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Melete

Zur Geschichte dieses Buches folgendes: Im Archiv des Freiherrn von Bernus Von Alexander v. Bernus erschienen 1910: ›Hymnen an Karoline v. Günderode‹ (aufgenommen auch in die ›gesammelten Dichtungen‹ München 1915). auf Stift Neuburg fand sich ein Heftchen in blauem Umschlag, das wahrscheinlich aus dem Nachlass Christian Schlossers stammt. Seinen Inhalt charakterisiert diese Notiz:

Fragment eines unediert gebliebenen Werks von Tian. 1806. Vier gedruckte Oktavbogen und Abschrift des Korrekturbogens des fünften Bogens. Der Druck ward nicht über den fünften Bogen fortgesetzt, die bereits gedruckten Bogen wurden supprimiert. 1806.

Die erste Nachricht über das Vorhandensein dieses Buchs brachte Erwin Rohde in seiner wenig bekannt gewordenen Monographie: Friedrich Creuzer und Karoline von Günderrode, Briefe und Dichtungen, Heidelberg 1896; dort findet sich auch ein Teil der Gedichte abgedruckt; die übrigen veröffentlichte erstmals Ludwig Geiger: Dichter und Frauen II, 1899. Ein vollständiger Neudruck der Melete (400 Exemplare) erfolgte erst 1906 zum hundertsten Todestage Karoline von Günderrodes: Berlin bei Harrwitz, (besorgt durch Dr. Leopold Hirschberg).

Reiche Aufschlüsse über die motivischen Beziehungen der einzelnen Gedichte aus Melete geben die lange verloren geglaubten Briefe Creuzers an Karoline, die seit 1913 in vollständiger Ausgabe vorliegen. (Preisendanz, München, Verlag Piper: auszugsweise Veröffentlichung schon 1896 in dem genannten Buch E. Rohdes, beinahe vollständig Bianquis K. v. G. Paris 1910.) Das Buch sollte unter dem Namen Ion bei Mohr und Zimmer in Heidelberg erscheinen. Creuzer selbst hat die Vermittlung des Druckes übernommen und Günderrode hat dem Freunde offenbar auch in der Zusammenstellung der Dichtungen ein gewisses Recht eingeräumt. Nach Karolinens plötzlichem Tode wurde auf Creuzers Veranlassung der bis zum fünften Bogen vorgeschrittene Druck unterbunden, das Manuskript anscheinend vernichtet. Ob Melete neben Valorich noch andere Prosaerzählungen, vielleicht gar Dramen enthalten hätte, wissen wir nicht; letzteres halte ich aber bei dem ganzen Charakter des Buches für nicht wahrscheinlich.

Die im folgenden gebrachten Anmerkungen zu Einzelnem aus Melete wollen keine Erklärungen der Gedichte sein – diese sprechen ganz für sich selbst – sondern bloss die Nähe vieler Seiten aus Creuzers Lebenswerk (Symbolik und Mythologie der alten Völker) andeuten. Dabei sei bemerkt, dass Günderrodes Gedichte keinesfalls auf die entsprechenden Stellen bei Creuzer, als seien diese die originalen, zurückgeführt werden dürfen. Dies geht schon daraus hervor, dass diese Stellen nur zum geringen Teil in der ersten Auflage (1810) des Creuzerschen Werkes, sondern erst in der dritten (1837 ff.) vorhanden sind. Wie sehr Creuzer selbst Karolinens Gedichte als selbständige Produkte empfindet, beweise dieser Passus aus seinen Briefen (Preisendanz, S. 232): ›Siehe, lieber Freund, der Mythus ist mehr Deine Welt. Darum sind auch Deine Skandinavischen Sagen so trefflich, so nordisch-dunkel, einsilbig und gross gehalten. Ich hab sie gerne gelesen. Aber noch lieber doch Ägypten. Der verschiedene Rhythmus, den Du im Gegensatz gegen den Nil gegeben hast, ist der Natur recht abgelauscht und wunderschön. Wiewohl doch Ägypten im Ausdruck mir gelungener scheinet als der Nil. – Es ist ein sonderbares Zusammentreffen, das dem Frommen grosse Freude macht, dass er über diese zwei Punkte (Ägypten und Nil) gerade um dieselbe Zeit, da Du dies gedichtet, in griechischen Schriften geforscht und einiges darüber in seinem lateinischen Buch niedergelegt hat.‹

Adonis Tod 1 und 2. Adonis Totenfeier.

Cf. Creuzer Symbolik II³, S. 417 ff. Adonis, der Geliebte der Göttin Aphrodite, wird von dem Zahne des Ebers, den die feindliche Artemis entsandt hat, durchbohrt und verfällt – ein Bild der herbstlichen Vegetation – dem Reiche Proserpinas. Aus seinem Blut erspriessen Rosen, dem Tränenstrom der trauernden Göttin Anemonen. (Bion Idyll. I 64 ff. nach Voss, abgedruckt Symb. II S. 433:

Tränen vergeusst nicht minder Idalia, als dem Adonis
Blut entrinnt; und alles erwächst in der Erde zu Blumen;
Rosen erzeugt sein Blut, ihr Tränenerguss Anemonen.)

