Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Der Liebe Verlust.

                        Zeigt die trübe dunkle Seite
Dir auch oft das Leben,
ist's vom Bild doch nur der Schatten,
Um das Licht zu heben.

 

                Auf schwarzbehangenem Gerüst der Trauer
Lag sie, die ich geliebt, im Lilienkleid.
Rings um das Bildnis des Erlösers glomm
Trübflackernd Kerzenlicht und schimmerte
Mit müdem Strahl durchs düstere Gemach.
Dort im Gefäß, gefüllt mit Weihbronn, lag
Des Rosmarines deutungsvoller Zweig.
Sie aber schlief, so ruhig blaß und schön,
Die Händ' am Busen übers Kreuz gefaltet,
Ein duft'ger Kranz umschlang der Jungfrau Haupt.
Stumm war ihr Mund, doch ahnt' ich, was er sprach,
Und spiegelt meinen Liebesblick auch nimmer
Ihr Auge wieder, sieht's doch Erdenleid
Nicht mehr, und wird vom Weinen nimmer rot. –

Allein kniet' ich an ihrem Todesbett,
Dumpf summt des Turmes Glocke: Mitternacht!
Und was der Schmerz verboten erst, erzwang
Er nun gebietend, und besiegt von ihm
Sank ich in Schlummer und in solchen Traum:

Durch rosiges Gewölk sah ich sie lächelnd
Hinschweben und des Lichtes Wohnung grüßen.
Es strömt, in Wellenlocken, fließend Gold
Als Haar ihr von der heitren Stirn; doch nicht
Gewöhnlich Haar und nicht gewöhnlich Gold!
Nicht schmückt mit höherm Reiz sie jetzt der Himmel,
Denn allen Schmuck gab er ihr schon auf Erde;
Und wie durchs Leben einst, so wandelt sie
Nun durch des ew'gen Frühlings Haine hin.
Doch an der Brust blinkt ihr ein Perlenkranz,
Ich kenn' ihn wohl! der Liebe Tränen sind's,
Die wir zusammen einst geweint. Und sieh:
Nun preßt sie warm ans Herz das edle Kleinod
Und legt's dann nieder still vor Gottes Thron.

Der Traum wich. Träger harren schon der Bahre,
Durchs Fenster hoch flammt Morgenrot herein;
Und ich verstand und weinte nimmermehr.
Der Leiche naht' ich leise, und besprengte
Sie dann, still segnend, mit dem heil'gen Bronn.

*

            Tot ist und zweifach eingesargt mein Liebchen:
    Dort in der Erdgruft unter kaltem Stein,
Und hier in meines Herzens wärmstem Stübchen;
    Welch Grab von beiden ihr mag lieber sein?

Gesanglos ließ man sie zu Grabe bringen,
    Doch mir im Herzen scholl der Leichensang;
Da ging es an ein Pochen und ein Klingen,
    Daß bei dem Lied mir fast der Kopf zersprang.

Der Grabstein bricht einst auf wie Knospenhülle,
    Draus taucht die junge Ros' ans Morgenlicht,
Doch mir im Herzen ruht sie tief und stille,
    Dies Grabessiegel sprengt sie ewig nicht.

Auch ist ihr drin ein Monument errichtet,
    Wie sich's ob keiner Königleich' erhebt,
Denn Pyramiden, himmelhoch geschichtet,
    Und Tempel stürzen, doch mein Herz, das – lebt!

*

        Des Hügels Gras, jetzt frisch und grün,
    Erstirbt von Winters Hauch,
Stehn bleibt das Kreuz nur, fest und kühn,
    Nach treuen Wächters Brauch.

Dem Gras gleicht meines Lebens Bahn,
    Mein Schmerz dem Kreuz von Stein;
Und ewig treu dich zu umfahn,
    Möcht' ich dein Sarg wohl sein.

*

        Die Stätte, wo du jetzo schläfst,
    Und ruhst von ird'scher Qual,
Als du noch auf der Erde gingst,
    War sie gar wüst und kahl.

Doch sieh, welch süßes Blumenheer
    Jetzt dort in Fülle sprießt!
O lebtest du nur wieder auf,
    Wenn's dort, wie vor, so wüst!!

*

                Mit dir zu jubeln taugen wohl die Menschen,
Doch nicht zu weinen. Flammt dir Schmerz im Busen,
O suche dir bei Menschen nicht den Trost.
Der eine gibt dir Liebesschwänke preis,
Wenn eben du die Braut zu Grabe trugst;
Starb all dein Glück, Freund oder Vater, – frägt
Ein andrer gar: Schatz, Sie befinden sich –?

*

            So träufle denn, Natur, du mir ins Herz
Des Trostes Balsam! – Doch, fleh' ich umsonst?
Und bleibst unwandelbar du, wenn sich auch
Mein innerst' Selbst verwandelt mir entrückt?
Noch glänzet deiner Sonne Strahlenantlitz
Und lächelt, wie zur Lust einst, jetzt zum Schmerz;
Ihr öffnen sich wie sonst der Blumen Kelche,
Ihr Bildnis trägt noch stets der Strom am Herzen,
Und laut begrüßt vom Hain und seinen Sängern,
Erwacht sie stets und schlummert stets hinüber. –
Schön ist dein Antlitz, o Natur, doch kalt,
Kalt, wie die schönen Menschenangesichter,
Und Mitleid spiegelte sich nie darauf.
Denn deine Träne selbst, den Tau, den du
Auf einsam stille Gräber weinst, den träufelst
Zugleich herab du auf des Glücks Paläste.

*

        Sieh! nun auf ihren Leichenstein setzt flatternd
Ein weißes Täubchen sich. Der Liebe Grüße
Bringt's wohl von fernher ferner Liebe zu;
Jetzt wühlt es mit dem Schnabel sanft im Fittich,
Dann flattert's auf und fliegt ans frohe Ziel.
Dank dir, o Liebesbotin! – Ich verstand;
Du teurer Grabeshügel sei auch mir
Ein Ruh'sitz auf ermüdend rauher Bahn,
Und fort dann rüstig auf betönten Schwingen,
Ans Ziel fort, wo die Liebe meiner harrt! –

 


 


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