Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Harfe und Elemente.

            Ein Greis, gekrönt mit Lorbeer, stand
Auf einem Fels am Meeresstrand,
Die Harfe hielt er in der Hand,
Und blickte starr ins weite Land,
Ins tiefe Tal hernieder strahlt
In hoher Würde die Gestalt,
Ein ruhigschönes Heil'genbild;
Und wie ein Frühlingswölkchen spielt
Der greisen Locken Silberstrom
Hinaus in den azurnen Dom.

Jetzt rollt der Zeiten ernster Lauf
Vor seinem innern Blick sich auf,
Er sieht manch Bild, so klar und schön,
Manch teures Wesen vor sich stehn,
Sieht sich vor allen Sängern reich,
So kräftig kühn, so mild und weich;
Die Kunst reicht ihm den schönsten Kranz,
Die Liebe strahlt im hellsten Glanz,
Und schützend führt das Leben ihn
Zum Tempel ew'gen Ruhmes hin. –
O schöner Traum, du blühst nicht mehr,
Das Herz ist welk und freudenleer,
Des Auges Glut, der Sehnen Kraft
Ist nun erloschen und erschlafft,
Die Kränze all erbleicht, zerstört,
Der Tempel zum Ruin verkehrt!

Nun mit dem eignen Lorbeerreis
Bekränzt sein Harfenspiel der Greis.
»Hab' Dank du freundlicher Kumpan,
Nur du bliebst treu dem greisen Mann,
Du sangst mit mir der Liebe Lust,
Mein Bild sangst du in manche Brust,
Hast mir manch Freundesherz erjagt,
Mit mir gejauchzt, mit mir geklagt,
Hast mitgesiegt in manchem Streit,
Hast manche Freundesbrust erfreut,
Und bliebst allein dem greisen Mann,
Hab' Dank, du treuer Leidskumpan.
Dein Tagwerk hast du nun vollbracht,
Die Lieben drückt des Grabes Nacht,
Zerronnen ist des Lebens Meer,
Die Welt ist wüst und tatenleer,
Vom Frieden träumen sie zumal,
Und träger Fried' ist überall.
Der mag wohl sein im Grabe gut,
Im Leben doch verdirbt er's Blut;
Drum gibt es für uns beide nun
In dieser Welt nichts mehr zu tun.«

Er faßt die Harfe fest am Schaft,
Und schwingt sie mit der letzten Kraft,
Sie fliegt durch blaue Äthersbahn
Hell sausend durch die Luft hinan;
Jetzt ist sie nur ein Punkt zu sehn,
Jetzt kann kein Blick sie mehr erspähn. –

Die Harfe schwand dem Auge kaum,
Da sieht der Greis im blauen Raum
Ein mildes Rosenwölkchen glühn,
Das neigt sich sanft zur Erde hin.
Und siehe da! inmitten glänzt
Die blanke Harfe frisch bekränzt,
Und durch die Saiten leis und lind
Weht klagevoll der Abendwind.

Der Alte doch, mit kaltem Blut,
Schürt nun empor der Flammen Glut,
Und faßt und wirft mit fester Hand
Die Harfe in des Feuers Brand. –
Es zischt empor und flackert wild,
Doch aus dem Saitenspiele quillt
Es löschend in der Flammen Schoß;
Es löst sich jede Träne los,
Die auf die Harf' er je geweint,
Und löscht und dämpft den glühen Feind.

Der Greis mit trotzig starrem Mut
Sieht nieder in die Meeresflut,
Und schleudert in des Wassers Grab
Die Harfe kalten Bluts hinab.
Es schäumt und braust der Wellenplan,
Sinkt höllentief, steigt himmelan;
Die Harfe doch schwimmt überm Meer,
Wie Amphitritens Kahn einher,
Und sanft ans weiche Ufergrün
Spielt kosend sie die Welle hin.

»Und wahrt dich nicht des Feuers Glut,
Der Himmel nicht, nicht Meeresflut,
So magst du denn im kühlen Schrein
Der Erde wohl geborgen sein;
Wo all die Lieben schlummernd ruhn,
Umfang' auch dich die Ruhe nun. –«
Und in den Fels gräbt er ein Grab,
Versenkt die Harfe tief hinab,
Und wallt mit letztem Sonnenstrahl
Hinab ins stille Friedenstal.

Und als die Lerche wieder schlägt,
Die Flur ihr grünes Brautkleid trägt,
Und alles sprießt und alles keimt,
Und froh die Lebensquelle schäumt,
Vom ersten Lenztag hell umglüht,
Von tausend Veilchen hold umblüht,
Begrüßt vom muntern Waldeschor, –
Da klimmt zum schroffen Fels empor
Mit festem Schritt der Sängersmann.
Und als er kam den Fels hinan,
Da war rings alles Lenz und Lust,
Lenz ward es auch in seiner Brust;
Und sieh! – vom Frühlingsstrahl umglüht,
Stand auf dem Erdengrab erblüht,
Die Harfe da, im blanken Glanz,
Geschmückt mit frischem Lorbeerkranz.
Die Saiten wehn so ernst, so rein,
Als griff ein Geisterfinger drein.

Da blickt der Greis so tränenklar,
Der Fels wird ihm zum Dankaltar,
Er faßt die Harfe innig an,
Und singt, und singt zu Gott hinan,
Singt von beglückter Friedensflur,
Von Liebe, Lenz und von Natur,
Und singet fort in süßem Drang,
Und all sein Leben wird Gesang,
Und manchen Jüngling hebt sein Lied,
Und manchen Greis verjüngt sein Lied,
Und mancher sinkt in sel'ger Lust
Dem Sänger an die Freundesbrust.

 


 


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