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An Clemens Brentano

(1803?)

Ich weiss nicht, ob ich so reden würde, wie Sie meinen Brief in dem Ihrigen reden lassen; aber es kommt mir sonderbar vor, dass ich zuhöre wie ich spreche und meine eignen Worte kommen mir fast fremder vor als fremde. Auch die wahrsten Briefe sind meiner Ansicht nach nur Leichen, sie bezeichnen ein ihnen einwohnend gewesenes Leben und ob sie gleich dem Lebendigen ähnlich sehen, so ist doch der Moment ihres Lebens schon dahin: deswegen kömmt es mir aber vor (wenn ich lese, was ich vor einiger Zeit geschrieben habe), als sähe ich mich im Sarg liegen und meine beiden Ichs starren sich ganz verwundert an.

Mein Vertrauen war freilich kein liebenswürdiges Kind, es wusste nichts Schönes zu erzählen, dabei flüsterten ihm die Umstehenden immer zu: Kind! sei klug! gehe nicht weiter vorwärts. Da wurde das Kind verwirrt und ungeschickt, es wusste nicht recht, wie man klug sei und schwankte hin und her. Darf man ihm das übel nehmen? Aber eigensinnig ist das Kind nicht, wenn es im Hause freundlich und gut aufgenommen wird, kehrt es sicher lieber um, als dass es länger auf der Strasse verweile.

Sagen Sie mir nichts mehr von Ratschlägen, ich muss mich bei dieser Stelle Ihres Briefes immer auslachen, ich werde das Wort gar nicht mehr gebrauchen können; überdem erinnert es mich auch noch an Burzelbäume; ich habe niemals recht verstanden, was Sie damit sagen wollten, es war mir nur lächerlich, ohne dass ich wusste warum.

Ich kenne wenig Menschen und vielleicht niemand ganz genau, denn ich bin sehr ungeschickt, andere zu beobachten. Wenn ich Sie daher in einem Moment versteh, so kann ich von diesem nicht auf alle übrigen schliessen. Es mag wohl sehr wenige Menschen geben, die dies können, und ich wohl mit am wenigsten. Jetzt denke ich von Ihnen, es sei gut, Sie zu betrachten und erfreulich; aber man solle Sie nur betrachten wollen. Ist diese Ansicht wahr oder falsch?

Karoline.


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