissenschaftliche Versuche zu unternehmen, die oft lange nicht glücklich genannt werden können.

»Ob hier oder anderswo, wo man nur mit Großpächtern oder Grundbesitzern zu tun hat, ist einer wohl kaum besser dran als der andere!« klagte der magere Descombes verbissen.

»Auf alle Fälle,« entgegnete Perotte, »gibt es aber Sachen, die man nur bei uns erlebt.«

Und er berichtet, daß die Mobiliarsteuer der Gemeinde um ein gutes Drittel sich seit drei Jahren erhöht hat, da die recht große Steuersumme, die auf das Schloß des Marquis Rolangis fällt, auf die Gesamtsumme der allgemeinen Steuer verteilt werden mußte, nachdem dieser sein Schloß, das er nicht mehr aufsuchte, von all seinem Mobiliar entblößt hatte, obwohl die Gemeindesteuer darum doch nicht geringer wurde.

Inzwischen hatte der Gemeinderat, sich auf die Vollmacht stützend, die ihm eine neue Rechtsbestimmung gewährte, die alten Steuerleistungen durch eine Gemeindesteuer ersetzt, die im Verhältnis zum Steuersatz alle Steuerpflichtigen traf. Die nicht an Ort und Stelle wohnenden Besitzer, die Großpächter und alle Honoratioren sahen sich von der neuen Steuer betroffen. Da aber das Gesetz erlaubte, die neuen Steuerabgaben in Natura zu bezahlen, und zwar im gleichen Verhältnis wie die alten Steuerleistungen, erklärten sie, daß die Ackerbauer mit ihrem Inventar und Gerät sich zu einem regelmäßigen Frondienst zur Instandhaltung der Wege der Gemeinde stellen sollten.

Die Pachtbauern befanden sich also in der bitteren Notwendigkeit, eine Steuer zu zahlen, die ihnen doch nicht zur Last fallen durfte. Die Gefügigsten unter ihnen hatten sich bereit erklärt, die andern folgten allmählich ihrem Beispiel, aber nicht ohne zu protestieren; die Widerspenstigsten sahen sich genötigt nun auch ihrerseits nachzugeben, wenn sie einer sicheren Kündigung vorbeugen wollten.

»Es hätte genügt, sich untereinander zu verständigen,« versicherte Courtial. »Die Bourgeois hätten sich dann schon gut gehütet, uns allesamt vor die Tür zu setzen!«

»Na, na! mein Bester,« antwortete Signoret bedenklich, »ehe sich die Bauern untereinander verständigen, kann noch viel Wasser unter den Brücken hindurchfließen.«

Courtial mischte sich mit einem leicht spöttischen Lächeln ins Gespräch:

»Das kommt daher, daß wir immer noch nicht genug im Elend sitzen. Es fehlt, daß wir noch dazu eine Reihe von ganz schlimmen Jahren bekommen und dann auch, daß die Herren noch rücksichtsloser vorgehen. Das würde wenigstens vielleicht helfen, daß wir uns untereinander verständigten.«

»Ein aufgeweckter Mann hätte uns not getan,« sagte Perotte, »der uns Festigkeit gepredigt hätte und daß wir uns verbinden müßten. Jetzt noch, wenn da einer käme, hab ich den Glauben, daß es damit noch nicht zu spät wäre. Die Gemüter hier herum sind immer bereit.«

Darauf sagte Hervaux mit leuchtenden Augen, während sein Schnurrbart sich kampfbereit aufrichtete:

»Sicher! Die Fälle von Unzufriedenheit sind reichlich genug, ebensogut in Cremery und Baugignoux, wie in La Clayette und anderweitig. Es handelt sich nur darum, einen Mann zu finden, der fähig ist, etwas daraus zu schlagen und die Kräfte wachzurufen. Gut also, wollt ihr, daß ich es euch sage, den Mann, den haben wir: der ist mein Freund Marcel Salembier, der hier Anwesende. Er hat gelesen, studiert; er hat selbst in den Zeitungen geschrieben … All das, indem er ein Bauer geblieben ist, wie wir alle; versuchen wir ihn zu bestimmen, von seinen Fähigkeiten Nutzen zu ziehen zu unserem größtmöglichen Vorteil!«

Ich fühlte mein Gesicht sich röten, und meine Hand bewegte sich lebhaft, um zu verneinen.

