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Briefe und Berichte

Briefe an Karoline von Barkhaus

Die Briefe sind einem grösseren, von Juni 1799 bis März 1801 sich erstreckenden Briefwechsel entnommen (vollständig veröffentlicht zugleich mit Briefen der Schwester Wilhelmine und Antworten der Freundin bei Schwartz). Karoline von Barkhaus (geb. von Leonhardi) gehörte zu Günderrodes Freundeskreis. Sie war wohnhaft in Lengfeld (im Odenwald), wo sie Günderrode häufig besuchte. Ausser der Nennung von Büchern (Jean Pauls Siebenkäs und Kampanertal, Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Hyperion, Fichtes Wissenschaftslehre, Jakobis Woldemar enthalten die nicht mitgeteilten Briefe nichts Bemerkenswertes.

Über Karolinens Beziehung zu dem bekannten Rechtsgelehrten Franz von Savigny (1779–1861) siehe Rohde S. 67. Savigny scheint die Neigung Karolinens erwidert zu haben (cf. Briefe bei Geiger 1894, Bianquis S. 20); nach seiner – 1801 erfolgten – Ehe mit der jüngeren Schwester Bettinas, Gundel Brentano, bewahrte er ihr freundschaftliche Teilnahme und gute Kameradschaft. Karoline legte auf das Urteil des sehr gründlichen und scharfsichtigen Mannes immer viel Gewicht und machte ihn zum Vertrauten ihrer persönlichsten Angelegenheiten. So finde denn hier auch das Urteil dieses Mannes, der Karoline besser kannte als viele und der schon früh über ihre ›Narziss‹-Natur zu scherzen pflegte, seine Stelle und zeuge gegen manches andere. Es ist einem Briefe an Karoline vom 29. November 1805 entnommen (bei Geiger, K. v. Q. 1895 S. 38):

›Du bist wahrhaft, soweit es auf Dein Bewusstsein und Deinen Willen ankommt. Du bist ohne Koketterie und voll Sinn für das Vortreffliche. Deiner Redlichkeit traue ich so sehr, dass ganz neuerlich der bestimmte Widerspruch wahrheitsliebender Menschen, die ihrer Sache sehr gewiss sein wollten, mich nicht irre machen konnte.‹

Briefe an Clemens und Bettina Brentano.

Diese Briefe wurden – weil für Karolinens Art wohl die aufschlussreichsten – ganz in ihrer ursprünglichen Fassung wiedergegeben, obwohl sie fast wörtlich im Auszug aus Bettinas Buch (Die Günderrode) wiederkehren. Sie werden dem immer wieder nachgesprochenen Gerede von einer ernsthaften Liebesbeziehung Günderrodes zu Clemens Brentano wohl ein Ende machen. (Fast alles, was Erna von Niendorf – Aus der Gegenwart 1844 – Clemens Brentano über seine vertrauten Beziehungen zu Günderrode erzählen Iässt, ist als Fabel zu erweisen, selbst wenn sich Brentano –was durchaus glaubhaft – so geäussert haben sollte.) Karoline hat das romantische Wesen Brentanos als den äussersten Gegensatz zu ihrer Natur empfunden; ihre Beurteilung seines Charakters ist unwiderleglich und an Prägnanz nicht zu übertreffen. Ganz im Gegensatz hiezu sind die brieflichen Äusserungen von Clemens Brentano an und über Karoline (siehe L. Geiger, Karoline von Günderrode 1895) zerfahren und selten scharf eingestellt, bald naiv-gläubig und huldigend, bald kritisch-schnörkelhaft oder dionysisch-tobend bis zur Plattheit. Nur selten vermochte sein unruhig zuckendes Organ Karolinens Bild rein aufzunehmen, so dass ihm Aussagen gelangen wie diese (aus einem Brief an Karoline): ›Ihre Prosa ist klar, gedrängt und bescheiden, und Sie werden in ihr dazu gelangen, dass man einstens fühlen wird, Sie hätten nur sich selbst, und nichts anderes gelesen. Timur ist unter diesen prosaischen Aufsätzen der schönste.‹ Und diese (aus einem Briefe an Bettina): ›Ich habe die Gedichte, welche Du von der Günderrode glaubst, gelesen, mit Entzücken gelesen, eine Menge Züge darin machen es mir glaublich, dass sie von ihr sind, aber der hohe Ernst, der Tiefsinn, die wunderschöne Sprache, die Gehaltenheit und vor allem die oft ganz klassische Kunstvollendung haben mich oft zweifeln lassen. Wenn Du gewiss weisst, dass der ›Franke in Ägypten‹ von ihr ist, so kann alles von ihr sein, denn dieser ist ein ganz vortreffliches Gedicht, kein Weib hat noch so geschrieben, noch so empfunden.‹

