Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. XXVI.

Continuation voriger Materi, und anderer dergleichen Sachen mehr.

ES sündigt aber einer / so sich der Festigkeit bedient / vielfaltiger als er selbsten vermeynet / dann erstlich wird er abtrünnig von seinem Schöpffer und Himmlischen Vatter / der ihn doch biß dahin so getreulich bewahret / und noch fürterhin behüten / ja gar in das Himmlische Vatterland bringen will; Zum Zweyten / gibt er sich in Bündnus und Schutz (ach der elenden Wahl! wann man den laidigen Teufel höher als Gott hält) beydes Gottes / und seines eygenen allerärgsten Feinds; Drittens wird der Teufel hierdurch gleichsam angebetet / und ihm die Ehr eines Beschützers gegeben / die allein dem gütigen Gott gebührt; Vierdtens wird solche allein Gott gebührende Ehr / ohn dessen Willen Himmel und Erden kein Augenblick bestehen möchte / Gott abgestohlen und dem Teufel gegeben / als welcher Gott vorgezogen / und als ein Erhalter (der doch in Warheit ein Verderber ist) geehret wird; Fünfftens wird dardurch die aller-erschröcklichste Abgötterey begangen / so die Heyden jemals verübet / welche Sünd die allergröste / und von GOtt am mehristen gehasset wird; Sechstens sündigt ein Mensch hier wider das Gesetz der Natur / als welcher seinem Neben-Menschen thut / welches er nicht wolte / daß es ihm von andern widerfahren solte; Wann er nemlich durch deß Teufels Hülff so hart als Eysen von seinem Gegentheil / er sey auch so dapffer als er immer wolle / nicht beschädigt werden mag / sondern hingegen zum siebenden ihm / als der seine Haut bey ihrer natürlichen Art gelassen / das Leben ärger als ein Meuchelmörder abstilet; Achtens ist ein solcher Mensch / wann keine rechtschaffene Bekehrung folgt / eygentlich ewiglich verloren / wie dann die jenige / so die obengedachte Passauer Kunst brauchen / selbst sagen / daß einer deß Teufels sey / der in 24. Stunden umbkomme / nachdem er einen solchen Passauer Zettel gefressen; wie es aber mit der Passauer Kunst beschaffen / also hat es auch eine Bewandnus mit andern Festigkeiten / dann wann eine gut ist / so seynd sie alle gut / und wollen sich die jenige / so Gembsen Wurtzel brauchen / oder die / welche ich weiß nicht was / mit sich auß Mutterleib auff die Welt gebracht haben / und dannenhero fest seynd / gar nicht träumen lassen / daß sie eine natürliche / und derohalben auch eine gerechte Sach haben / dann sie wissen leyder gar nicht / mit was vor Conditionen und Aberglauben die Gembsen-Wurtzeln zu wegen gebracht / noch mit was vor Pacten und Bedingungen bey den Geburten der Kinder ihre Häublein / so sie mit auff die Welt bringen / von irgends etlichen alten Weibern zu der Festigkeit employret werden; Es wären noch viel Ubel beyzubringen / in denen sich der Mensch vertiefft / wann er sich fest macht / aber mein Sohn / lasse dirs genug seyn / wann du weist / daß du das Ewig Gut dardurch verliehrest / welches der allergröste Schad ist / der einem Menschen wiederfahren mag; Allein ist diß noch zu mercken daß rechtschaffene ehrliche und dapffere Leut / beydes unter den Soldaten und Burgern nichts auff solche halten die sich fest machen / dann / sagen sie / wann es keine forchtsame feyge Tropffen wären / welche Gattung Leut sonst Hundsfütter mit Gunst genannt werden / so würden sie sich mit keiner solchen Schelmen-Haut zu überziehen begehren.

Diß sey also von der Festigkeit genug geredet / darbey mir jetzo zufällt / daß ich mir erzehlen lassen / es habe ein forchtsame Meme einen andern Kerl angesprochen / er wolte ihm doch einen Zettel vor die Festigkeit zukommen lassen / dieser bewilligts / und schreibt nichts anders / als dreymal / wehr dich Hundsf. / wickelts zusammen / und gibts jenem in seine Kleider zu vernähen / worauff er sich eingebildet / er seye fest / und ist in allen Occasionen dermassen Hertzhafft unter die Waffen gangen / als ob er blind / und ein gantz Hürnener Seyfried gewesen wäre / ist auch jedesmal unbeschädigt darvon kommen / welches mich an jene alte Histori gemahnt / daß ein Weib von einem Landfahrer einen Zettel vor das Augenweh empfangen / den sie an Hals gehenckt / und dardurch deß Augenwehs befreyt worden / demnach es aber ihr Beicht-Vatter erfahren / und solches als ein aberglaubische Sach nicht gestatten wollen / sondern ihr den Zettel abgefordert und eröffnet / hat er nichts anders darinn gefunden als diß: Der Teuffel grabe dir die Augen auß / und s. h. scheiß dir in die Löcher.

