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19. Kapitel

Unsere erste Weinbestellung, die wir einem Verband von Weingutbesitzern in Herault zum Austrag übergeben hatten, befriedigte die syndikalistischen Käufer vollständig, dabei brachte sie ihnen eine nicht zu verachtende Ersparnis. Dieses ermutigende Ergebnis veranlaßte uns, auch Geschäfte anderer Art in Angriff zu nehmen, indem wir zum Beispiel auch versuchten, gemeinschaftlich Mastfutter und andere Lieferungen zu bestellen. Das war jedenfalls schon schwerer, denn dafür wurde ein Lager oder ein Genossenschaftsladen unumgänglich nötig und auch etwas flüssiges Kapital. Ein Vortrag, der sehr zur rechten Zeit durch einen Professor der Landwirtschaftlichen Hochschule gehalten wurde, machte es uns möglich, im Zusammenhang mit dem Syndikat eine Kreditkasse einzurichten. Diese Kasse, die an die Kreiskasse von Buy-le-Château angegliedert wurde, war imstande, uns Vorschüsse zu gewähren.

In der Nähe des Bahnhofs wurde zum ersten Januar ein Wagenschuppen frei. Wir mieteten ihn also tapfer und richteten da unser Lager ein. Eine Hebelwage, eine kleine Stehwage, eine Karre für die Säcke, ein Tisch und ein Stuhl genügten zunächst als Inventar.

Roussel, der einen Kilometer von Baugignoux entfernt wohnte, in einem kleinen, ihm gehörenden Landgut, willigte ein, gegen ein Entgelt von fünfzehn Franken monatlich, sich den Kameraden während zweier Stunden am Sonntag und am Dienstag, die die Erfüllungstage für die Lieferungen waren, zur Verfügung zu stellen. Er hatte dann auch noch die Verpflichtung, mit seinem Esel und seinem Wagen die Waggonladungen verschiedener Waren vom Bahnhof zum Magazin zu schaffen. Klug und gewissenhaft, und vor allen Dingen von angenehmem Wesen, galt uns Roussel als der geeignete Mann dafür. Was die Vorschußkasse anbelangte, so befleißigten sich unser Schriftführer Guillemet und ein anderer noch ganz junger Kamerad, Edmond Pintraud, der Sohn eines Pachtbauers, das Verfahren, das diese Angelegenheit betraf und über das der Professor gesprochen hatte, gewissenhaft zu lernen.

Währenddessen häuften sich trotz des guten Willens und der Verdienste dieser wertvollen Gehilfen Pflichten auf Pflichten auf meine Schultern. Ich verblieb der verantwortliche Hauptleiter, an den sich ein jeder wandte. Ich hätte schon rein alles wissen und voraussehen müssen.

Was die Mitglieder anbetraf, so kamen sie wohl diejenigen Sachen vom Genossenschaftslager zu holen, die billiger als beim Kaufmann waren, zogen aber wiederum bei gleichen Preisen den letzteren vor, denn sie mochten nicht mit ihm gänzlich abbrechen. Und wenn der Zufall es wollte, daß in irgendeiner Sache unsere Preise sich als höher herausstellten, waren es nur wir ganz wenige, die wirklich den syndikalistischen Geist besaßen, dennoch bei uns diese Ware zu kaufen.

Ich tastete krampfhaft herum ohne die notwendigsten kaufmännischen Vorbedingungen. Ich empfing eine Unmasse Preislisten und Angebote aller Art, aber wie sollte man da unter all dem die guten Geschäftshäuser herauskennen? Es waren da auch Genossenschaften von Produzenten, die unter dem Vorwand idealer Gemeinsamkeitsgefühle mich nötigten, mit ihnen in Verbindung zu treten. Auch gewisse Makler machten mir das Angebot, im Falle günstiger Geschäftskonjunkturen auf telegraphische Anweisung hin zu kaufen. Ich hatte Angst, daß ich in eine Falle ging, aber manchmal hatten sie doch recht mit dem was sie sagten … Und den Gewohnheiten der Gegend mußte man ebenfalls Rechnung tragen: diejenigen von unseren Genossen, die daran gewöhnt waren, viereckige Ölkuchen zu verfüttern, wollten keine runden haben, andere wiederum verzogen ihr Gesicht wegen der zu hellen oder auch zu dunklen Farbe derselben Produkte. Es gab manchen, der den Superphosphat zurückwies, weil die Säcke nicht im guten Zustand waren.