An den Adonis-Mythus waren im Altertum die Adonis-Feiern geknüpft, die ihre Heimstätte hauptsächlich auf phönizischem Boden hatten. (Symb. S. 426 ›Zu Byblus endigten die Klagen und das Jammern mit einer Bestattung des Adon, wobei alle bei Begräbnissen üblichen Gebräuche verrichtet wurden.‹) Der Totenfeier, die das Verschwinden (ἀφανσμός) des Gottes betrauerte, entsprach in unmittelbarer Folge das Fest seiner Wiedergeburt (εδρεσις).

Gebet an den Schutzheiligen.

Dieses Gedicht ist handschriftlich – betitelt: An meinen Heiligen – in etwas anderer Fassung in Creuzers Briefen erhalten. Zusammen mit dem Gedicht ›An meine Heilige‹ das zur Hälfte (Strophe 5-10) als ein Produkt Creuzers anzusprechen ist, geht es zurück auf ein sicher früheres, das ›Fest der Maien‹ (vergl. Bianquis, S. 225 ff.).

Ägypten. Der Nil.

Diese beiden Gedichte sind in engster Bindung zueinander zu begreifen. Ägypten ist die unterm glühenden Hauch des Himmels schmachtende, weibliche Erde, in der potentiell alle ungeborenen Kräfte schlummern, die aber doch des befruchtenden Nasses bedarf, um ihrer Gebundenheit Herr zu werden. Der Nil ist im Gegensatze dazu die frohlockende männliche Gewalt. Der altägyptische Isis-Osiris-Mythus steckt insgeheim in dem Gedichte verborgen. Cf. Symb. II³. S. 27 ff.: ›Der erste Tod (sc. des Osiris) fällt ins Frühjahr, von März bis Juli; da ist Ägypten in Glutzeit. Kraut und Gras ersterben; die Frühlingssaat, die dem Boden anvertraut ist, vermag sich nicht zu öffnen, oder sie lechzt und verdorrt; Glutwinde von den Libyschen Sandwüsten her durchfeuern die ganze Luft, Schlangen und giftige Insekten wüten und töten; es herrschen Seuchen, die erhitzte Luft erscheint in einem fürchterlichen Dunkelrot, der Leibfarbe des Typhon. Dies ist die Periode, wo Typhon regiert; Isis, das ägyptische Land, dürstet, wehklagt und schreiet nach dem Segen des Wassers. – – –

Endlich erwacht Osiris. Der Nil zerbricht seine Kette, er schäumt über und verlässt sein Felsenbett. Dies fängt man an zu bemerken im Mai. Im Juni äussern sich schon die Spuren des Wachstums. – – – Der Nil stürzt sich über die Felsenblöcke nach Ägypten hinab und überschwemmt das ganze Land. Dann ist Ägypten ein Archipelagus, dann schifft man im Lande umher – – –‹

Eine persische Erzählung.

Ob dieser überaus kühnen Erzählung eine wirkliche Überlieferung zugrunde liegt, oder ob sie Erfindung der Dichterin, konnte ich nicht feststellen. Die allgemeine Vorstellung entspricht im wesentlichen der alt-persischen Mythe, wie sie später Creuzer in seiner Symbolik zusammenhängend dargestellt hat (Symb. I, erstes Kapitel, cf. besonders S. 194: ›Die Grundidee der Arienischen Lehren und Kulte, die wir hier festzuhalten haben, ist die eines Dualismus von Licht und Finsternis und eines Kampfes zwischen beiden, der sich mit der Niederlage der Finsternis endigen wird. Diese zwei obersten Prinzipien sind nun als zwei Wesen gedacht. Ormuzd, das reinste Licht und das gute Wesen, Ahriman, die Finsternis und das Böse, zwar ursprünglich auch gut, allein alsobald mit Neid erfüllt, und daraus seine Verdunkelung und Anfeindung des Ormuzd.‹

Zwischen den beiden feindlichen Grundmächten, dem Licht und der Finsternis, vermittelt Mithra. Cf. Symb. I, S. 292: ›Das Gute kämpft mit dem Bösen: zwei Geister, Ormuzd und Ahriman. Aber das Gute hat noch ausserdem seinen Hort, seinen Genius, seinen Vertreter (Mittler); und das Böse (Ahriman) wird in der Zeiten Fülle zum Licht hingezogen, wird gereinigt, wird verklärt. In Liebe vermittelt und versöhnet der Ewige das, was in der Zeit feindselig auseinander lag; und die Hölle hat ein Ende. Die Schatten hören auf, so wie materielle Last. Es wird alles in Himmelslicht verflüchtigt und verklärt.‹ Die angeführte Stelle zeigt, wie Karolinens Gedicht in der zweiten Hälfte – einem höheren Gesetz gehorchend – deutlich von der persischen Vorstellung abweicht. Die reine Lichtlehre war ihrer Natur nicht annehmbar. Wie Rettung suchend sinkt sie zurück in den ›Arm der Mitternächte‹.

Überall Liebe.

Andere Fassung (ohne Überschrift) in Creuzers Briefen an Karoline.

Der Gefangene und der Sänger.

Das Gedicht ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Creuzer zuzuweisen, wie schon Rohde vermutet (cf. Büsing, S. 93 ff.).


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