Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Zweite Liebe.

                          Der ersten Rose schneller Tod
Weckt deiner Tränen Lauf;
Doch sieh! wo deine Träne fiel,
Blühn – neue Rosen auf!

 

        Ein Pilger zog nach Jerusalem,
    Da sah er ein großes Dorf;
Er glaubte dies sei Jerusalem,
    Und zog in das große Dorf.

Er blieb, denn ihm gefiel es gar wohl,
    Er wähnt sich am rechten Ort;
Doch als sein Irrtum ihm wurde kund,
    Da zog er gleich wieder fort.

Der Pilger, der lebt noch heutzutag,
    Du siehst, ich meine mich;
Doch, wo mein Jerusalem ich fand?
    Das weißt du so gut als ich.

*

        Es wird, wer heuer nicht recht klug,
    Aufs Jahr vielleicht gescheiter;
Gefällt's dir nicht in diesem Land,
    Ei wandere nur weiter!
Zum zweitenmal senkt nicht umsonst
    Sein Netz der Fischer nieder;
Und fällt die Axt nicht gleich den Stamm,
    Frisch auf und schwing sie wieder!

Es sprengt der erste Lenzblick nicht
    Der Wasser eis'ge Brücke,
Es schmilzt das weichste Herzchen nicht
    Beim ersten Liebesblicke;
Trifft Amors erster Pfeil nicht recht,
    Dann folgt ihm bald der zweite,
Und ob er trifft, und wie er trifft?
    Fragt alt' und junge Leute.

*

            Schönste, darf mit stillen Wünschen
Sich dir nahen meine Liebe?
»Hoffen magst du, Freund, denn Hoffnung
Ist die Sonne dieser Welt.«

Wahr verglichen! meine Holde;
Hoffnung, traun, ist eine Sonne;
Denn wer stets zur Sonne blicket,
Schaut sich noch am Ende – blind.

*

            Durch der Seele Tiefen klingend
    Weht in mir ein Harfenpaar,
Brausend tönt das Spiel der einen,
    Das der andern sanft und klar,
Zwei der Kräfte, die sich hassen,
    Geben ihnen Klang und Laut,
In den Saiten wühlet diese,
    Jene streift sie leis' und traut.

Wie von Fels aus Felsbett stürzend
    Wild der Katarakt erdröhnt;
Wie wenn Donnerkeile rasen,
    Dumpf es durch die Bergschlucht stöhnt,
Wie der Sturz der fessellosen
    Schneelawin' im Tal verhallt,
Also auch die eine Harfe
    Mir im Busen dröhnend schallt.

Doch wie über Rosenhaine
    Zephir haucht den Morgenkuß,
Wie aus fernen, fernen Welten
    Der Geliebten leiser Gruß,
Wie bei Nacht sich's still harmonisch
    In Zypressenwipfeln regt;
Tönt der andern Harfe Lispeln
    Zart von milder Kraft bewegt.

Lichtgestalten ziehn vors Auge,
    Wenn die eine tönend wallt. –
Nachtgezeugte Schreckensfratzen,
    Wenn die andre tobend schallt. –
Hätte doch die beiden Kräfte
    Gleiches Streben hold vereint!
Aber ach, in wildem Grimme,
    Blieben sie sich ewig feind.

Bis zersprengt die letzte Saite,
    Bis die Harfen morscher Staub,
Bis der Seele Hallen klanglos,
    Und ich der Vernichtung Raub,
Bis das schwache Haus, in Trümmer
    Sinkend, einst zusammenbricht;
Dann befeinden sie sich nimmer,
    Aber ach! – sie tönen nicht.

*

        Ich wollt' ja gern der Eure werden,
    Ihr Herrn mit Froschesblut,
Mit euch am glühen Herd erstarren,
    Und friern an loher Glut,
Mit Eis den Busen überpanzern
    Das Herz erstarrt zu Eis,
Und Frost das Hirn und Frost der Busen,
    Erst noch so glühend heiß.

Doch sagt, ihr trägen Eisgestalten,
    O nennt mir eu'r Geschick,
Wenn euch im Frühlingsglanz belächelt
    Der Sonne warmer Blick?
Das Eis zerrinnt zu trübem Wasser,
    Auch ihr zerfließet so
Zu Wasser, dem Geschmack und Leben
    Dem Farb' und Geist entfloh.

Drum schmäht die Glut nicht, die im Busen
    Mir flammend eingekehrt;
Selbst Perl' und Diamant erborgen
    Von innrer Glut den Wert.
Sink' ich auch in mich selbst zusammen,
    Ein glühender Vulkan,
Mag sein! wenn nur der Lieben einer
    An mir sich wärmen kann.

*

        Gesät hab' ich meine Freude
    Tief in die Erde hinein,
Doch weil sie zu tief, drum wollte
    Nur spärlich die Ernte gedeihn.

Hinauf an den höchsten der Sterne
    Geheftet hab' ich meinen Schmerz,
Doch weil er so hoch, drum fiel er
    Mir doppelt schwer nun aufs Herz.

*

        Von den alten Heimatbergen,
Ihren Triften, Seen und Bächen
Träumt ein armer Schweizersöldling
Fern auf Flanderns Nebelflächen.

Von des Segens goldnen Burgen,
Drauf der Freiheit Banner schwirren,
Träumt auf faulem Stroh der Sklave,
Bis ihn weckt der Kette Klirren.

Sitzend tief in kalter Felskluft,
Drein nie fiel ein Strahl der Liebe,
Einsam stets, träum' ich und singe
Mädchen, stets von deiner Liebe.

*

        Ei, welch wundervoller Strauß
    Dir am Busen nicket!
Der Geliebten treue Hand
Hat als süßes Liebespfand
    Dir ihn wohl gepflücket?

»Ja, sie pflückt' ihn, sie hieß mich
    Ihn am Herzen tragen;
Doch als Liebespfand? – o nein!
Daß versteckt die Wunden sei'n,
    Die sie dort geschlagen.«

*

            Die Freude regt ihr Lenzgefieder,
    Das Bächlein springt, das Veilchen blüht,
Es jubeln froh wohl tausend Lieder,
    Doch traurig tönt ein einzig Lied.
Wenn andre Kehlen freudig schlagen,
    Wenn rings erwacht der Jubelschall,
Stimmt bange Töne, süße Klagen
    Die liebeskranke Nachtigall.

So, ob mich Liebe gleich durchglühte,
    Ob auch Erfüllung mich nicht floh,
Ob Lust und Freude mich umblühte,
    Ward mein Gesang doch nimmer froh;
Selbst wenn mit holdem Lilienarme
    Mich Liebchen traut und warm umschlang,
Sang ich von süßem Liebesharme
    Zur Harfe, manchen Trauersang.

*

          Es segelt sanft auf Silberwogen
    Im Schneegewand der hehre Schwan,
Gesanglos ist er lang gezogen
    In stummer Lust auf seiner Bahn;
Jetzt da der Pfeil sein Herz durchdrungen,
    Da ihm der Tod im Busen glüht,
Was in der Freud' er nie gesungen,
    Er singt's im Schmerz: sein erstes Lied! –

Und so, ob auch ein Kranz von Leiden
    Die Dornenarm' ums Herz mir schlang;
Singt doch mein Lied der Liebe Freuden,
    Der Liebe Lust bleibt mein Gesang;
Ob den Vernichtungskeim ich fühle,
    Ob todeswund auch meine Brust,
Ob mir der Pfeil im Herzen wühle,
    Im Schmerz sing' ich der Liebe Lust!

 


 


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