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Der Franke in Ägypten

Wie der Unmut mir den Busen drücket,
Wie das Glück mich hämisch lächelnd flieht!
Ist denn nichts, was meine Seele stillet?
Nichts, was dieses Lebens bange Leere füllet? –
Dieses Sehnen, wähnt' ich, sucht die Vorwelt,
Die Heroenzeit ersehnt mein kranker Geist.
An vergangner Grösse will dies Herz sich heben,
Und so eilt' ich deinem Strande zu,
Du, der Vorwelt heiligste Ruine,
Fabelhaftes Land, Ägypten du!
Ha! da wähnt ich aller Lasten mich entladen,
Als der Heimat Grenze ich enteilet war.
Träumend wallt' ich mit der Vorzeit Schatten,
Doch bald fühlt' ich, dass ich unter Toten sei,
Neu bewegte sich in mir das Leben,
Antwort konnte mir das Grab nicht geben. –
Ins Gewühl der Schlachten
Warf ich durstig mich,
Aber Ruhm und Schlachten,
Liessen traurig mich:
Der Lorbeer, der die Stirne schmückt,
Er ists nicht immer, der beglückt.
Da reichte mir die Wissenschaft die Hand,
Und folgsam ging ich nun an ihrer Seite,
Ich stieg hinab in Pyramiden Nacht,
Ich mass des Möris See, des alten Memphis Grösse,
Und all die Herrlichkeit, die sonst mein Herz geschwellt,
Sie reicht dem Durstigen nur der Erkenntnis Becher.
Ich dachte, forschte nur, vergass, dass ich empfand. –
Doch ach! die alte Sehnsucht ist erwacht,
Aufs neue fühl ich suchend ihre Macht,
Was geb ich ihr? Wohin soll ich mich stürzen?
Was wird des Lebens lange Öde würzen?
Ha, sieh, ein Mädchen! wie voll Anmut,
Wie lieblich hold erscheint sie mir!
Soll ich dem Zuge widerstehen?
Doch nein! ich rede kühn zu ihr,
Ist dies der Weg der Pyramiden?
O, schönes Mädchen! sag es mir.

Mädchen

Du bist nicht auf dem Weg der Pyramiden,
O Fremdling! doch ich zeig ihn dir.

Franke

Brennend sengt die heisse Mittagssonne,
Jede Blume neigt das schöne Haupt,
Aber du, der Blumen Schönste, hebest,
Jung und frisch, das braungelockte Haupt.

Mädchen

Willst du in des Vaters Hütte dich erkühlen,
Komm, es nimmt der Greis dich gerne auf.

Franke

Welchen Namen trägst du, schönes Mädchen?
Und dein Vater, sprich, wo wohnet der?

Mädchen

Lastrada heiss ich; und mein guter Vater,
Er wohnt mit mir im kleinen Palmental,
Doch nicht des Tales angenehme Kühle
Nicht Bäche Murmeln, nicht der Sonne Kreisen
Erfreuet meinen guten Vater mehr.

Franke

Wie! freut den Vater nicht des Stromes Quellen,
Der Palmen lindes Frühlingssäuseln nicht?
Ich fass es; doch, wie es ein' Gram mag geben,
Der deiner Tröstung möchte widerstreben,
Das nur, Lastrada, fass ich nicht.

Mädchen

Italien ist das Vaterland des Greisen,
Und vieles Unglück bracht ihn nur hierher.
Mit sehnsuchtsvollem Blick schaut er am Mittelmeere
Hinüber in das vielgeliebte Land.
Und seufzend sehn' auch ich hinüber
Nach jenen blütenreichen Küsten mich.
Erkranket ruht mein Geist auf jener blauen Ferne,
Und schöne Träume tragen mich dahin.
Sag, wogt nicht schöner dort der Strom des Lebens?
Sehnt dort die kranke Brust sich auch vergebens?

Franke

Mädchen! ach! von gleichem Wunsch betrogen,
Wähnt ich: Schönes berg' die Ferne nur,
Doch umsonst durchsegelt' ich die Wogen,
Hat auch diese Ahndung mir gelogen,
Die du, Mädchen, jetzt in mir erweckt. –

Mädchen

Fremdling! kannst du diese Sehnsucht deuten?
Fühlst du dieses unbestimmte Leiden?
Dieses Wünschen ohne Wunsch?

Franke

Ja, ich fühl ein Sehnen, fühl ein Leiden.
Doch jetzt kann ich diese Wünsche deuten,
Und ich weiss, was dieses Streben will.
Nicht an fernen Ufern, nicht in Schlachten!
Wissenschaften! nicht an eurer Hand,
Nicht im bunten Land der Phantasien!
Wohnt des durst'gen Herzens Sättigung.
Liebe muss dem müden Pilger winken,
Myrten keimen in dem Lorbeerkranz,
Liebe muss zu Heldenschatten führen,
Muss uns reden aus der Geisterwelt. –
Mächtger Strom! ich fühlte deine Wogen,
Unbewusst fühlt ich mich hingezogen,
Nur wohin! wohin! das wusst ich nicht.
Wohl mir! dich und mich hab ich gefunden,
Liebe hat dem Chaos sich entwunden.


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