Die Originalbriefe Günderrodes an Bettina (aus den Jahren 1802–1806. cf. Amelung, Der Grundgescheute Antiquarius, Heft 4/5, 1921) bezeugen zusammen mit den Briefen an Clemens Brentano bis zu welchem Grade Bettinas Buch ›Die Günderode‹ auf authentischem Material fusst. Wo Bettina ihrer Freundin eigenes Raisonnement unterschiebt (wie deutlich bei den Stellen, die Bettinas eigene komplizierte Natur zum Gegenstand der Erörterung haben), verrät sich dies immer durch eine höhere Lage des Stimmtons. Bei meiner Auswahl habe ich sorgfältig nur solche Stellen gegeben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit, wenn nicht immer dem Buchstaben, so doch dem Geiste nach Günderrode zuzusprechen sind.

Reiche Anhaltspunkte für offenbare Konstruktionen Bettinas gibt Oehlke (B. v. Arnims Briefromane, 1905). Im offnen Widerspruch zu der herben Kritik Napoleons in diesen Briefen steht das im Nachlass vorgefundene (noch ungedruckte) Fragment: Buonaparte in Ägypten (cf. Bianquis, S. 34), das den ›Eroberer Italiens‹, den ›Beglücker der Völker‹ überschwenglich feiert.

Eine weitere Bestätigung von der grundsätzlichen Echtheit des von Bettina veröffentlichten Briefwechsels geben uns einige zufällig erhaltene Originalbriefe Bettinas an Karoline (abgedruckt bei Geiger. 1895), denen ich zur Probe diese Stellen entnehme: S. 148. ›Ich möchte Dir zwar gerne eine Beschreibung unseres Studiums in der Geschichte geben, wenn ich nur einmal so weit wäre, einen festen Standpunkt in ihrer Ansicht zu erlangen, mein Meister scheint nachgerade eine Klippe zu sein, an welcher mein Studium, wo nicht scheitern, jedoch festsitzen wird, und es hat mir noch nie so sehr an Mitteln gefehlt, es wieder flott zu machen. An die spezielle Geschichte Griechenlands ist nun einmal gar nicht zu denken, unser Lehrer ist von einem Religionsgeist besessen, der ihm keine andere gründliche Untersuchung und Auslegung erlaubt als die der Heiligen Schrift; ich werde daher höchstens in dem Judentum einige Kenntnis erlangen, welche mir eigentlich lieb ist, zudem ich für mich allein nichts darin würde gelernt haben.‹ S. 150. ›Du sprichst mir von Schwermut in Deinem kleinen Brief, ich bitte Dich, prüfe Dich doch, ob es nicht aus Missmut über Deine Lage ist, ob es nicht Kleingläubigkeit ist, ob es nicht Mangel an einer der drei göttlichen Tugenden ist. – – Ich weiss zwar nicht, ob Du genugsam Gewicht auf meine Freundschaft legst (das heisst so sehr, als ich es verdiene), allein es macht mir um meinetwillen wenig Sorgen; wenn Du mich nicht fest glaubst, so werde ich Dich einstens mit der Wahrheit meines Daseins überraschen, wir müssen noch miteinander eine grosse Freiheit erringen, wir dürfen nicht als Vormünder unserer jugendlichen Natur sie um ihr Gut betrügen. Werden wir denn die Scham ertragen, die uns vielleicht in einem andern Leben befallen wird, wenn wir sehen, welche Kleinlichkeiten uns Mutlosigkeit einflössten? Glaube nur nicht, dass ich schwärme, ich bin ganz bei Sinnen, ich will nicht alles durcheinander werfen, um mir einen Weg zu bahnen, ich will bedächtig und mit Gewissheit gehen, ich will den Respekt für Philister nicht verlieren, im Gegenteil, ich will die Zeit zu Rat ziehen, ich will warten, ich will klug und listig sein.‹

Gerade die zweite der angeführten Stellen lehrt uns in dem Verhältnisse Bettina –Günderrode (das für beide sich im Grunde fremden Naturen sehr aufschlussreich ist) die Gleichgewichtslage finden: Bettina, die acht Jahre Jüngere, aber unglaubwürdig früh Entwickelte, erscheint – ungeachtet ihres verträumten und phantastischen Gebarens – als die gespanntere, energischere NJatur. Sie ist es, die den Anschluss an die Freundin immer neu sucht, ungestüm um ihre Liebe wirbt, die Trübsinnige wohl auch zu keckem Leben zu überreden sucht. Karoline ist die schwerere, reichere Natur, sparsamer im Wort, zurückhaltender in der Freundschaftsbezeugung, dafür bildender. Bettina – die in jedem Falle die Empfangende ist – hat dieses Verhältnis auch nie geleugnet und noch spät bekennt sie (cf. Max Ring, K. v. Günderrode, Gartenlaube 1868, Nr. 52): ›Das Meiste und Beste, was ich geworden bin, habe ich der Günderode zu danken.‹

Briefe an Karl Daub
(mitgeteilt von R. Dittenberger, Westermanns JH. Deutsche Monatshefte, 1895, Dezemberheft).

