Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Mahomets Traum in der Wüste

Bei des Mittags Brand
Wo der Wüste Sand
Kein kühlend Lüftchen erlabet,
Wo heiss, vom Samum nur geküsset,
Ein grauer Fels die Wolken grüsset
Da sinket müd der Seher hin.

Vom trügenden Schein
Will der Dinge Sein
Sein Geist, betrachtend hier, trennen.
Der Zukunft Geist will er beschwören,
Des eignen Herzens Stimme hören,
Und folgen seiner Eingebung.

Hier flieht die Gottheit,
Die der Wahn ihm leiht,
Der eitle Schimmer zerstiebet.
Und ihn, auf den die Völker sehen,
Den Siegespalmen nur umwehen,
Umkreist der Sorgen dunkle Nacht.

Des Sehers Traum
Durchflieget den Raum
Und all die künftigen Zeiten,
Bald kostet er, in trunknem Wahne,
Die Seligkeit gelungner Plane,
Dann sieht er seinen Untergang.

Entsetzen und Wut,
Mit wechselnder Flut,
Kämpfen im innersten Leben.
›Von Zweifeln‹ ruft er ›nur umgeben!‹
Verhauchet der Entschluss sein Leben!
Eh' Reu ihn und Misslingen straft.

›Der Gottheit Macht,
Zerreisse die Nacht
Des Schicksals vor meinen Blicken!
Sie lasse mich die Zukunft sehen,
Ob meine Fahnen siegreich wehen?
Ob mein Gesetz die Welt regiert?‹

Er sprichts; da bebt
Die Erde, es hebt
Der See sich auf zu den Wolken,
Flammen entlodern den Felsenklüften,
Die Luft, erfüllt von Schwefeldüften
Lässt träg die müden Schwingen ruhn.

Im wilden Tanz
Umschlinget der Kranz
Der irren Sterne, die Himmel;
Das Meer erbraust in seinen Gründen
Und in der Erde tiefsten Schlünden
Streiten die Elemente sich.

Und der Eintracht Band,
Das mächtig umwand
Die Kräfte, es schien gelöset.
Der Luft entsinkt der Wolken Schleier
Und aus dem Abgrund steigt das Feuer,
Und zehret alles Ird'sche auf.

Mit trüberer Flut
Steigt erst die Glut
Doch brennt sie stets sich reiner,
Bis hell ein Lichtmeer ihr entsteiget,
Das lodernd zu den Sternen reichet
Und rein und hell und strahlend wallt.

Der Seher erwacht
Wie aus Grabesnacht
Und staunend fühlt er sich leben,
Erwachet aus dem Tod der Schrecken,
Harrt zagend er, ob nun erwecken
Ein Gott der Wesen Kette wird.

Von Sternen herab
Zum Seher hinab
Ertönt nun eine Stimme:
›Verkörpert hast du hier gesehen
Was allen Dingen wird geschehen,
Die Weltgeschichte sahst du hier.

Es treibet die Kraft,
Sie wirket und schafft
In unaufhaltsamem Regen;
Was unrein ist, das wird verzehret,
Das Reine nur, der Lichtstoff, währet
Und fliesst dem ewgen Urlicht zu.‹

Jetzt sinket die Nacht
Und glänzend ertagt
Der Morgen in seiner Seele.
›Nichts!‹ ruft er, ›soll mich mehr bezwingen:
Das Licht nur werde! sei mein Ringen,
Dann wird mein Tun unsterblich sein.‹


 << zurück weiter >>