»Laß das doch! Wirf nicht noch mehr um dich. Ich bin ein ganz Abseitsstehender, der gar nicht dazu vorbereitet ist, Versammlungen zustande zu bringen oder gar den Kameraden Vertrauen einzuflößen, um sie in ein gemeinsames Handeln mit hineinzuziehen. Im übrigen hab ich auch gar nicht einmal die Zeit; das müßte einer sein, der die Mittel hat und unabhängig ist.«

Descombes beeilt sich, mich zurechtzuweisen:

»Dein Fehler, Marcel, ist, daß du etwas gar zu bedachtsam bist, zu verständig und zu wenig Vertrauen in dich selber hast … Herrgott! man muß das doch ausnutzen, was du alles weißt … Sag mir doch bitte, wozu es sonst der Mühe wert gewesen wäre, es zu lernen. Was würde dich das stören, wenn du an den Sonntagen manchmal Versammlungen abhieltest?«

Ich versuche regelrecht zu zürnen:

»Ihr seid gut … Wenn ich euch doch sage, daß ich nicht fähig bin, es zu tun! Was soll man erst solchen Unsinn den Kameraden von La Clayette aufbinden?«

Perotte, der sehr friedfertig ist, greift die Sache beim richtigen Ende an:

»Mein lieber Salembier, es gibt ein Mittel, um ein für allemal die Frage richtig zu entscheiden und das ist, wenn Ihr uns die Möglichkeit gebt, selbst über Eure Befähigung ein Urteil abzugeben, indem Ihr Euch auf einer öffentlichen Versammlung versucht – und diese Versammlung müßt Ihr bei uns, und das so schnell wie möglich, zurechtbringen. Nur Mut! Ich versprech Euch, daß Ihr Leute hineinbekommt! …«

»Also gut, Marcel,« beginnt jetzt Hervaux sehr ernst aufs neue, »hier haben wir ein für allemal eine Gelegenheit, die Gründung eines Syndikats der Landwirte zu wagen. Die Holzhacker und Tagelöhner haben uns ein Beispiel gegeben. Sie haben schon mehrere Gruppen im Kreis, warum sollten es die Pachtbauern und Kleinpächter nicht wagen? Wenn die Geschichte in La Clayette zum Klappen kommt, wird sie ebensogut in den anderen Gemeinden zustande kommen. Und vielleicht wird uns dann endlich auch Gerechtigkeit widerfahren.«

»Hab keine Angst,« unterstützte ihn Descombes hitzig, »wir werden da sein, um dich zu unterstützen, und wenn die Bourgeois sich einfallen lassen sollten, dich zu unterbrechen, würden wir alle aufstehen, um ihnen die Wahrheit ins Gesicht zu speien.«

Ich hatte so ziemlich mein kühles Blut zurückgewonnen.

»Hört mich einmal an, ich habe oft über diese Dinge nachgedacht … Meine Meinung ist, daß, bevor man irgend etwas in Angriff nimmt, was es auch sei, ja, bevor man sich an öffentliche Versammlungen heranwagt, eine Broschüre veröffentlicht werden müßte, worin unsere Beschwerden dargestellt würden, um sie dann im ganzen Bezirk von Baugignoux zu verbreiten.«

»Schreib sie also, deine Broschüre,« stichelt Hervaux giftig.

»Die Zeit und das Geld fehlen mir dazu. Man müßte Geld für den Druck haben.«

Descombes zieht schnell ein Goldstück aus seinem Geldbeutel und reicht es mir hin:

»Ich bin nicht reich, aber da hast du es, zum Teufel, das sind immerhin zwanzig Franken.«

Daraufhin beginnt der große Perrichon zu spotten:

»Junge, hast du ein Glück. Mir hat noch nie im Leben einer ein Zwanzigfrankenstück angeboten!«

Ich weise das Geld mit Nachdruck zurück:

»Nehmt das erst einmal wieder an Euch, Descombes! Laßt mich erst die Arbeit machen, dann wird man sich nach dem Geld umsehen. Inzwischen würde mir jeder einen Gefallen tun, der mir Fälle von Willkür und von Mißbrauch der Gewalt von seiten der Herren nennen kann. Ich könnte ein paar gut gewählte Beispiele in der Schrift anführen.«

»Das ist nicht schwer zu wissen, was man da hineinzubringen hat,« beeilt sich Courtial zu sagen. »Man schreibt hinein, daß die Bauern ausgenützt werden an allen Ecken und Enden und daß sie behandelt werden wie die Hunde … Da habt ihr dann die wahre und einfache Wahrheit … Wir sind wohl schon lange genug eine Republik, aber immerzu ist das noch dieselbe Sache!«

Aber Signoret berichtigt:

»Mußt nichts übertreiben, man ist trotzdem doch glücklicher dran als früher. Besinn dich bloß, Marcel … die Jugenderinnerungen, die dein Vater erzählt aus der Zeit, da er Knecht in Verneuil war bei den Larose, wie er die Brocken Roggenbrot in der Suppenschüssel suchen mußte … Sagt was ihr wollt, aber jetzt kann sich doch jeder mindestens satt essen!«

Ich fasse alles zusammen, indem ich vielleicht etwas zu gelehrt die ganze Lage abzuschätzen versuche:

»Die allgemeinen Lebensbedingungen haben sich verbessert, das ist unstreitig wahr, und für unseren geringen Teil ziehen wir davon auch für uns Nutzen. Währenddem hat sich aber unsere Stellung im Verhältnis zur gesamten Gesellschaft nicht sehr viel geändert …«

Die angenehme Wärme im Saal, das Essen und die bereits geleerten Gläser Wein hatten in uns ein wunderbares Wohlbehagen geweckt. In allgemeiner Übereinstimmung beschlossen wir, uns auch Kaffee zu spendieren. Und wir genossen so ganz unser gegenwärtiges Glück, daß kein Mensch mehr daran dachte, von den gewohnten Sorgen zu reden.