Der Kirchenrat und Professor der Theologie und Philosophie Karl Daub (1765–1836) war Amtsgenosse und Freund Creuzers, mit dem gemeinsam er seit 1805 die Heidelberger ›Studien‹ herausgab. Von den Zeitgenossen viel verehrt und gefeiert erfreut sich Daub als ›Begründer der spekulativen evangelischen Theologie‹ auch heute noch eines beschränkten Ruhmes. Seine Beziehungen zu Karoline von Oünderrode scheinen sich von Hanau her zu schreiben, wo er 1794/95 viel in der Familie Karolinens verkehrte. Seine Gattin (Sofie Blum, in Creuzers Briefen viel genannt unter dem Deckwort ›Die Feindselige‹) war eine Jugendfreundin Karolinens.

Um Daubs Persönlichkeit lebendig zu charakterisieren (näheres über ihn s. Schwartz), zugleich aber, um die biographische Skizze Karolinens zu ergänzen, sei hier der Briefwechsel mitgeteilt, der sich in der Folge – nach Creuzers verhängnisvollem Entschluss – zwischen Daub und Susanne von Heyden, der Freundin Karolinens, entspann:

Professor Daub an Susanne von Heyden im Juli 1806.

Hochwohlgeborene, Gnädige Frau Hauptmännin!

Das Verhältnis der zartesten Freundschaft, worin Sie, gnädige Frau, zur Fräulein Karoline von Günderrode stehen, ein ähnliches Band, welches mich seit einigen Jahren mit dem Hofrat Creuzer verknüpft, und ein bestimmter Auftrag von diesem meinem Freunde, der seit einigen Tagen an einer schweren Krankheit darnieder liegt, dies alles wird mich, wie ich hoffe, bei Ihnen entschuldigen, wenn ich mich mit der folgenden Bitte gerade an Sie wende.

Creuzers bestimmt und entschieden erklärter Wille ist es, dass das bisher zwischen ihm und der Fräulein Karoline bestandene Verhältnis aufgehoben, dass es vernichtet sei. Diese Erklärung, gnädige Frau, ist unaufgefordert durch ihn mit einer solchen Ruhe, Besonnenheit und Festigkeit geschehen, dass ich sagen darf: das genannte Verhältnis sei damit vernichtet. Er selbst verlangt von mir die Bitte an Sie, der Fräulein diese Nachricht mitzuteilen ; ich tue diese Bitte um so getroster, weil ich Sie als die wahre Freundin der Fräulein kenne und verehre und um so lieber, weil mir die Fräulein von ihrer frühsten Jugend sehr wert ist und ich sie um keinen Preis in der Welt betrüben möchte, welches letztere gleichwohl kaum vermieden werden könnte, wenn ihr die genannte Eröffnung durch mich, einen Mann, der nur den guten Willen hat schonend zu verfahren, und nicht durch eine Dame geschähe, die nach allem, was mir von ihrem edlen und sanften Charakter bekannt ist, mit diesem Willen auch die Tat verbinden wird.

Die Briefe der Fräulein, die in Creuzers Hand sind, werden ihr demnächst zurückgesandt werden. Ich wage es nicht, gnädige Frau, ein Wort über das Geschick, welches hier obwaltet auszusprechen, überzähle dies für einen von den Fällen, wo der Mensch sich selbst beraten muss.

Susanne von Heyden an Professor Daub den 19. Juli 1806.

Herr Professor!

