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25. Kapitel

Eine allgemeine Frühlingsversammlung in demselben Saal des Hotel Chambert, in dem das Syndikat von Baugignoux gegründet wurde. Wir haben Salmon und seine Kameraden, die Leiter der vier Holzfäller-Syndikate, die in der Gegend vorhanden sind, ebenfalls zusammenberufen. Die Holzfäller sind im Sommer Landarbeiter und verteilen sich über verschiedene Betriebe. Wir möchten zu einer Verständigung zwischen den beiden Gruppen von Arbeitern kommen, die aus den Kleinpächtern einerseits und den Tagelöhnern andererseits bestehen, von denen die einen sich in der Lage befinden, für eine gewisse Zeit die Arbeitgeber der anderen zu sein.

Wir sprechen erst einmal von uns, von der Lage, in der sich unsere Gruppe befindet. Alles steht schlecht, Baugignoux ausgenommen, wo die Nähe des Lagers, welches gewisse Vorteile verschafft, uns einige vierzig Anhänger zuführt, die standhaft zu sein scheinen. Aus der Nachbargemeinde La Clayette kommen wohl noch einige dreißig hinzu. Anderswo ist nur Mutlosigkeit und Gleichgültigkeit zu finden. Die Grundbesitzer fahren fort, gegen uns einen erbarmungslosen Krieg zu führen, weniger in völliger Öffentlichkeit, als durch allerhand hinterrücks ausgeführte Maßnahmen, in denen sie versuchen, uns die meisten der Pachtbauern abtrünnig zu machen, sei es durch Überredung oder durch Drohungen.

Inzwischen bleiben uns doch in jedem Ort einige überzeugte Anhänger, die einen kleinen Brennpunkt bilden, aus dem bei günstiger Gelegenheit die befruchtenden Energien hervorbrechen könnten.

Gilbert Blondeau, aus Pericourt, spricht uns von einem persönlichen Erlebnis, und er erweist sich als unbezahlbar in der komischen Art, in der er die flötende Stimme und die salbungsvollen Bewegungen seines Herrn, eines Kleinbürgers, wiedergibt.

»Also soweit wären wir, daß du dich in das Syndikat hast einstecken lassen, mein armer Gilbert? Und du glaubst, daß dir das Geld in die Tasche bringen wird? Oho, da laß mich erst einmal lachen, he du! Komm mal erst zu mir ins Haus, da kannst du mir sagen, woran es dir etwa fehlen soll, und ich werd es dir zusagen, wenn es in meiner Macht liegt, unter der Bedingung, daß du dich streichen läßt, wohl verstanden. Solange du zu diesen Umstürzlern gehörst, will ich dich nicht mehr vor Augen sehen.« Das ist nun sicher, daß mein Herr mir sonst nie so freundlich zugesprochen hat … Ich hab aber trotzalledem geantwortet: »Du meine Güte, Herr, ich hab mein Wort gegeben, jetzt will ich das auch nicht zurücknehmen.« Darauf hat er gemeint, indem er mir voll in die Augen dabei blickte: »Nimm dich in acht, Gilbert, das könnte dir teuer zu stehen kommen!« – Aber ich habe geantwortet, ohne im geringsten von der Welt mich einschüchtern zu lassen: »Oh, Herr! das ist wohl von keinem Nutzen, mir Drohungen zu machen, der St. Martins Tag macht mich nicht ängstlich … So ist er denn gegangen, ohne ein letztes zu versuchen.«

Wir beglückwünschen Blondeau, aber wir sind wohl ungefähr alle darin einig, daß die Kameraden noch selten sind, die fähig wären, diesem Beispiel von Festigkeit und Mut zu folgen.

Da erhebt sich Courtial, die Jacke zurückgeschlagen, das ganze Aussehen rauh und entschlossen. Ich höre hinter mir flüstern, daß der Kamerad nicht nüchtern ist.

