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8. Kapitel

Die anderen zwei Drittel vom Hau waren in diesem Winter in Angriff genommen. Auf der abgeräumten Strecke blieben nur die geradesten und gleichförmigsten Äste zurück, die man zum Schälen zurückbehalten hatte.

An einem Maitag, in der Zeit, da die Säfte zu steigen beginnen, begab ich mich dahin, meine Freunde, die Holzhauer, zu sehen. Mit einem Axthieb schlugen sie die Äste ab, die sie wagrecht auf einen Block wie auf einen Operationstisch legten. Sie befreiten sie von den kleineren Ästen und Zweigen, umringelten sie in regelmäßigen Zwischenräumen durch kreisrunde Einschnitte, zwischen die ein langer querlaufender Schnitt gemacht wurde. Darauf hoben sie die Rinde hoch, sich eines kleinen Messers bedienend, rissen sie völlig herunter, und den Blicken zeigte sich die entblößte Holzstange, ganz weiß und feucht von klebrigem Saft. Das Frühlingsblut der Bäume färbte ihre Finger und Handflächen wie mit schwarzem Lack.

Ich fand da wohl dieselben Männer, die den anderen Teil des Haus vor sechs Jahren ausgebeutet hatten, und der äußere Anblick des Lagers hatte sich nicht viel geändert. Aber doch, in der Kleidung der Holzhauer tat sich ein kleiner Unterschied kund. Solide Sammetwesten waren an Stelle der zerfransten baumwollenen getreten und Ledergamaschen umschlossen das untere Ende der Hosen und schützten sie gegen Feuchtigkeit und Schmutz. Das Frühstück war auch etwas weniger einfach: zu dem Holztopf mit Suppe waren jetzt Eier oder Speck hinzugekommen, ein jeder holte dazu noch aus der Tiefe seines Rucksacks ein kleines Fläschchen Wein. Und als ein warmes Sonnenlicht die Landschaft überflutete, als die Amseln im unberührten Teil des Haus zu singen begannen, empfing man im allgemeinen einen recht freundlichen Eindruck.

Henri Salmon meinte, als hätte er meine Gedanken erraten:

»Wie du siehst, sind wir auch keine Millionäre, so ist man immerhin doch etwas weniger abhängig als vor sechs Jahren!«

»Ist es das Syndikat, das euch geholfen hat?« befragte ich ihn.

Ich wußte, daß sie sich seit zwei Jahren zusammengeschlossen hatten, aber ich kannte die genauen Einzelheiten nicht.

Er gab mir Auskunft darüber. Er hatte seit langem schon die Kameraden auf diesen Weg gedrängt, aber sie hatten nichts davon wissen wollen. Endlich hatte das Beispiel der Leute aus Cher seinen Einfluß auf sie ausgeübt. Ein Propagandist, der von dort herübergekommen war, rüttelte sie aus ihrem Stumpfsinn auf; einige waghalsige Kameraden rissen die anderen mit sich fort; er selbst hatte sich dabei viel bemüht. Und wirklich, es war ihnen gelungen. Ihre Gruppe umschloß drei Viertel der auf Tagelohn gehenden Holzhauer von Baugignoux, La Clayette und Cremery; andere Gruppen waren in Anlezey, Firmelière und Pericourt gegründet worden. Das Ergebnis ermutigte dazu, beharrlich zu bleiben. Für die Reisigbündel bekam man jetzt vier Franken für jedes Hundert, anstatt 30 oder 40 Sous. Auch eine Erhöhung des Lohnes für das Bandholz und für die Schälung war eingetreten. Im vollen Winter, an den Tagen, wo das Wetter gut war, konnte man schon sein Dreifrankenstück verdienen.