Karoline Günderrode ist gegenwärtig im Rheingau in Langewinkel, wie ein Päckchen so ich den 17. auf der fahrenden Post an Creuzer abgesendet, worin sie ihm ihre Abreise meldet, zeigen wird; ich kann den Inhalt Ihres Briefes Karolinen nicht schreiben, er ist zu hart, um nicht mündlich ausgerichtet werden zu müssen; auch muss ich Sie vorher noch um ein Zeichen unsres Freundes bitten, damit Karoline mir glaube; hat er wirklich sein Verhältnis zu ihr zerbrochen, so senden Sie mir ihr gemaltes Bild, diesem muss sie glauben dass er es nur aus freiem Willen ihr zurückgibt; oder, was ich fast aus Ihrem Briefe schliesse, ist Creuzer tot? und mit Liebe für Karolinen gestorben, so lassen Sie ihr diesen Trost; jemehr ich Ihren Brief lese, jemehr bestärke ich mich in der Meinung, Sie wollten durch dieses Zerbrechen des Verhältnisses Karolinen Creuzers Verlust durch den Tod versüssen; ich kenn sie aber besser; härter als ihr eigener Tod wird ihr die Nachricht seiner verlorenen Liebe sein; ist es aber dennoch, dass er sie aufgibt und stirbt, so lassen Sie uns ihr den Wahn lassen, er sei in Liebe für sie verschieden; den Toten plagt ja dann ihre Liebe nicht mehr und Karolinen ist es ein herber Kummer weniger; lebt er aber, dann mögen ein paar Zeilen seiner Hand Linens Geschick bestimmen; ich werde ihr nicht eher schreiben, als bis ich Nachricht von Ihnen habe was ich tun soll, auch würden Sie die Freundin sehr verbinden, wenn Sie mir die bestimmende Ursache dieses Schrittes sagten; ich kann Linen nur vorbereiten, wenn ich Gründe weiss; Sie fühlen wohl selbst als Freund des Freundes, dass es der Armen Leben gilt und dass Wahrheit, durch schonende Hand gegeben, hier Pflicht ist; sagen Sie unserem Freund, wenn er noch lebet dass Lina seine Liebe in mir wiederfinden solle, und die ihrige wolle ich ihm treu bewahren, bis zu dem Augenblick, wo alles Vortreffliche sich vereinet.

Verzeihen Sie mir Herr Professor, wenn in meiner Antwort nicht die Besonnenheit herrscht, die mir ziemte, allein es gilt die Ruhe derjenigen, an der meine Seele hänget, und dieses ist auch die Ursache, warum ich Sie um ein Zeichen von Creuzer selbst bitten muss; der Freundin kann der Brief des Freundes genügen, doch die Geliebte will die eignen wohlbekannten Züge schauen und glaubet nur diesen als ihren Richtern.

Ich bitte Sie mit umgehender Post um gefällige Antwort, damit baldigst die Arme aus der Ungewissheit, solange keine Nachricht von Creuzer zu haben, befreiet wird, um sich in noch tieferes Elend gestürzt zu sehen; ich wage nicht zu urteilen, ehe ich Gründe weiss; mit grösster Hochachtung Herr Professor

Ihre gehorsame Dienerin
Susanne von Heyden.

 

Ein weiteres Schreiben, das eine (uns nicht erhaltene) Antwort Daubs auf den obigen Brief voraussetzt, lautet:

Frankfurt, den 24. (Juli 1806).

Zufolge Ihres wiederholten Auftrags, Herr Professor, habe ich heute an Karoline Günderrode Creuzers Entschluss geschrieben und ihr dabei Ihre beiden Briefe gesendet; es tut mir sehr leid, dass Karolinen diese Nachricht nicht durch das mildernde Gespräch gegeben werden konnte, allein mir ist es jetzo nicht möglich, in das Rheingau zu gehen und Creuzer wollte dass sie unverzüglich benachrichtigt würde; sie muss also den Kelch mit aller seiner Bitterkeit schmecken; jedoch bitte ich Sie das Päckchen und die Briefe an mich zu senden, um ihr hierin, wo es mir gestattet ist, Kummer zu ersparen; ich freue mich herzlich, dass Creuzer auf dem Wege der Besserung ist, sein Tod wäre für seine Freunde und die Wissenschaft ein gleich grosser Verlust gewesen; sagen Sie ihm, dass ich innigen Anteil an seiner Wiedergenesung nehme; ich verharre Herr Professor mit aufrichtigster Hochachtung

Ihre gehorsame Dienerin
Susanne von Heyden.

 

Auch der Brief, den Frau von Heyden unmittelbar nach Karolinens Tod an deren jüngeren Bruder schrieb, ist uns erhalten:

Frankfurt, den 28. (Juli 1806).