»Merkt gut auf,« beginnt er, »an dem Tag, an dem wir uns entscheiden vorzurücken, werden schon manche Leute da sein, die bis dahin nicht wagten, sich zu zeigen, die aber aus ganzem Herzen zu uns halten. Nur Mut gehört dazu. Mut! Kameraden!«

Ein alter Mann mit breit ausladenden Schultern und einem großen Kopf mit weißem Patriarchenbart, Vater Tardy, Mitglied des Syndikats aus Fresnois, gibt mit voller Wucht eine kriegerische Rede zum besten. Er verlangt den Streik, predigt den Aufruhr, und alles das mit einer natürlichen und heiter klingenden Stimme:

»Am gegebenen Tag werden wir uns in Reih und Glied aufstellen, jedes Dorf für sich, mit Trommlern, Hornbläsern und roten Fahnen voran, während einige die Sturmglocke des Aufruhrs läuten. Jede Gruppe durchzieht ihren Wohnort, wächst unterwegs durch die Zahl der noch Zögernden, Ängstlichen und Schüchternen an, und selbst die Widerspenstigen zwingt man unter Hinzuziehung von Gewalt mitzumachen. Und alsdann werden wir uns nach den Wohnsitzen unserer Herren wenden. Wir werden sie nicht anflehen, diese Bourgeois, niemals! Wir fordern sie unter Androhung einer sofortigen Niederlegung der Arbeit regelrecht auf, uns unser Recht zu geben. Sie werden ängstlich sein, das ist natürlich so, wenn sie uns so zahlreich kommen sehen und wenn dazu noch die Sturmglocken ringsum den Ausbruch des Aufruhrs verkünden. Dann werden sie an die vor Hunger in den Ställen brüllenden Tiere denken müssen und an die Ernte, die in Gefahr stehen wird, auf den Feldern zu verfaulen. Und sie werden es eilig haben mit dem Nachgeben, dafür kann ich euch bürgen« …

Der Alte lächelt in seinen weißen Bart, sichtlich befriedigt über seinen Erfolg, und schließt sodann, indem er den Rat erteilt, sogleich eine rote Fahne zu kaufen, eine starke Propaganda in Hinsicht auf diesen Tag zu betreiben und uns an den »Allgemeinen Arbeiterverband« anzuschließen.

Perotte dagegen läßt ruhig und gesetzt die Stimme der Vernunft walten:

»Aber sagt bloß einmal, Alter, wenn ich fragen darf, wäret Ihr dann nicht vielleicht zufällig im Gange, Euch unsere Köpfe zu leisten? Ihr spinnt Euch wohl nicht gar so etwas zurecht, uns in Abenteuer hineinzureißen, die der Art wären, uns ins Gefängnis hinein zu bringen? … Ich kann Euch nur sagen, daß sich bei uns nicht zehn finden werden, um Eure famose Gruppe zu bilden … und was den Ausstand anbetrifft, so sind das Dummheiten, darüber braucht man gar nicht erst zu reden; die Tiere gehören uns ebensogut wie unseren Herren, das wißt Ihr wohl …«

Ein ganz junger Mann, schmalschultrig, rosig und blond, erhebt sich plötzlich und spricht von seinem Platz aus im äußersten Ende der letzten Bank. Sein Gesicht ist dunkelrot vor Erregung geworden, seine Hände bewegen sich fieberhaft, er drückt sich mit heftiger Stimme aus, wie um sich selbst mit fortzureißen, dabei aber mit dem Ausdruck einer echten Überzeugung:

»Ich bin der Ansicht des Alten: die Bourgeois sind zu fett gemästet, zu stolz … zu unehrenhaft … ihre Nächstenliebe, ihre Moral und ihre Redlichkeit sind Lüge und Heuchelei – nichts anderes als das! Sie möchten sich gerne ein Ansehen von Heiligen geben und handeln wie Schweine! Nicht einmal das allein, daß sie uns die Früchte unserer Arbeit stehlen wollen, nein, sie nehmen uns noch unsere Schwestern und unsere Frauen, wenn sie ihnen gefallen … Oh! es wäre gut, einmal alle alten Rechnungen in Ordnung zu bringen … Aber das wird wohl vergeblich sein: Wir werden ihnen immer noch nicht das zurückgeben, was wir ihnen schuldig sind!«

Einige Beifallsbezeugungen, sodann eine eindrucksvolle Stille: ein jeder sitzt mit sich selbst beschäftigt und trachtet, sich von dem Eindruck des Hasses frei zu machen, den ihm diese kalten harten Worte hinterlassen haben.

Hervaux, der vor kurzem erst angekommen ist und im Saal hin und her geht, bleibt mit einemmal bei mir stehen, klopft mir auf die Schulter und flüstert in mein Ohr:

»Weißt du, was ich eben zu hören bekommen habe? Der junge Redner von da hinten ist ein Bursche aus Anlezey, dessen Schwester von dem feinen Kerl von Agronom, dem Duvernay, verführt worden ist, und die er dann hat sitzen lassen. Kein Wunder, daß der mit so viel Wut und Ungestüm gesprochen hat …«

Roussel, unser Lagermeister, antwortet kurz, um die Meinung zu bestätigen, die soeben von Perotte ausgesprochen worden ist.

»Nicht der Mühe wert, sich erst so zu erhitzen … Man muß sehen, was man zu leisten fähig ist, und sich danach einrichten …«

Während Hervaux, der sich bis jetzt immer zustimmend zu allen äußersten Mitteln gezeigt hat, zum allgemeinen Staunen auch anfängt, an demselben Glockenstrang zu läuten:

»Nein, keine Gewaltmittel und auch keine lärmigen Kundgebungen, die uns schaden können!«

Die Blicke wenden sich jetzt auf mich. Ich begreife, daß es nötig ist, meine Ansicht darzutun:

»Wir sind alle einig über die Missetaten der Bourgeois, aber wir mißbilligen die Gewalt, wir richten uns an die Vernunft der Kameraden, wir raten ihnen, den Geist der Einigkeit über den Geist des Mißtrauens zu stellen. Wenn viele erst von diesem Geist durchdrungen sind, werden wir uns leicht dieser seit altersher bestehenden Ungerechtigkeiten zu entledigen wissen. Die Rache ist ein schlechter Beirat, wir werden ihrem Lockruf kein Gehör schenken, wir werden unseren Gram und unsere Sorgen zum Schweigen bringen und auch unseren Haß, und nur an das schöne Werk der Selbsterhöhung denken, das wir wachrufen wollen, und das aus unserer Vereinigung entstehen soll!«

Die gegenwärtigen Syndikalisten, erst neu geweckte, etwas in ihrem Selbstbewußtsein einfältige Gemüter, sind, wie so ziemlich alle, die ihren Weg noch suchen, für den Zauber der Worte sehr empfänglich. Einen Augenblick, durch die glühenden Worte der Auflehnung und des Hasses mitgerissen, im Grunde dabei aber doch ein wenig unsicher, erkennen sie, dünkt mir, in meinen Worten den richtigen Ausdruck für ihr Trachten. Das ist schon recht, daß sie lebhaft wünschen wichtige Neuerungen durchzuführen, aber sie wollen ihre Macht nicht durch revolutionäre Kundgebungen beweisen, geschweige denn, daß sie Taten versuchen wollten, Gerechtigkeit beim düstern Klang der Aufruhrglocken zu erlangen. Als arbeitsame, friedliche Landleute, die Ehrfurcht vor der landläufigen Moral haben und das Gesetz achten, eignen sie sich durchaus nicht dazu, Gewaltmittel anzubringen.