Um zu guten Bedingungen Düngemittel und Saatkorn zu kaufen, wäre nötig gewesen, gegen Ende Januar die annähernde Höhe der Bestellung angeben zu können. Es ist aber eine ganz unmögliche Sache, von den Landwirten zu erreichen, daß sie zwei Monate im voraus sagen, was sie die Absicht haben werden zu nehmen. »Bis dahin ist noch genug Zeit zum Überlegen; das ist noch zu weit hin … Wenn man was wissen würde von den Preisen, ja, dann könnte man ja sehen … Man kann sich doch aber nicht so mir nichts dir nichts verpflichten auf diese Art, so ohne irgendwas Festes zu wissen …« Man hatte gut sagen, daß die Preise gerade erst im gesamten bestimmt werden, je nach der Größe der Bestellung, nichts half; sie wollten sich keinem Zwang fügen; sie wollten die Herren bleiben, um im gegebenen Augenblick nach ihrem Belieben zu handeln.

Sicher, daß mich diese Schwierigkeiten quälten und daß ich nicht mehr ruhig schlief in den Nächten! Der erste Schlaf war noch gut, denn die Müdigkeit streckte mich hin. Sehr oft jedoch unterbrach ihn ein ungelegenes Geschrei des Kindes nach ein oder zwei Stunden. Und dann war es aus damit. Ich konnte nur noch einen leichten Halbschlaf finden, der von häßlichen Träumen unterbrochen wurde, die mich ermatteten, anstatt mich zu erfrischen.

Die zweite Weinbestellung, die im Januar vonstatten ging, war bedeutend, es handelte sich um einige hundert Hektoliter. Die Weinhändler kamen in Bewegung, nicht etwa Trochère, der über diesen kleinen Sorgen stand, dieser sicherlich nicht, aber die verschiedenen Unter-Trochères, an denen es in Baugignoux und anderen Gemeinden des Bezirks nicht fehlte.

Sie beschränkten sich zunächst nicht nur darauf, uns mit allen Mitteln zu verleumden, sie versuchten sogar gegen uns die Beamten der indirekten Steuer zu hetzen, indem sie sie baten, auf dem Bahnhof zugegen zu sein zu der Zeit der Auslieferung unserer Sendung.

Im übrigen ließen »die Kellerratzen« sie schlecht abfahren, da sie wußten, daß wir in Ordnung waren, daß der Frachtbrief stimmte und daß eine Steuerquittung jede Bestellung begleitete.

Anderseits fing unser sich entwickelndes Lager an, die Kaufleute, die mit Düngemitteln, Ölkuchen und Getreide handelten, zu stören. Der örtliche Verkauf war ihre Sache, sie litten gerade schon genügend daran, daß ihrer so viele waren, und die Konkurrenz beschnitt auch ohnedies ihren Verdienst. Was sollte aus ihnen werden, wenn die Bauern die Angewohnheit annahmen, ohne sie fertig zu werden?

Als mich der Zufall mit einem dieser Kaufleute zusammenbrachte, fühlte ich ordentlich seine feindlichen Blicke auf mir ruhn. Ah! was mußte der für eine beleidigende Gesinnung gegen mich im Hintergrund halten, »gegen so einen verfluchten Dreckskerl, der besser dran täte, seine Kühe zu warten, als ihm einen Schaden anzutun«. Ich fühlte mich beinah verwirrt, als hätte ich mir was zuschulden kommen lassen.

Sie aber deuteten währenddessen überall zuvorkommend an, daß alle unsere Waren Schweinerei und Ausschuß wären und daß ich ein großartiger Bauernfänger sei, dem die Lust angekommen wäre, ohne Arbeit leben zu wollen.


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