Ich muss eilen, Herr von Günderrode, Sie von einer Begebenheit zu unterrichten, die mir das Herz zerreisst, ehe das Gerücht mir zuvorkommt. Die Verbindung, in der Ihre Schwester meine einzige Karoline, mit Creuzer stand, ist Ihnen bekannt. Beifolgende zwei Briefe von Daub an mich werden Ihnen die Lage der Dinge sagen, wie sie noch vor kurzem war, ehe ein fürchterliches Misslingen jeder Vorsicht das Unglück Linens herbeiführte. Aus dem zweiten Brief von Daub werden Sie sehen, dass ich alles anwandte, diesen Kummer von Linen abzuwenden. Ich schrieb, da alle Vorstellungen unnütz waren, beifolgenden Brief an Lotte Serviere in Langenwinkel, im Rheingau, wo Karoline war, nebst beifolgendem Brief an Lina, um durch diese Linen vorzubereiten; allein ungeachtet ich die Adresse an Lotten mit verstellter Hand und Siegel gemacht hatte, eilte Karoline, die seit langer Zeit auf Briefe gewartet hatte, dem Boten entgegen, erbrach den Brief und ging in ihr Zimmer, von wo sie bald wieder herauskam und ganz heiter scheinend Lotten Adieu sagte, sie wolle am Rhein, wie sie oft tat, spazieren gehen, kam aber nicht wieder. Beim Nachtessen wurde sie vermisst; man eilte auf ihr Zimmer, fand die erbrochenen Briefe und bange Sorge erfüllte die guten Mädchen. Sie suchten die ganze Nacht; früh fand man die unglückliche Lina tot am Ufer; ihr Ihnen wohlbekannter Dolch hatte das Herz des Engels durchstochen. Sie konnte nicht leben ohne Liebe, ihr ganzes Wesen war aufgelöset in Lebensmüdigkeit. Sie, der sie liebte, wie wenige Brüder lieben, fühlen, wie schmerzlich ihr Verlust mir ist; mein halbes Leben liegt mit ihr im Grabe. Ich wollte nicht, dass jemand, der sie nicht so liebt wie ich, Ihnen diese Trauernachricht gäbe. Ich erbitte von Ihrer Liebe zu Linen, diese fünf Briefe wieder als ein Andenken zurück; den letzten fand man angefangen in ihrem Zimmer, er ist an Creuzer. Glauburg als Administrator habe ich die Briefe lesen lassen, er hat mir Verschwiegenheit gelobt; doch Line dachte klein von allen diesen Welturteilen, ihr Herz war grösser denn diese Welt; nur die innigste Liebe konnte es lebend erhalten; als diese starb, brach auch ihr Herz; kein Mensch kannte diesen Engel so wie ich. Ich habe nicht an Frau du Thil Karolinens jüngere Schwester Wilhelmine.) geschrieben ; da sie das Bad gebraucht, möchte es sie zu sehr erschüttern ; ich bitte Sie, es zu tun. Leben Sie besser als ich bei diesem Verlust.

Susanne de Heyden.

 

Brief an Friedrich Creuzer

Von andern Briefen sind bloss einige Bruchstücke (Zitate aus Creuzers Briefen) vorhanden wie die folgenden:

Rohde. S. 15. ›Ich bleibe Dir ja doch, und wenn alle Dich verraten und missverstehen und verlassen, so traue auf mich, ich bleibe treu.‹ – S. 19. ›Ich habe den grössten Teil der Nacht bei einer tötlich Kranken gewacht; wie widrig ist es doch für ein grosses Herz, an einem langsamen Übel nicht zu brechen, nein langsam zu erstarren: diese Aussicht ist mir entnervend, aber nicht der Tod, den ein mutiger Entschluss ruft.‹ – S. 30. ›Wenn ich einst sterbe, mein Freund, so werde ich Dir erscheinen, wenn Du nachts allein bist, dann trete ich leise an Dein Bett und drücke einen Kuss auf Deine Stirne. Wenn Du stirbst, so komme auch zu mir. Versprich es!‹ (Rückübersetzung einiger lateinischer Sätze Karolinens durch Creuzer.) – S. 52. ›Die geliebte Pflanze muss aus des Freundes Brust gerissen werden – – Herr, mache meine Seele stille!‹ – S. 103. ›Ich liebe Dich bis zum Tod, süsser, lieber Freund, Du mein Leben. Ich wünsche mit Dir zu leben oder zu sterben. – – – Unser Schicksal ist traurig; ich beneide mit Dir die Flüsse, die sich vereinigen. Der Tod ist besser, als so leben. Eine Hoffnung erhält mich, aber diese ist Torheit.‹ (Rückübersetzung lateinischer Sätze Karolinens.)

Der im Text mitgeteilte Brief ist auch bloss in Creuzers Abschrift vorhanden, (Cf. Rohde. S. 71, wo er dem Gedichte ›An meinen Heiligen‹ vorangeht, auf das sich einige Worte im Briefe beziehen.) Im Gesamtzusammenhange des Verhältnisses Creuzers zu Karoline bedeutet er einen entscheidenden Wendepunkt. Von da ab ist von dem – ursprünglich von Creuzer ausgeheckten – Plane einer Ehe ernsthaft nicht mehr die Rede. Auf Günderrodes Entschluss dieser Ehe zu entsagen, scheint vor allem die Haltung Savignys von Bedeutung gewesen zu sein. (Cf. Rohde S. 75.)

