Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

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Im Herzogsschlosse.

(Aus einem größern Gedichte.)

                Unter goldnem Sonnendache,
Das der Frühling ausgespannt,
Waldumrauscht und duftumfächelt
Ruht Tirol, das gute Land.

Fröhlich blühe, freudig schaffe,
Was da blühn und schaffen mag!
Also tönt des Frühlings Mahnen
Leis und laut in Hof und Hag.

Ängstlich fragend taucht die Primel
Schüchtern aus dem Riesenbord;
»Fürchte nichts!« sagt ihr der Lenzhauch,
»Nur heraus! ich halte Wort.«

An die Bergwand pocht der Hutmann,
Glimmernd blinkt des Erzes Hort:
»Nur herein!« antwortet's innen,
»Mühn bringt Lohn! ich halte Wort.«

Von der frisch ergrünten Alpe
Rauscht geschmolzner Winter fort,
Speis' und Trank zeigt sie dem Sennen:
»Nur herauf; ich halte Wort.«

Das vom Mund gesparte Körnlein
Zaghaft sät's der Baumann dort;
»Mir vertrau' es!« spricht die Scholle,
»Nur hinab! ich halte Wort.«

Saat und Ernte, Tun und Hoffen
Trau' und bau' auf eines nur:
Im Gesell lebt die Verheißung,
Und ihr Wort hält die Natur. – –

Hoch zu Berg ragt dort die Feste,
Schloß Tirol, ein Brief von Stein:
»Nur wer mich nach Recht gewonnen,
Kann des Landes Herrscher sein.«

Von der Burg weht Habsburgs Banner,
Herzog Friedrich waltet drin,
Sonngebräunt die Jünglingswange,
Kampfgestählt den Jugendsinn.

Seltne Waffen birgt die Halle,
Zierat auch geformt von Kunst;
Silber, Gold, gemünzt, in Barren,
Häuft um ihn des Glückes Gunst.

Flüchtig eilt des Herzogs Auge
Über den metallnen Tand;
Lange doch im Schaun' und Sinnen
Ruht es auf dem teuren Land.

Tief im Tale rauscht der Eisack,
Tobt und schäumt mit wildem Braus;
Doch wo Fels und Berg sich stemmen,
Weicht er hübsch im Bogen aus.

»Ei, ihr Ritter und Prälaten,
Seht hier mein und euer Bild:
An den Härtern wollt geraten,
Ihr auch werdet weich und mild.

Laß, Natur, von dir mich lernen,
Ew'ge Lenkerin der Welt,
Daß man mir, wie dir, vertraue,
Die Gesetze gibt und hält.

In dem Gleichmaß deines Waltens
Leuchtet Pfad und Ziel der Pflicht.
Reift der Hoffnung goldne Ernte,
Harrt des Frevels sein Gericht.

Stolze Tannen, schlichte Gräser,
Wenn dein weißer Flaum sie deckt,
Wissen, daß dein Lenz mit Liedern
Sie zur rechten Stunde weckt.

Wolkenzüge, Sternenzüge,
Blätter und Lawinenfall,
In dem Banne deiner Satzung
Willig ruht und kreist das All.

Selbst der Blitz, der trunkne Wilde,
Züngelt nur durch ihr Geleis:
Selbst der Freiheit Bild, der Adler,
Schwingt sich nur in ihrem Kreis.« – –

Auf dem mächt'gen Marmortische
Liegt's von Schriften dicht gedrängt,
Bücher viel, auch Pergamente,
Dran die Silberkapsel hängt.

Eines nach dem andern prüfend
Nahm der Herzog sie zur Hand,
Allzuerst die mächt'ge Rolle,
Drauf der Schweizer Wappen stand.

Einer Wolke finstrer Schatten
Um des Fürsten Antlitz floß,
Sempachs dacht' er und des Vaters,
Auch des eignen Kampfs am Stoß.

»Daß sie Frieden wollen halten,
Wir und sie durch fünfzig Jahr,
Hier verbrieft steht's und besiegelt;
Schweizerwort, o werde wahr!«

Ihrem Schirm und Landesherren
Huld'gen Brixen und Trient;
Ei, wer in den Bischofsschnörkeln,
Nicht das »Wenn und Aber« kennt!

Auch der mächt'ge Rottenburger
Schwört Urfehde tief gebückt:
Auf das Blatt hat er als Petschaft
Seines Schwertes Knauf gedrückt.

»Habt geklirrt mit Schwert und Zunge,
Habt mit Stich und Schlich gekämpft;
Traft doch einen, der den Hochmut
Trotziger Vasallen dämpft!«

Hier, von Fürstenhand bekräftigt,
Winkt der Freibrief von Tirol,
Schutz und Huld gelobt der Herzog,
Landesrecht und Landeswohl.

Landgemein' und Ritter fügten
Ihr Sigill an den Vertrag,
Maßen ihm solch Maß von Treue,
Wie er Freiheit messen mag.

An das Fenster tritt Herr Friedrich,
Blickt zu Berg und Tal in Rund,
Mächt'ge Tannen sieht er ragen,
Doch auch ärmlich Moos am Grund;

Sieht mit Fracht den Säumer fahren
Und zur Jagd den Junker ziehn,
Sieht im Korn den Baumann schreiten,
Und zu Berg den Sennen fliehn.

Fern den Kirchturm und das Widdum,
Hier die Stadt, die Weiber dort,
Felsenhöhn, dran Burgen kleben:
»Traun, euch allen halt' ich Wort!«

Mit dem steinbeschwerten Dache
Einsam und verfallen liegt
Vor dem Fenster eine Hütte,
An den Burgfels angeschmiegt.

Zwei Gespenster. Armut, Arbeit,
Wohnen in dem Haus allein;
schweigend sitzt die Schar von Sorgen,
Ihr Gesind, am Schwellenrain.

Aus dem Schornstein steigt es spärlich,
Als ein schwacher Lebenshauch;
Wie ein schmaler dünner Faden
Ringelt sich empor der Rauch,

Wie ein großes Fragezeichen,
Das bis in den Himmel ragt
Und vielleicht für diese Hütte
Auch um ihren Freibrief fragt.

Auf dem dunklen Wolkengrunde
Liest der Fürst die Frage dort,
Doch sein Herz gibt schnell die Antwort:
»Wahrlich, dir auch halt' ich Wort!«

 


 


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