Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Lied vom Entsatze Wiens.

Volkslied aus Krain.

        Vor Wien sich soviel Kriegsvolk legt,
Daß kaum die Erde noch es trägt.

Der böse Türke schrieb nach Wien
Wohl an des Kaisers Majestät!
Wollt ihr euch schlagen, euch ergeben?
Wollt ihr die Schlüssel Wiens mir geben?

»Gib uns nur vierzehn Tage Zeit!«
Der Kaiser sendet Briefe weit
Doch nirgends ist uns Hilf' bereit!

Der böse Türke schrieb nach Wien
Wohl an des Kaisers Majestät:
Wollt ihr euch schlagen, euch ergeben?
Wollt ihr die Schlüssel Wiens mir geben?

»Gib uns nur noch drei Tage Zeit!«
Doch Hilf' ist nirgends uns bereit!

Der böse Türke schrieb nach Wien
Wohl an des Kaisers Majestät:
Wollt ihr euch schlagen, euch ergeben?
Wollt ihr die Schlüssel Wiens mir geben?

»Gib uns noch Zeit der Stunden drei,
Bis unsre heilige Meß vorbei!«

Mich dauert schon das Kriegsvolk sehr,
Da keiner trank und keiner aß,
Zwei Wochen nicht am Boden saß!

Zusammen läutet's in dem Dom
Beim lieben heil'gen Stephan jetzt,
Zur Kirche gehn die Wiener all,
Und selbst des Kaisers Majestät.
O läutet nur und musiziert
Daß man nicht hören Weiberklag
Und kleiner Kinder Weinen mag!

Zum Volke kehrt sich beim Altar
Der Priester bei der Wandlung dar:
»Ihr Wiener bangt vor keinem Leid,
Maria steht im Wolkenkleid,
Den bösen Türken jagt sie hin
Und läßt ihn nicht herein nach Wien!«

Da rückt der Polenkönig an,
Da rückt der Bayerfürst heran
Und noch viel anders Kriegsvolk dann,
Die hieben so gewaltig drein,
Die Donau gab blutroten Schein,
Lob soll und Dank dem Ew'gen sein,
Preis sei Jungfrau Maria dir,
Daß du uns kamst zu Hilfe hier,
Daß ungestört in Wien fortan
Ich bei der Liebsten schlafen kann.

 


 


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