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An Clemens Brentano

(am 10. Juni 1804.)

Ehe ich zur ernstlichen Beantwortung Ihrer ernstlichen Fragen komme, muss ich Sie recht dringend bitten, mir die fatale Perücke abzunehmen, die Sie mir aufgezwängt haben, die ich eigentlich nicht trage, weil sie mich sehr beengen würde; also gleich am Eingang meines Briefs, hinweg mit ihr, dass ich mich frei bewegen kann.

Wie ich auf den Gedanken gekommen bin, meine Gedichte drucken zu lassen, wollen Sie wissen? Ich habe stets eine dunkle Neigung dazu gehabt, warum? und wozu? frage ich mich selten; ich freute mich sehr, als sich jemand fand, der es übernahm, mich bei dem Buchhändler zu vertreten; leicht und unwissend, was ich tat, habe ich so die Schranke zerbrochen, die mein innerstes Gemüt von der Welt schied; und noch hab ich es nicht bereut, denn immer neu und lebendig ist die Sehnsucht in mir, mein Leben in einer bleibenden Form auszusprechen, in einer Gestalt, die würdig sei, zu den Vortrefflichsten hinzutreten, sie zu grüssen und Gemeinschaft mit ihnen zu haben. Ja, nach dieser Gemeinschaft hat mich stets gelüstet, dies ist die Kirche, nach der mein Geist stets wallfahrtet auf Erden.

Da ich heut sehr aufrichtig gegen Sie sein will, so muss ich Ihnen das noch sagen, dass in mir noch kein eigentliches Verhältnis zu Ihnen ist; wenn es werden kann, so soll michs freuen, es wird von Ihnen ausgehen müssen; doch wenn es nicht sein könnte, so würde mich das kaum betrüben. Meine Beziehung zu Ihnen ist nicht Freundschaft, nicht Liebe, meine Empfindung bedarf daher keines Verhältnisses, sie gleicht vielmehr dem Interesse, das man an einem Kunstwerk haben kann, aber verworrene, missverstandene Verhältnisse könnten mir dies Interesse trüben.

Sagen Sie nicht ferner, mein Wesen sei Reflexion oder gar, ich sei misstrauisch; das Misstrauen ist eine Harpye, die sich gierig über das Göttermahl der Begeisterung wirft und es besudelt mit unreiner Erfahrung und gemeiner Klugheit, die ich stets jedem Würdigen gegenüber verschmäht habe.

Grüssen Sie Ihre Frau freundlichst von mir; auch ich freue mich, Sie zu sehen und Ihr Kind, das ich mir gar lieblich vorstelle.

Mit dem Ponce da Leon haben Sie mir viel Freude gemacht.


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