Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Marko Kraljewitsch findet den Säbel seines Vaters.

Serbisches Volkslied.

        Früh am Morgen, noch vor Tagesanbruch,
War ein Türkenmädchen aufgestanden.
Am Mariza wollt' es Leinwand bleichen,
Klar vor Sonnenaufgang war das Wasser.
Doch nach Sonnenuntergang wurd' es trübe,
Trübe wurd' es und mit Blut gerötet,
Führte Rosse mit und blanke Helme
Und manch wunde Helden, noch vor Mittag.
So auch bracht' heran es einen Helden,
Den die wilde Flut des Stroms ergriffen.
In dem Strome sich im Wirbel drehend,
Sieht der Held das Mädchen nun am Ufer
Und beginnt bei Gott es zu beschwören:
»Schönes Mädchen, sei in Gott mir Schwester!
Wirf mir zu doch eine Rolle Leinwand
Und errette mich aus diesen Wellen,
Und ich will, zum Dank, dich glücklich machen.«
Und das Mädchen fühlt in Gott Erbarmen,
Wirft ihm zu das eine End' der Leinwand,
Bringt ihn glücklich an des Flusses Ufer.
Siebzehn Wunden deckten seinen Körper,
Der geschmückt mit köstlichem Gewande.
An der Seite trug er einen Säbel,
Welchen dreifach goldne Griffe zierten,
Drei gar seltne Steine in den Griffen,
Gleich an Wert drei Festungen des Sultans.
Und der Held zum Türkenmädchen sagte:
»Türkenmädchen, meine liebe Schwester!
Sag, wer wohnt bei dir im weißen Schlosse?«
Drauf das Türkenmädchen ihm entgegnet:
»Hab ein altes Mütterchen zu Hause
Und noch einen Bruder Mustaf Aga.«
Und der wunde Krieger nun erwidert:
»Türkenmädchen, meine liebe Schwester,
Geh und sag dem Bruder Mustaf Aga,
Daß er mög' ins weiße Schloß mich bringen.
Trag' am Leibe drei gefüllte Gürtel,
Jeder faßt dreihundert Golddukaten;
Mit dem einen will ich dich beschenken,
Mit dem zweiten deinen Bruder Mustaf,
Nur den dritten will ich mir behalten,
Um die schweren Wunden mir zu heilen.
Will es Gott, daß wieder ich genese,
Türkenmädchen, sollst du glücklich werden,
So wie auch dein Bruder Mustaf Aga.«
Und das Mädchen geht zum weißen Schlosse
Und erzählt dem Bruder Mustaf Aga:
»O, mein Bruder Aga, Mustaf Aga,
Einen Helden habe ich gefunden,
Schwerverwundet am Marizaflusse,
Trägt bei sich drei wohlgefüllte Gürtel,
Jeder faßt dreihundert Golddukaten.
Mit dem einen will er mich beschenken,
Mit dem zweiten dich, o Mustaf Aga,
Will den dritten nur für sich behalten,
Um die schweren Wunden sich zu pflegen.
Lieber Bruder, laß dich's nicht gelüsten
Zu erschlagen ihn, den wunden Helden,
Bring ins weiße Schloß ihn mit Erbarmen.«
Ging zum Fluß Mariza hin der Aga.
Als er fand den schwerverletzten Helden,
Hub er an den Säbel zu bewundern,
Schlug dem Helden dann das Haupt herunter,
Zog ihm aus sodann die reichen Kleider
Und begab zurück sich nach dem Schlosse.
Seine Schwester kam ihm hier entgegen,
Und wie sie jetzt sah, was er verübet,
Sprach sie so zu Bruder Mustaf Aga:
»Bruder, sag warum, daß Gott dich strafe,
Hast den wunden Helden du erschlagen?
Mochtest also dich verleiten lassen
Zu dem Totschlag, eines Säbels wegen?
Gebe Gott, daß es dein Haupt nicht koste!«
Also sprach sie und entfloh zum Schlosse.
Kurze Zeit nach diesem war vergangen,
Kam ein Firman von dem Türkenkaiser,
Daß ins Feld der Mustaf Aga ziehe.
Zog der Mujo zu dem Heer des Sultans,
Jenen Säbel an der Seite tragend.
Als er angelangt nun bei dem Heere,
Alt und jung den Säbel da bewundert,
Keiner doch kann aus der Scheid' ihn ziehen,
So, von einer Hand zur andern wandernd,
Kam an Marko Kraljewitsch der Säbel,
Und von selber flog er aus der Scheide.

Als den Säbel Marko fest betrachtet,
Fand er drauf drei wohlbekannte Zeichen.
War des Waffenschmiedes Nam' das erste,
Der des Königs Wukaschin das zweite
Und des Marko Kraljewitsch das dritte.
Und er fragt den Türken Mustaf Aga:
»Sag', bei Gott mir, junges Türkenbürschchen,
Wie zu diesem Säbel du gekommen?
Hast du ihn für bares Gold erstanden,
Oder in der blut'gen Schlacht gewonnen,
Oder ist's ein Erbteil deines Vaters,
Oder ein Geschenk von deinem Liebchen?«
Ihm entgegnet da der Mustaf Aga:
»Weil du mich befragst, Kaurine Marko,
Will, bei Gott, ich dir die Wahrheit sagen.«
rauf erzählt er, wie es sich begeben.
Doch der Marko Kraljewitsch entgegnet:
»Warum, Türke, daß dich Gott erschlage,
Hast du seiner Wunden nicht gepfleget,
Hätte jetzt, beim mächt'gen Türkenkaiser,
Dich mit einem Agali belohnet.«
Spricht hierauf zu ihm der Mustaf Aga:
»Fasle so nicht, o Kaurine Marko!
Könntest du ein Agali bekommen,
Würdest du's wohl selbst für dich behalten;
Gib zurück mir lieber meinen Säbel.«
Doch der Marko Kraljewitsch ihn schwenket,
Haut den Kopf dem Mustaf von dem Rumpfe.
Schnell zum Sultan bringt man diese Kunde
Und der Sultan ließ den Marko rufen.
Wie die Sklaven zu dem Marko kamen,
Ihn zu rufen, gab er keine Antwort,
Sondern saß und trank vom roten Weine.
Als jedoch zuviel der Boten kamen,
Warf er seinen Wolfspelz um die Achseln,
Langte dann nach der gewicht'gen Keule
Und begab sich in das Zelt des Sultans.
Und so heftig Marko war erzürnt,
Daß im Aug' ihm blut'ge Tränen glänzten.
Als der Sultan so erblickt den Marko,
In der Rechten die gewicht'ge Keule,
Wich zurück er, bis, stets näher tretend,
An die Wand ihn hat gedrängt der Marko.
Griff der Sultan da in seine Tasche,
Reichte Marko hundert Golddukaten.
»Gehe, Marko, labe dich mit Weine,
Warum bist du nur so sehr erzürnt?«
»Frage nicht, o Sultan, lieber Vater,
Hab' erkannt den Säbel meines Vaters.
Hätt' ich ihn in deiner Hand gefunden,
Wär' ich minder nicht in Zorn geraten!
«
Wandte drauf sich und verließ den Sultan.

 


 


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