Es ist am Platze, an dieser Stelle Ausführlicheres über die soviel missdeutete Persönlichkeit Friedrich Creuzers (1771 bis 1858), der in jedem Falle entscheidend in Günderrodes Leben eingegriffen hat, zu sagen.

Von ursprünglich reiner und schöner Anlage verlor er unter dem Drucke eines notgebundenen Lebens in den Gebärden des äusseren Menschen nach seinem eigenen Geständnisse viel von jener schönen Unbefangenheit, die nur in freier Luft bewahrt werden kann. Er widmet sich dem philologischen Fache, wo seine umfassende und gründliche Gelehrsamkeit schon früh Aufmerksamkeit erregt. Seit 1799 lebt er mit der 13 Jahre älteren Witwe des Professor Leske (Sofie Müller) in unfreudiger Ehe. Frühjahr 1804 erhält der bisher in Marburg Tätige einen Ruf an die Heidelberger Universität (als Professor für Altertumswissenschaften), an der er bis zu seinem Tode – von den Zeitgenossen hoch verehrt – wirksam ist. Statt vieler Urteile, die alle die Lauterkeit seines Wesens bestätigen, nur dieses aus dem Munde eines Amtsgenossen an der Heidelberger Universität (C. v. Leonhard: Aus unserer Zeit in meinem Leben, Bd. I. S. 598): ›Creuzer mit seiner hohen klassischen Bildung und dem reinsten Gemüt, der ebenso tief forschende als geschmackvolle Altertumskenner, leicht entzündbar für Grosses und Schönes, liebenswürdig mit immer gleicher Heiterkeit und Geistesfreiheit, mit wahrhaft kindlichem Sinn.‹ Über sein Wollen und seine Bedeutung als Neubeseeler der klassischen Altertumswissenschaft verweise ich auf E. Rohdes Einleitung zu seinem schon genannten Buche, der zur Probe diese Stelle entnommen sei: ›Den Grund seines Wesens bildet dennoch der Gelehrte, richtiger der Polyhistor alten Stils; der Romantiker wohnte wie eine zweite Seele in seiner Brust; und die zwei Seelen haben sich mehr gegenseitig behindert, als zur Hervorbringung eines höheren und ungespaltenen Dritten befördert. Der Pedant hemmte den Romantiker im freien Fluge, der Romantiker den Gelehrten beim bedächtig prüfenden Vorschreiten. So blieb sein Werk in der Tendenz viel bedeutender als in deren Durchführung.‹ Doch bleibe dahingestellt, ob Rohdes Urteil das Richtige trifft, wenn er Creuzers Werk (Die Symbolik und Mythologie der alten Völker) einen verhängnisvollen Grundirrtum nennt, in dem er das für den wahren Lebenstrieb ältester Religion nahm – ein phantastisches, halb philosophisches Begriffsspiel, das sich in sinnfälligen Symbolen mit Bewusstsein nur halb kund gäbe, – was in Wahrheit in alte Religion, die griechische zumal, erst spät als deren Todeskeim eintrat. Die Schärfe des Rohdeschen Urteils lässt sich aus seiner einseitigen Einstellung auf das ›homerische‹ Griechentum (entgegen Hesiod und Orphik) leicht begreifen. Es könnte aber sehr wohl sein, dass sich die Altertumswissenschaft noch einmal des Creuzerschen Werkes (dessen oft nur getastete Grundidee freilich erst in dem grossen Werke J. C. Bachofens: ›Das Mutterrecht. Basel 1860‹ seine entscheidende Durchführung fand, wie es schon Sendlings: ›Philosophie der Mythologie‹ zur materiellen Grundlage diente) mit Dank erinnerte; es ist an Ahnungen grosser Zusammenhänge – vor allem, was die Geburt des hellenischen Kultus aus dem Schosse der asiatischen Religionen anlangt – reicher als fast alles, was die immer mehr erstarrende Gelehrsamkeit eines ganzen nachfolgenden Säkulums geben konnte.