Gobert, der mit unstetem Blick und gespitzten Lippen dasaß, hatte gar nicht an unserer gefährlichen Unterhaltung teilgenommen, nur von Zeit zu Zeit bequemte er sich und steckte die Nasenspitze zur Tür hinaus, um zu sehen, ob die Ochsen ruhig waren. Die zwei bedienenden Leute tuscheln miteinander.

Als Gobert sich wieder einmal erhob, um aufs neue hinauszusehen, erhob Perrichon Widerspruch:

»Nein, André, nicht immer Ihr, das ist jetzt mal an mir die Reihe, verflucht auch!«

Und als er wieder zurück war, meinte er:

»Jetzt aber ran, Kameraden, trinken wir den Kaffee aus und machen uns aus dem Staub. Unsere Ochsen fangen an ungeduldig zu werden. Sie sehen aus, als ob sie es nicht gerade warm hätten. Eure beiden, Descombes, sind am anderen Ende des Platzes, Ihr könnt etwas eher aufbrechen als die anderen, um zu gleicher Zeit fertig zu sein. Ihr werdet uns doch nicht den Streich vom seligen Vater Mathias Muret spielen und auf alle Fälle die Branntweinflasche und was vom Zucker noch übrig geblieben ist, mitnehmen …«

Und da er den Ruf eines guten Aufschneiders und guten Erzählers hatte, tischte er uns die Geschichte des Vaters Mathias auf, die wir übrigens alle schon zum Teil kannten.

»Also das war so: Vater Mathias, von Natur aus ein großer Feinschmecker, hatte besonders eine Schwäche für gebratene Hühner. Eines Tages hatte er einen Transport unter ähnlichen Bedingungen wie die, in denen wir uns gerade befanden, und alle wußten, daß da ein gutes Frühstück auf sie warten würde. Die anderen verständigten sich untereinander, um ihm einen schlechten Streich zu spielen. Im selben Augenblick, als man das gebratene Huhn auf den Tisch bringt, steckt einer seine Nase zur Tür hinaus und kommt gleich danach eiligst wieder: Mathias, lauft schnell, Eure Ochsen kneifen aus und das so schnell sie laufen können. Die haben ihren Weg herausgefunden, sie sind schon an die zweihundert Meter weit!

Das war wahrhaftig wahr. Der Schankwirt hatte sie im Einverständnis mit den andern auf den richtigen Weg hinausgeführt. Aber Vater Mathias verliert den Kopf nicht: er rafft ein halbes Brot auf, greift nach einer vollen Flasche, springt auf das noch unangeschnittene Huhn zu und rennt fluchend davon: »Ah! die verdammten Tiere! ich lauf schon, sie einholen. Ihr müßt es, Freunde, ohne mich weitermachen, ich werde draußen mit der Kleinigkeit schon fertig, die ich mitnehm'.«

Wir standen inzwischen auf, noch lachend über den guten Streich von Vater Mathias, während sich Perrichon über seinen Triumph freute. Draußen nahmen wir dann Abschied von unseren Kameraden aus La Clayette.

Die Rückfahrt von einem Wagentransport ist meist nicht so lästig. Die Ochsen, die sich nach ihrem Stall sehnen, schreiten schneller aus, und die Ochsentreiber, um besser miteinander reden zu können, nehmen zu zweien und zu dreien auf demselben Wagen Platz.

Mein Gespann, das sich zwischen Descombes seinem und dem von Charles Hervaux befand, war das vorletzte. Die beiden stiegen mit mir zusammen auf und setzten auf der ganzen Fahrt das Kaffeegespräch fort. Descombes, ein heftiger Mann, und Hervaux, der sehr überschwenglich war, sparten nicht an Worten und überzeugenden Gebärden, als hätten sie den Auftrag erhalten, die Steine am Weg, die Hecken und die Bäume zu überzeugen.

Als wir uns trennen mußten, sagte mir Hervaux:

»Endlich einmal, daß deine Fähigkeiten dazu benutzt werden sollen, unserer Sache zu dienen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie mich das freut!«

Es war schon lange Nacht, als ich in Nachdenken versunken nach der Waldhütte zurückkehrte.


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