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An Clemens Brentano E.

19. Mai (1803)

Es war mir ganz wunderlich zu Mut, als ich Ihren Brief gelesen hatte; doch war ich mehr denkend als empfindend dabei; denn es war mir und ist mir noch so, als ob dieser Brief gar nicht an mich geschrieben sei. So bestehle ich mich selbst. Aber es ist keine künstliche Anstalt, dass ich so denke; es ist ganz von selbst so gekommen.

Ja, ich verstehe den Augenblick, in dem Sie mir geschrieben haben; ich bin überhaupt nie weiter gekommen, als Ihre Augenblicke ein wenig zu verstehen. Von ihrem Zusammenhang und Grundton weiss ich gar nichts. Es kommt mir oft vor, als hätten Sie viele Seelen; wenn ich nun anfange, einer dieser Seelen gut zu sein, so geht sie fort und eine andere tritt an ihre Stelle, die ich nicht kenne und die ich nur überrascht anstarre. Aber ich mag nicht einmal an alle Ihre Seelen denken, denn eine davon hat mein Zutrauen, das nur ein furchtsames Kind ist, auf die Strasse gestossen; das Kind ist nun noch viel blöder geworden und wird nicht wieder umkehren. Darum kann ich Ihnen auch nicht eigentlich von mir schreiben.

Ihren Brief an Bettine über Wahrheit habe ich gelesen und er hat mir viel Freude gemacht und zugleich um einige Ansichten reicher, die mir vorher nur dunkel und schwankend waren.

Bettine wird diesen Brief einschliessen. Ich habe sie sehr lange nicht gesehen, sie hat mir auch nicht geschrieben, wie sie mir versprochen hatte.

Ich bin fleissiger und zeichne auch wieder, kurz, ich folge allen Ihren vernünftigen Ratschlägen.

Karoline.


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