Gerade der heimliche Grund aber der Creuzerschen Symbolik hängt aufs tiefste mit dem Wesen Günderrodes zusammen, deren zauberische Mitarbeit an dem Werke – gerade in seinen bestgelungenen Partien – kaum überschätzt werden kann. In Karoline war dem zwischen blinden Hellenenglauben und starrer evangelischer Moral zwitterhaft schwankenden Manne die Substanz antiken Menschentums leibhaftig offenbart. ›Siehe, Geliebter, ich habe grosse Schulden an Dich abzutragen, Schulden, die den Wert des Lebens aufwiegen (weil Du mir selbst erst das Leben gegeben, das so genannt zu werden verdient).‹ (Rohde,. S. 105.) Die Briefe versichern wiederholt, dass das ganze kommende, damals schon in den Grundrissen entworfene Werk nur ›eine Huldigung‹ für die Geliebte sein wolle, ein ihr abgestatteter ›Dank‹. Ein Schauer aber ergreift uns, wenn wir diese – aus dem Vorgefühl der drohenden Vereinsamung herausgestammelte – Prophetie lesen, die wie ein Schatten über die kommenden Dezennien hin fällt:

»Da werde ich ganz zurückgewiesen aus Gegenwart und Leben dem Altertum angehören. – Wie wird es mir da sein? O, ich fühle es deutlich: Es wird ein Wandeln sein in einer ernsten Nacht. Ich werde um mich fühlen in der Finsternis und Marmorwerk eines Meisters ergreifen – im Dämmerlicht werde ich Götterbilder sehen und Säulengänge und Hallen von grossartigem Bau, und Sphinxe werden stumm am Eingang liegen. Aller Schauer wird mich fassen über der stillen Grösse und der Schmerz der Einsamkeit, und ich werde zwei warme Hände suchen, die mich führen, ›zwei Augen wie Sterne‹, die mir leuchten und einen begeisterten Blick einer frommen Seherin, die die Rätsel der Sphinx mir löse aus heiligem Gemüte und mir das Ferne und Fremde der Vorwelt heimlich und menschlich nahe bringe in ein liebes, warmes Leben – und das alles wird nicht mehr zu finden sein, und mich wird das Entbehren töten vor der Zeit.«

Bettinas Bericht
(in Goethes Briefwechsel mit einem Kinde 1835).

Den Bericht Bettinas mit abzudrucken, trug ich einige Zeit Bedenken, doch schien er mir für die Zeichnung des Lebensbildes der Günderrode kaum entbehrlich ; auch glaube ich, dass dieses Bild durch die vorhergehende Dichtung gegen etwaige Übertreibungen und Verzerrungen im Spiegel Bettinas hinlänglich geschützt ist. Mit Bewusstsein hat Bettina kaum etwas Wesenhaftes am Charakter Günderrodes geändert und in keinem Falle darf dieser Bericht als Fälschung angesprochen werden. Wir besitzen zu gewichtige Zeugnisse, die uns die Echtheit von Bettinas Aussagen im einzelnen bestätigen, als dass an der Glaubwürdigkeit des Ganzen gerüttelt werden möchte. Zwei Dokumente mögen folgen.

Im Nachlass Karolinens fand sich ein Zettel, darauf drei – offenbar wirkliche – Träume aufgeschrieben sind (cf. Geiger, 1899), davon besonders der mittlere durch seine Ähnlichkeit mit dem im Berichte mitgeteilten auffällt:

»Ich hatte zwei Schwestern, die älteste liebte ich vorzüglich, weil sie mit mir eine grosse Ähnlichkeit der Gesinnung hatte; ich war seit mehreren Wochen von ihr entfernt und dachte oft mit Sehnsucht und Liebe an sie, da träumte mir einst, diese beiden Schwestern seien gestorben. Ich war sehr traurig darüber. Da erschienen mit ihr Geister in dem Hofe eines alten Hauses, in dem wir einen grossen Teil unserer Jugend verlebt hatten. Sie traten beide aus einer dunkeln Kammer, vor der ich immer einen gewissen Schauer gehabt hatte. Es war Nacht, eine feuchte Herbstluft wehte und reichlicher Regen fiel herab. Meine ältere Schwester nahte mir und sprach: ›Eine ewige kalte Notwendigkeit regiert die Welt, kein freundlich liebend Wesen,‹ Ich erwachte. Es träumte mir noch mehrmals, sie sei gestorben, obgleich sie sehr gesund war. Nach zwei Jahren erfüllte sich der Traum, beide starben kurz nacheinander.«

Die durch Günderrode erzwungene Trennung findet ausser in Originalbriefen des Clemens Brentano und Creuzers Briefen seine Bestätigung durch diesen gleichfalls dem Nachlass Günderrodes entstammenden Brief Bettinas (cf. Geiger 1895), der im April 1806 aus Frankfurt geschrieben wurde:

Ich hätte gern, dass Du der Gerechtigkeit und unserer alten Anhänglichkeit zu lieb mir noch eine Viertelstunde gönntest, heut oder morgen; es ist nicht um zu klagen, noch um wieder einzulenken. Beides würde Dir gewiss zuwider sein und von mir ist es auch weit entfernt. Denn ich fühle deutlich, dass nach diesem verletzten Vertrauen bei mir die Freude, die Berechnung meines Lebens nicht mehr auf Dich ankommen wird, wie ehemals und was nicht aus Herzensgrund, was nicht ganz werden kann, soll gar nicht sein.

