Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Frist.

          Durch der Schöpfung bunte Fluren
Schweifte funkelnd einst mein Blick,
Nur noch einen zu erspähen,
Der mir gleich an Lust und Glück,
Als ich, Holde, dich gefunden,
Deren Herz, so nah verwandt,
Deren Blicke ew'gen Frieden
Mir ins wunde Herz gebannt.

Einem Spiegel der Gestirne,
Ewig heitrem Sphärenklang,
Muntrem Liede, das im Haine
Nachtigall und Lerche sang,
Einem Abbild alles Klaren,
Alles Frohen, glich mein Herz,
Nur nicht einem Menschenherzen,
Dem so nahe Gram und Schmerz.

So wie zwischen Mond und Erde,
Wenn er leuchtend sie begrüßt,
Finster sich die Wolke dehnet,
Und sein schwärmend Aug' verschließt,
So wird zwischen unser Bündnis,
Das versiegelt Herz und Mund,
Herzlos sich ein Fremder drängen,
Und zernichtet ist der Bund!

Aber bis die Zeit mag kommen,
Die uns trennt mit kräft'gem Arm,
Halten wir uns fest umschlungen,
Wie bisher so treu und warm:
Wie zwei junge Schwesterrosen,
Wenn der Sturm die Saaten pflückt,
Wild und schirmend sich umschlingen,
Bis der Nord auch sie zerknickt.

Und der Rettung letztes Werkzeug
Sei willkommen und genug;
Wie der Schiffer, dem die Windsbraut
Kahn und Habe wild zerschlug,
An dem letzten, letzten Balken
Mit der wunden Hand noch hält,
Bis die Wog' am spitzen Riffe
Ihm sein glühend Hirn zerschellt!

 


 


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