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Magie und Schicksal

(Probe aus dem ersten Akt)

Der Magier allein

Sei mir gegrüsset, segensvoller Morgen,
Heilbringend Licht, das aus dem Osten dringt;
Die Nacht ist schauervoll dem, der geweihet
In ihres tiefen Schlundes Gähnung schaut;
Da regen sich und dehnen sich die Kräfte,
Und brausen, heben und bekämpfen sich,
Als wollte sich der Dinge Ordnung lösen,
So ringen sie chaotisch wider sich.
Als sei im Todeskampfe alles Leben,
So sträubt sich's zwischen Dasein und Vergehn.
Entsetzlich so ist Nachts der Dinge Schwanken,
Dass Lebende den Toten ähnlich sind,
Und Tote gleich Lebendgen irdisch wallen. –
Drum wohl dem, der an allen Sinnen blind
Der Kräfte innre Feindschaft nie gesehn.
Es hüllt die Nacht in Schatten weislich sich
Und senkt sich schwer auf aller Menschen Augen,
Dass keiner ihre Schrecken je belauscht:
Da kommt der Morgen, da giesst süsses Leben
Und Eintracht hin sich über die Natur,
Und sie erwachet wie aus schweren Träumen
Und lächelt, und in ihren Augen stehn
Die Tränen, die die Angst des Traums erpresste;
Doch alle küsst sie ihr die Sonne weg. –
Drum segensvolles Licht! sei mir gegrüsset,
Du giessest Friede auch in meine Brust,
Indem du sühnst den Zwist der Elemente,
Der Dinge Dasein neu versicherst mir
Die nächtlich selbst sich zu zerstören drohten,
In blindem Eifer wider sich entbrannt.

( Ligares kommt)

Ligares

Es ruhen auf dem Kaukasus Gewitter,
Noch säumend krächzt der Rabe durch die Nacht;
Doch quellen aus dem Ost schon Sonnenstrahlen
Und zeigen meinem Boten seinen Pfad.
Er könnte hier schon sein – Wie! du mein Vater!
Ich staune! was beraubt des Schlummers dich?

Magier

Ich ruhe nicht, weil durch den Schein der Ruhe
Der Nächte nicht mein Aug betrogen ist;
Ich seh' den innern Kampf der Lebenskräfte,
Den Schlaf und Nacht wohltätig dir verhüllt.

Ligares

Warum weihst du mich nicht in deine Künste,
Enthüllest meinem Aug die Dinge nicht?

Magier

Wohltätig ist dem Sterblichen die Hülle,
Die die Natur auf ihre Tiefen legt.
Sieh an die Farben, wie sie freundlich milde
Dem Auge reden, sieh der Formen Zier,
Wie lieblich sie sich heben, beugen, schwellen,
Und sich vermählen mit des Lichtes Glanz;
In solchen Schmuck hat sich Natur verborgen,
In schöne Ruhe ihren Zwist versteckt.
Weh dem! der frech den heil'gen Schleier hebet,
In ihr Geheimnis frevelnd dringen will,
Belauschet, was sie suchet zu verbergen;
Weh dem! es rächt die Göttin schrecklich sich
Am Unglücksel'gen, der sie überraschet,
Denn sie ist jungfräulich und streng gesinnt;
Aktäon sollte dich davon belehren:
Er sah sie, doch verwandelt war er ganz,
Ein Ungeheuer, das man nicht erkannte,
Des Sprache Allen unverständlich ward;
So fiel er durch der heilgen Isis Strenge,
Weil hüllenlos die Göttin er gesehen.

Ligares

Ihr nahte sich Aktäon ungeweihet
Und zitternd seines Frevels sich bewusst:
Du aber Vater! gib mir rechte Weihen,
Dass ich ihr ohne Zagen nahen darf.

Magier

Es drängen viele sich zum Heiligtume
Und Alle geizen nach der Göttin Gunst;
Doch von den Tausenden, die zu ihr wollen,
Hebt Einer wohl den dichten Schleier kaum;
Denn es erheischt ein ungeteiltes Leben
Die strenge Isis; wer mit fremdem Dienst
Und andern Wünschen ihrem Tempel nahet,
Den straft sie für den Frevel fürchterlich. –
Und doch ist's schwer, sich gänzlich hinzugeben.
Die Priesterin Apolls zu Delphi selbst
Wird oft zum Dreifuss mit Gewalt gerissen,
Gezwungen dann verkündiget ihr Mund
Was ihr Apoll, der Bebenden, vertrauet;
Und wie die Welt auch ihre Weisheit ehrt,
So zagt sie doch, dem Gotte sich zu geben. –

Ligares

Was sollen Vater! diese Reden doch?

Magier

Dass sich die Sterne Dich nicht ausersehen.

Ligares

Entscheiden sollten Sterne, was ich darf?
Und über meinen Wert und Unwert richten?
Nur darum gingen sie den Riesenschritt,
Nur darum wären sie in Licht gekleidet,
Dem Menschen anzudeuten sein Geschick?

Magier

Nicht weil die Menschen handeln kreisen Sterne:
Die Menschen wandeln nach der Sterne Lauf.
Wie Flut und Ebbe nach dem Mond sich richten
Und fallen, schwellen, wie er kommt und geht;
So heben sich Gedanken und versinken,
Gelenket von der Himmelskörper Lauf.
Des Menschen Brust ist gleich des Meeres Spiegel,
Der widerstrahlet von der Sonne Bild,
Und dunkel ist und glanzlos, wenn sie sinket.
So jedem Sterblichen ist sein Gestirn
Des Nordens Pol, der ewig an ihn ziehet;
Er aber ist die kleine Nadel nur,
Die ewig sich nach ihrem Sterne wendet. –
So kann, wer eingeweiht, am Himmel sehn,
Wie sich die ird'schen Dinge fügen werden,
Und ahnungsvoll sieht er die Erde an,
Wie droben sich die Himmelsmächte reihen,
Die herrschend auf die Erde niedersehn.

Ligares

Ich fühle frei mich ganz in meinem Herzen,
Von der Gestirne Einfluss unberührt;
Es zieht mich vieles an im bunten Leben,
Und vieles werd' ich können, weil ich will;
In diesem stolzen Glauben will ich bleiben,
Mich selber fühlen als des Schicksals Herr;
Mich nicht entnerven durch ein feiges Wähnen,
Als sei ich fremden Mächten untertan.

Magier

Mein Sohn! es ziemt dir wohl also zu denken.
Ich weiss es, nur erkenne deine Bahn
Und dränge dich nicht hin zu den Erwählten,
Die demutsvoll sich einem Gotte weihn.
Dir ruft die Welt, dir rufen Ruhm und Ehre,
Und ins Gewühl reisst dich die Tatenlust;
Durch Handeln wird das Irdische erschaffen,
Doch still betrachtet will der Himmel sein.


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