Indessen fühle ich immer noch, dass Du Ansprüche auf meine Dankbarkeit machen kannst, obschon sie Dir wenig nützen kann. Ich habe manches, was ich nicht für Dich verloren möchte gehen lassen, dies alles hat ja auch nichts mit unserem zerrütteten Verhältnis gemein, ich will dadurch auch nicht wieder anknüpfen, wahrhaftig nicht! Im Gegenteil, diese Ruinen (grösser und herrlicher, als Du vielleicht denkst) in meinem Leben sind mir ungemein lieb, und wenn ich an Goethes Wanderer dabei denke, so wird mir ganz wtohl und leicht dabei, ich versteh ihn dann dreifach.

Ich habe mir statt Deiner die Rätin Goethe zur Freundin gewählt, es ist freilich was ganz anderes, aber es liegt was im Hintergrunde dabei, was mich selig macht, die Jugendgeschichte ihres Sohnes fliesst wie kühlender Tau von ihren mütterlichen Lippen in mein brennend Herz, und hiedurch lern ich die Jugend anschauen, und hierdurch lern ich, dass seine Jugend allein mich erfüllen sollte, eben deswegen auch mache ich keine Ansprüche mehr auf Dich.

Du hast zur Clodin gesagt, ich wüsste, warum Du Dich mit mir entzweit hättest. Ich weiss es aber nicht und ich denke, Du wirst es billig finden, meine Frage darüber zu beantworten, nicht um Dich, sondern um mich zu berichtigen. Ich habe bis jetzt geglaubt, der Creuzer hab etwas gegen mich, oder die Servieres hätten mir die Suppe versalzen ; es sei dem allen nun, wie ihm wolle, ich verspreche Dir, mich nicht weiss brennen zu wollen, wie Du vielleicht denkst, oder Dir Vorwürfe zu machen, erlaub also, was ich fordern kann.

Wenn mir mein Freund das Messer an die Kehle gesetzt hätte, und ich hätte soviele Beweise seiner Liebe, so freundliche, so aufrichtige Briefe von ihm in Händen gehabt, ich würde ihm dennoch getraut haben. Die Briefe musst Du mir wiedergeben, denn Du kömmst mir falsch vor, so lange Du sie besitzest, auch leg ich einen Wert darauf, ich habe mein Herz hineingeschrieben.

Bettina Brentano.

Tatsächlich ist Creuzer an der Lösung des Freundschaftsbundes zwischen Karoline und Bettina nicht unbeteiligt (cf. Rohde, S. 109: ›Dass das Weinen der Bettina Dir schmerzlich war, begreife ich und fühle, wie ich Veranlassung bin‹).

Achim von Arnims Nachruf.

Diese Worte aus dem Munde des ›ritterlichsten‹ aus dem romantischen Kreise sind der die Novellen ›Isabella‹ und ›Melick Maria Pleinville‹ umrahmenden Schilderung einer Rheinkahnfahrt entnommen (Sämtliche Werke 1839, Bd. I). Arnim hat Günderrode persönlich gekannt. (Eine überaus reizvolle Schilderung einer gemeinsamen Regen-Wanderung bringt Bettina in ›Clemens Brentanos Frühlingskranz‹).

Die noch am Tage ihres Todes von Karoline auf ein Blatt niedergeschriebenen Verse der Grabschrift sind (in ihrer Urform) der Herderschen Übersetzung ›Gedanken einiger Brahmanen‹ (Herders Werke zur schönen Literatur und Kunst 1828. Teil 9. S. 156). entnommen, wo sie unter der Überschrift ›Abschied des Einsiedlers‹ dem Inder Borthuherri zugeschrieben sind. Die Herdersche Fassung lautet:

 

»Erde, du meine Mutter, und du, mein Vater, der Lufthauch,
Und du, Feuer, mein Freund, du mein Verwandter, o Strom,

Und mein Bruder, der Himmel, ich sag euch allen in Ehrfurcht
Freundlichen Dank, mit euch hab ich hienieden gelebt,

Und geh jetzt zur anderen Welt, euch gerne verlassend,
Lebt wohl, Bruder und Freund, Vater und Mutter lebt wohl!«


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