Der junge blonde Bursche behält jetzt ein etwas verächtliches Schweigen bei, aber der weißbärtige Vorredner entgegnet mit einer bitteren Stimme:

»Bei diesem Vorgehen werden fünfzig Jahre vorübergehen, ohne daß ihr noch etwas erreicht habt. Griffuelhes hat es ja gesagt: Es ist so, daß man nur durch die rasche Gewalttat vorwärts kommt und die Zaudernden mit sich reißt!«

Und jetzt redet er über den Allgemeinen Arbeiterverband, dem wir, wie er meint, so schnell wie möglich beizutreten die Pflicht haben.

Henri Salmon unterbricht ihn:

»Der Verband läßt nur Gruppierungen besoldeter Angestellter zu. Er würde euch nicht aufnehmen, ihr Kleinpächter und Farmer, die ihr doch selber Herren seid, da ihr Knechte und Tagelöhner beschäftigt.«

»Man dürfte uns dessenungeachtet aber nicht als Ausbeuter gelten lassen!« sagte Perotte lachend.

»Und warum nicht?« begann Salmon hartnäckig. »Ihr seid härter zu uns als die Bourgeois, über die ihr euch so beklagt. Die Bourgeois sind, was den Preis anbetrifft, freigebiger und sind in bezug auf die Arbeit weniger anspruchsvoll. Und wenn es keine Schlösser hierzulande gäbe, dann müßten wir vielleicht noch länger feiern jedes Jahr!«

Zwischenrufe werden laut, die ich zu übertönen versuche:

»Aber hört einmal, Kamerad Salmon, wir arbeiten doch gerade so gut wie ihr, nicht wahr? Das wißt ihr, und haben auch keinen größeren Verdienst als ihr ihn habt. Unser Leben ist dasselbe, bis auf ganz weniges. Unsere beiden Gruppen mischen sich beständig: Der Tagelöhner von heute ist der Kleinpächter von morgen und umgekehrt. Es liegt im Interesse der bürgerlichen Klasse, uns voneinander zu trennen; ausgenützt werdet sowohl ihr wie wir … Und wir haben euch heute zusammenberufen, damit wir, gegründet auf gegenseitiges Vertrauen, wie es sich für gute Syndikalisten ziemt, eine Verbindung zustande bringen.«

»Und wir,« erwidert Salmon, »wir sind mit der Absicht gekommen, euch unsere Gegenforderung zu unterbreiten. Wir wollen, daß der Tag auf zwölf Stunden für die Heu- und Getreideernte beschränkt werde und auf zehn Stunden für die Dreschzeit. Es soll in jedem Dorf ein Ausschuß gebildet werden, bestehend aus drei Tagelöhnern und drei Kleinpächtern, der jeden Sonntag die Höhe des täglichen Verdienstes für die folgende Woche festlegt, und dieser Lohn darf nicht niedriger als 40 Centimen die Stunde sein – und schließlich wollen wir doch auch ein Liter Wein pro Tag haben. Das ist nichts Ungebührliches, was wir verlangen. Na ja, ich bin aber sicher, daß manche Pächter finden werden, dieses wäre noch zu viel … Sie nehmen von ihren Herren die schlimmsten Bedingungen an und wollen sich dann auf diese Art wieder an dem Arbeiter guthalten. Immer werden sie die Anhänger der langen Arbeitszeit und der kurzen Löhne sein. Darum eben dürfen wir sagen, daß ihr die ausgebeuteten Ausbeuter seid!«

Einer seiner Kameraden kommt ihm zu Hilfe:

»Und das ist es, warum wir gegen euch kämpfen müssen, mit der Rechten und mit der Linken, denn ihr seid die Zwischenhändler, die die Arbeit in Akkord nehmen. Wir hätten es lieber mit den Herren selbst zu tun. Wir werden gegen euch kämpfen und ihr werdet euch mit euren Herren überwerfen – das zwingt euch vielleicht zu handeln …«

Eine sichtliche Erregung machte sich bemerkbar; darauf folgte ein ziemlich wirrer Meinungsaustausch. Einige unserer Kameraden billigen das Vorgehen der Arbeiter, andere wehren ab. Der ganze Saal wurde unruhig.

