Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Heinrich Frauenlob.

              In Mainz ist's öd und stille, die Straßen wüst und leer,
Nur Schmerzgestalten ziehen im Trau'rgewand umher,
Nur Glockentöne schwirren gar bange durch die Luft,
Nur eine Straße füllt sich, und die führt in die Gruft.

Und wie der Ruf vom Turme verklingt in leisem Flug,
Da naht dem heil'gen Dome ein stiller, ernster Zug,
Viel Männer, Greis' und Kinder, der Frauen holde Zahl
Jedwed' im Auge Tränen, im Busen herbe Qual.

Sechs Jungfraun in der Mitte, die tragen Sarg und Bahr'
Und nahn mit dumpfem Liede dem reichen Hochaltar.
Der gibt statt Heil'genbilder der Menschheit Wappen kund:
Ein weißes Kreuz ganz einfach auf rabenschwarzem Grund.

Auf schwarzem Sargtuch ruhet ein frisches Lorbeerreis,
Die grüne Sängerkrone, der hohen Lieder Preis,
Und eine goldne Harfe, die lispelt leis und lind,
Die Saiten beben trauernd, durchweht von Abendwind.

Wer ruht wohl in dem Sarge, von Todeshand erfaßt?
Starb euch ein lieber König, daß alt und jung erblaßt?
Ein König wohl der Lieder, der Frauenlob genannt,
Ihn ehrt noch in dem Grabe das deutsche Vaterland.

Der schönsten Himmelsblume, die mild auf Erden blüht,
Dem holden Preis der Frauen klang einst sein heilig Lied.
Drum, ist auch welk die Hülle und kalt der Sängersmann,
Sie lohnen doch, was Liebes der Lebende getan.

Und selbst das hohle Auge der schwarzen Mitternacht
Sieht weinend manches Mädchen, das noch am Sarge wacht,
Sei klanglos auch die Harfe, von Trauerflor umhüllt,
Es klingen doch die Lieder, es lebt des Sängers Bild.

Drum auf! ihr deutschen Sänger, die Harfen frisch gestimmt!
Bevor der Lenz verblühet, bevor der Tag verglimmt.
Und liebt ihr süße Minne, liebt ihr manch Lorbeerreis,
Singt Schönheit und singt Tugend, singt deutscher Frauen Preis!

 


 


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