»Und, weißt du, mehr Ansehen hat man auch noch dazu!« erklärte Salmon. »Die Holzhändler, die staatlichen Waldhüter sprechen jetzt mit mir wie mit ihresgleichen, anstatt uns, wie sie das sonst taten, zu behandeln, als könnte man den Fuß über uns hinwegsetzen.«

»Sieh mal an. Das hab ich mir immer gedacht, daß man nur zu wollen braucht …« bekräftigte ich mit aufrichtiger Bewunderung. »Alle Besitzlosen könnten, indem sie ebenso handeln, ihren Zustand verbessern und erreichen, daß sie mehr geachtet werden …«

»Das ist schon recht, mein Bester, aber es ist halt nicht leicht … Es sind immer welche da, die nicht verstehen wollen und abseits bleiben. Es gibt auch andere, die, indem sie die Bewegung widerwillig mitmachen, keine Gelegenheit vorübergehen lassen, ihre Führer zu bekritteln und Mißtrauen und Eifersucht zu säen.«

»Auch ihr habt ganz die gleichen Interessen. Aber unter den Landleuten sind auch solche, die, ohne dabei besser gestellt zu sein wie ihr, sich wie kleine Herren dünken. Es würde noch schwerer halten, da zu einem Ende zu kommen. Sie haben kein Verständnis für die Gemeinsamkeit der Interessen; sie sind immer dazu bereit, sich untereinander Konkurrenz zu machen und sich die Wolle vom Buckel zu fressen, zum größten Vorteil der Herren Besitzer.«

»Das ist die reine Wahrheit, aber ihr seid doch schon ein Haufen von Schlauköpfen und da bist du der Erste darunter. Ihr versteht die Sache. Rührt euch mal etwas, macht Begeisterung in der Hammelherde.«

»Ich werde schon mein möglichstes tun!« versicherte ich bescheiden.

Die Broschüre: »Betrachtungen über die Lage des Bauerntums – von einem Bauern« erschien im Laufe des Monats Juli. Sie hatte einen Umfang von sechzig Seiten in kleinem Format und einen ochsenblutroten Umschlag. Ich hatte gegen zweitausend Exemplare drucken lassen, die mich zweihundertundvierzig Franken gekostet hatten. Courtial nahm gleich hundert Exemplare ab, die er pünktlich zum Selbstkostenpreis bezahlte. Einer der kleinen Besitzer von Baugignoux, genannt Roussel, und ein Kamerad aus Firmelière taten einige Wochen darauf dasselbe. Nach der Ernte kam Hervaux eines Sonntags, um mir zu helfen die Adressen auszuschreiben, und wir schickten dann zweihundert Stück in die Pachthöfe von Cremery, Le Fresnois, Saint-Savarin, Anlezey und Pericourt ab. Außerdem nahm Hervaux noch fünfzig Stück mit, um sie, wie er mir erklärte, gelegentlich unter der Hand zu vertreiben. Übrigens vergaß er, sie mir zu bezahlen. Die anderen schliefen einstweilen in Paketen zu fünfundzwanzig Stück auf einer Kommode in meinem Zimmer.

Meine Mutter pflegte deshalb oft zu sagen:

»Nanu! jetzt sind wir dazu noch Bücherhändler geworden …«

Und Jeanne fügte hinzu:

»Ich weiß gar nicht mehr, wo ich meine Sachen hinlegen soll. Du packst alles mit deinem Papierkram voll.«

Allmählich setzte ich noch einige Pakete ab, und den Rest teilte ich hier und da aus unter dem schönen Titel – zur Propaganda.

Unterdessen brachte der Versuch des Verkaufes in den Tabakläden von Verneuil und Baugignoux dieses herrliche Resultat: sechs Broschüren in einem Jahr vertrieben, die anderen vertan, verschmutzt, verloren …

Im ganzen genommen war ich, abgesehen von meiner Mühe, noch mit zweihundert Franken im Verlust. Ich hatte dafür, das ist wahr, manchmal die Genugtuung, sagen zu hören:

»Der, der das gemacht hat, das ist ein fester Kerl, der Bescheid weiß. Potztausend, wenn ich dem mal begegnen sollte, dem würde ich von Herzen eine feine Flasche spendieren. Er hat sie verdient; das ist wahr! wahrhaftig wahr!«


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