Es gelingt mir schließlich, das Wort zu ergreifen, und ich schlage vor, daß wir, ohne vorerst auf den Inhalt der von unseren Kameraden, den Arbeitern, gestellten Gegenforderungen einzugehen, einwilligen, in allen Ortschaften, in denen unser Syndikat wirkt, gemischte Ausschüsse zu bilden in der Art, wie Salmon es soeben vorgeschlagen hatte, die dann ihre Tätigkeit noch in diesem Sommer versuchsweise ausüben sollen.

Man nimmt den Vorschlag durch Erhebung der Hände an. Und so ist der Zwischenfall für dieses Mal erledigt. Aber man flüstert hier und da untereinander, daß solche Ausschüsse, wenn sie sich auch bilden sollten, doch ohne Zweck bleiben werden, weil sie keinerlei Autorität besitzen, ihre Entschlüsse den anderen aufzuzwingen.

Darauf wird auf unsere erste Erörterung wieder zurückgegriffen. Die Verhandlungen werden weiter geführt, in einem Saal, in dem die Gemüter schon erhitzt sind und in dem der wirre Lärm der Sonderunterredungen von Augenblick zu Augenblick wächst.

Courtial erscheint wieder auf dem Kampfplatz, angriffslustig, rücksichtslos und voll Spott.

»Ich sage es euch, die Stunde ist gekommen, um alles für das Ganze zu wagen … versuchen wir irgend etwas! … Eine energische Inangriffnahme wird die Zögernden mit sich reißen …«

»Oder wird die Getreuen nötigen, zurückzutreten!« widerspricht Perotte.

»Das glaube ich nicht … aber schließlich wäre es immerhin besser, in einem kraftvollen Angriff unterzugehen, als bei halbem Feuer in Gleichgültigkeit allmählich zu verlöschen. Ich fordere nicht, daß man die Sturmglocke läutet, wie der Alte das gesagt hat, aber ich finde, daß sein Gedanke etwas Gutes an sich hat. Die Geschäftsstelle könnte einen bestimmten Tag aussuchen, der den Anhängern mitgeteilt würde, aber das nur ihnen allein, und zwar eine Woche vorher. An diesem Tage würden wir uns aufmachen, von unseren Herren das zu verlangen, was wir zu erreichen wünschen, indem wir ihnen eine Frist lassen uns zu antworten. Nach Ablauf dieser Wartezeit reichen alle diejenigen, die nicht zu ihrem Recht gekommen sind, ihre Kündigung ein. Das ist alles ganz klar. Und es wäre wohl auch Eure Ansicht ehemals gewesen, Salembier?«

»Ja, aber ich dachte, daß wir zahlreicher sein würden!«

Roussel, Perotte und mehrere Pächter unterstützten mich sogleich:

»Wir sind zu wenige, das ist ganz sicher … es ist doch besser, im Augenblick nichts zu wagen … später, wenn die Leute besser verstehen werden, kann man sehen …«

Aber um Vater Tardy herum, den ehrwürdigen Alten mit dem weißen Bart, hatten sich schon mehrere geschart, unter denen auch Courtial und Dussel, der junge blonde Mann, waren. Der letzte kritzelt etwas auf ein Notizbuchblatt. Es war eine Losung für den Tag des Vorgehens, über den sich die Vorgeschrittenen soeben untereinander geeinigt hatten. Sie bejahten damit die Notwendigkeit, gegen Ende des Jahres an einem festgesetzten Tag den Versuch einer gemeinsamen Handlung gegen die Besitzer zu wagen, der Geschäftsstelle dabei die Sorge der Regelung der Einzelheiten überlassend und sie gleichzeitig auffordernd, von jetzt ab bis dahin sich aller Propagandamittel zu bedienen, um neue Anhänger anzuwerben.

