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4. Kapitel

Im selben Jahr, im Oktober, in der Zeit der Aussaat war es. Wir eilten uns wegen des wenig sicheren Wetters an diesem Abend. Und auch unsere Nachbarn, die Barois, beeilten sich gleich uns auf dem angrenzenden Acker.

Da geschah es, daß fröhliche Stimmen von einem Anger der Barois erklangen, der von der Längsseite an die beiden Saatfelder grenzte. Es waren Jäger: der Besitzer, Herr Réalmont, mit seinem Vetter, dem Notar Rollard aus Verneuil, Herr Trochère, der reiche Weingroßhändler und Bürgermeister von Baugignoux, und Herr Lacaze, ein begüterter Pächter aus Cremery. Die beiden letzten waren seine Freunde.

Um zehn Uhr früh mit ihrem Wagen angekommen, hatten sie bei Gobert ausspannen lassen und waren dann nach einem ersten Jagdgang wieder zurückgekommen, um zu frühstücken. Der Wagenkasten faßte ein reichliches Mahl, bei dem Champagner und Bordeauxwein mit dabei war. Dadurch ließ sich die lärmende Heiterkeit der Teilnehmer, die eben mit dem Schmaus fertig waren, auf eine ganz einfache Weise erklären.

Und zweifellos waren sie nicht ganz sicher auf ihren Beinen. Unterdessen passierte es, daß Herr Rollard, indem er sich in eine Brombeerranke am Boden verfing, der Länge nach auf den schmutzigen Rasen hinfiel.

Herr Rollard, ein Mann von guter Figur, konnte voll Stolz auf eine Rundlichkeit blicken, die, ohne noch allzu störend zu sein, sich schon anständig bemerkbar machte; er hatte einen echten Notarenbauch. Sein Fall hatte ernstere Folgen. Eine unheilvolle Distel zerkratzte seine Hände, und der Kolben seiner Flinte quetschte ihm die Rippen. Nicht ohne Besorgnis machten sich die anderen eiligst daran, ihn wieder auf die Beine zu bringen. Im ganzen genommen hatte er keinen Schaden erlitten, aber von Natur aus recht verweichlicht, brauchte er längere Zeit, um sich zu befühlen und immer wieder zu beklagen.

Inzwischen war Vater Barois bis dicht an die Gruppe an das äußerste Ende des Ackerbeetes angelangt, auf dem er säte, und Réalmont machte sich alsogleich daran, ihn mit wütender Stimme zur Rede zu stellen:

»Da haben wir es, wie Ihre Wiesen gut in Ordnung gehalten werden, Barois. Nicht einmal hindurchgehen kann man, ohne Gefahr zu laufen, daß man hinfällt. Ihr werdet mir gefälligst jetzt so gut sein, dieses Loch gleich, auf der Stelle, zuzuschütten … versteht Ihr … auf der Stelle! …«

Ich habe die Barois schon im allgemeinen als dumme Menschen vorgestellt, die einen gewissen Stolz darein setzten, sich in ihrer Dummheit zu zeigen. Für gewöhnlich war das Verhalten des Oberhaupts der Familie dem Herrn gegenüber bescheiden, einfältig und ruhig. Aber die scharfe Zurredestellung mißfiel dem alten Barois, und da er sicher war, das gute Recht auf seiner Seite zu haben, zeigte er sich fest.

»Wieso denn, Herr Réalmont? Glauben Sie etwa, daß ich die Aussaat aufgeben werde, um gleich da dran zu gehen? Und seit wann ist es denn hier Brauch, vor November die Wiesen auszubessern?«

Weil ich nun aber gerade auf unserem Feld hinter der Egge ging, befand ich mich knappe dreißig Meter von der Stelle ab. Ich ließ meine Kühe halten und begann die Stricke anzuziehen, die sich etwas gelockert hatten und den Kühen lästig waren. Es war mir möglich, die Fortsetzung des Gespräches mit anzuhören.

»Keine Auseinandersetzungen, merk Er sich!« begann der Bourgeois aufs neue, »ich befehle Euch, auf der Stelle herzukommen und dieses Brombeergerank zu beschneiden, und wenn nicht …«

Der Nachbar warf sich in die Brust, daß der noch halb volle Saatbeutel aus Strohgeflecht, der vorne von über den Schultern sich kreuzenden Riemen festgehalten wurde, aufhüpfte.

»Oh! schön, nur daß wir nicht mehr im Regiment sind … Sie wissen …«

»Das ist dann gut so!« fauchte jener. »Ich werd Euch wissen lassen, ob ich der Herr bin oder nicht …«

Die vier Jäger, die dem Acker den Rücken gedreht hatten, entfernten sich murrend und achselzuckend. Barois blieb einen Augenblick nachdenklich und unbeweglich stehen, die Augen über das graue Ackerland in die Weite gerichtet. Darauf setzte er sich mit gleichmäßigem Schritt in Bewegung und begann aufs neue im schrittweisen Takt fäustlings die Körner auszusäen. Und auch ich brachte wieder mein Gespann in Gang.

Nachdem ich beim Einbruch der Nacht in unsere Behausung zurückgekehrt war, erzählte ich die Angelegenheit meinem Vater, der von allem nichts gemerkt hatte. Seine Ansicht war, daß es sich nicht lohnte, die Drohung des Besitzers ernst zu nehmen.

»Réalmont nimmt leicht den Mund voll, aber die Rachsucht hält bei ihm nicht an. Morgen wird er nicht mehr daran denken.«

Die Tatsachen widerlegten diese optimistische Prophezeiung. Im darauffolgenden Januar empfing unser Nachbar die förmliche Anzeige seiner Entlassung.

Ich konnte mich wahrhaftig nicht mehr zurückhalten, die Feder aufs neue zu ergreifen und den Vorfall auf der Weide zu erzählen. Mein Vater widersetzte sich der Absendung meiner Darstellung an den »Aufklärer«.

»Misch dich da nicht hinein, für Leute wie wir ist das nichts, wenn sie sich zu weit vorwagen, und dann, Réalmont allein hätte diese Bosheit nicht gehabt. Der muß schon von Rollard dazu angestachelt worden sein.«

Es kam mir sauer an, das für mich zu behalten, und ich kam dazu, ungeachtet des väterlichen Gebotes, meine Abschrift in den Briefkasten zu werfen.

Sie erschien, und wenn sie auch nicht so ein Aufsehen erregte wie die erste, ging sie doch nicht unbemerkt vorüber.


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