Die gegebene Tageslosung war im Grunde ziemlich gemäßigt. Ich konnte ihr nur vorwerfen, uns zu unbedacht zu einem Abenteuer zu verpflichten, das zum guten Ende zu führen wir nicht stark genug waren. Die Maßnahme schien mir verfrüht, und ich sagte es ihnen geradeaus.

Der Meinungsaustausch wurde für einige Augenblicke mit recht viel Hitzigkeit fortgesetzt. Darauf hielt man die Sache noch hin durch Abstimmung auf Papierzetteln … 35 Kameraden stimmten für die Tageslosung der Vorgeschrittenen, das heißt für ein sofortiges Handeln, und 29 für die Vertagung.

Die Sitzung wurde nach diesem großen Entschluß aufgehoben.

Eine Stunde später, als wir, die alleinigen Mitglieder des Bureaus, uns in unserem Lagerraum zusammengefunden hatten, wirft mir Perotte, der unwandelbar an seiner Idee der methodischen Vorsicht festhält, vor, die Bewegung von Courtial und den anderen nicht kräftig genug bekämpft zu haben.

Und er fügt gleich hinzu:

»Überhaupt, wenn es richtig zugegangen wäre, hätte man nur die allein Interessierten stimmen lassen dürfen. Die kleinen Besitzer, die Kleinpächter mit zwei Kühen und die jungen Burschen, die noch unter der Leitung ihrer Eltern arbeiten, ohne persönliche Verantwortlichkeit, alle haben sie in einer Frage mitgestimmt, die sie nichts angehet. Und mit welchem Recht? Ich bin sicher, daß nicht zehn Bauern darunter sind, die sich zustimmend ausgesprochen haben, und daß sich nicht fünf finden werden am gegebenen Tage zu handeln!«

Ich fühle mich besorgt gegenüber den kommenden Möglichkeiten und recht voller Zweifel im Grunde.

»Ich habe wahrlich Angst, daß Ihr Recht bekommen möchtet!« sagte ich. In diesem Augenblick gesellte sich Guillemet, unser junger Sekretär, zu uns, und einer seiner Freunde, Jules Pintraud, der Benjamin des Syndikats, der erst 20 Jahre alt war. Alle beide waren sehr ergebene treue Anhänger, die von den durch die göttliche Vorsehung ihnen eingesetzten Herren nicht viel hielten, jedoch meinten, daß man zuerst die Unwissenheit in sich und um sich bekämpfen müßte. Sie lasen beide viel. Pintraud, lebhaft, mager und beweglich, hatte einen höllischen Schwung in sich. Unsere besorgte und trübsinnige Haltung mißfiel ihm, und darauf machte sich jetzt der Grünschnabel heran, uns aufzumuntern.

»Etwas mehr guten Humor, Kameraden, verflucht nochmal! Das Schwerste ist doch getan, da ihr eine Sache auf die Beine gestellt habt, die noch gar nicht da war! Seid doch im Gegenteil lieber stolz und fahrt fort, Vertrauen zu euren Kräften zu haben.«

Was den Gegenstand des gefaßten Entschlusses anbetraf, kam er mit uns überein, daß der Erfolg sehr fraglich sei, aber er versicherte, daß die vorgeschlagene Kundgebung trotzalledem doch mit Eifer vorbereitet werden müsse, denn Begeisterung hat die Kraft, um sich zu greifen.

Endlich erklärten sich Guillemet und er bereit, mich in die etwaigen Propagandaversammlungen zu begleiten und mir auch zu helfen, die Rundschreiben abzuschicken oder sich mir irgendwie anders nützlich zu erweisen.

Die Ergebenheit, die mir auf die sonst selten geübte Art, und zwar in der Gestalt einer persönlichen Beihilfe, gezeigt wurde, tat mir sehr wohl.


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