Diß waren zwar nur lächerliche Sachen / und kurtzweilige Possen / wann nur der Aberglaub nicht darbey gewest wäre; Aber mein Sohn / was vermeynestu wol / daß die jenige unbekandte und unverständliche Wort vor einen Jnhalt haben / deren du dich gebraucht / wann du Reuter ins Feld gemacht / oder besser zu sagen / so viel tausend Teufel daher gebannet hast? Solten sie wol eines andern Verstands gewesen seyn / als daß sie dich dem leidigen Teufel obligirt und verbunden / umb willen er mit einer Legion mehr oder weniger böser Geister so willig sich eingestellt / und dir gedienet? Nein warhafftig / der Teufel thut nichts umbsonst / es ist gefährlich mit den Juden zu handeln / wann sie miteinander anfahen zu Hebræeln / wie viel mit dem leidigen Teufel / wann man mit ihm in einer unverständlichen Sprach contrahirt; die doch niemahl ohne Betrug gefunden wird / wann er deutlich und verständlich genug redet / eben also wird es auch mit denen Worten beschaffen seyn / die du gebrauchet / wann du andern ihre Rohr zugebannet / oder ihnen ihre Festigkeit auffgethan hast.

Als der Pater solches gesagt / pausirte er ein wenig / und sahe mich an / als einen Elenden / mit dem man ein grosses Mitleiden und Erbärmnus trägt / welches mich dermassen ins Hertz schnitte / daß ich dort sasse wie ein geschnitzt Bild / und vor Reu und Leyd-Wesen gleichsam in mir selbst erstarb / doch erholte ich mich umb so viel / daß ich sagen konte / nun erkenne ich erst recht die Grösse und Manigfaltigkeit meiner schweren Sünden / so ich zuvor nicht verstanden; Mein Kind / antwortet darauff der Pater, es wäre aber deine Schuldigkeit gewesen / daß du solches wissen und verstehen hättest sollen / dann zu solchem Ende hat uns der getreue Himmlische Vatter seinen Göttlichen und Allerheiligsten Willen offenbahret / auff daß wir denselben erkennen / sich nach demselben richten / unsern eygenen verkehrten Willen brechen / und selbigen dem seinigen gleichförmig machen / und also dardurch erlangen sollen / was uns der Erlöser am H. Creutz erworben; Hierzu hat uns Gott den Verstand gegeben / daß wir seinen Willen gar wol fassen und begreiffen können / und nicht darumb / daß wir solchen auff Aberglauben oder etwas anders / das dem Göttlichen Willen entgegen laufft / mißbrauchen / sondern zu seinem ewigen Lob / und Erhaltung unserer Seligkeit anlegen sollen; Hierzu hat uns auch der gütige Vatter die Gedächtnus gegeben / damit / wann wir einmal unserer Schuldigkeit nach den allerheiligsten Willen Gottes durch unsern Verstand erkand und gefast haben / wir solchen / und was weiters zum Lob Gottes / und Erhaltung unserer Seligkeit gehöret / in unser Gedächtnus legen / solches jederzeit fleissig betrachten / und nimmermehr vergessen sollen.

Jch antwortet / mein Herr Pater glaube sicherlich / daß ich nicht auß Vorsatz meine liederliche Künste ins künfftig noch ferner zu treiben / die Kunst der Unsichtbarkeit / und anders mehr nicht ausgehändigt und cassirt, sondern auß Schamhafftigkeit / die mich niemal so kühn seyn lassen / mit dem Herrn Pater hiervon zu reden; Mein Sohn / antwortet der Pater, solche Schamhafftigkeit rühret abermahl auß List und Vormahlung deß leidigen Sathans her / als der darauff umbgehet / daß du solche Sachen so lang bey dir behalten soltest / biß du künfftig auff sein alsdaniges ferneres Anreitzen dich wiederumb damit versündigst / und vielleicht Schwerlicher als zuvor / damit er dich endlich in seine Klauen kriege / du hast bereits mit Schaden deß Leibs / und grosser Gefahr der Seelen und ihres ewigen Heyls erfahren / wohin dich der Teufel durch diese heyllose Künste verleitet / hast auch Handgreifflich genug hingegen verstanden / daß dich damals allein die unergründliche Güte Gottes (unangesehen du ein anders verdienet und werth gewest wärest) beydes vor zeitlich und ewigem Verderben bewahret / ja dich wiederumb zur Buß / und also zu dem Himmlischen Vatterland von neuem beruffen / bistu nun klug / und wilst dich nicht selbst muthwillig in die Höll stürtzen / so wirstu leicht gedencken können / was du zu thun hast.

Hierauff legte ich ohne Verzug meinen Kram auß / nemlich allerhand Zettel vor die Festigkeit / und anders mit Caracteren und unbekannten Wörtern / auch zum theil mit Fledermäuß-Blut beschrieben / sonderlich die jenige / welche man mit einer Hand voll Heckerling / oder geschnitten Stroh in eine Pistol ladet / und hinder sich hinauß scheust / davon sich so viel Reuter ins Feld stellen / als deß Hexels oder geschnittenen Strohes gewesen; der Pater würdigt keinen einzigen zu lesen / sondern (dieweil wir eben beysammen vor einem Kamin sassen) warff sie miteinander ins Feuer / worauff sich ein solches Knallen im Feuer hören liesse / als ob über 300. Musquetierer eine Salve geben hätten / das Feuer ergrösserte sich auch einsmals so erschröcklich / und schlug dermassen zum Kamin herauß / daß wir sorgten / das Zimmer möchte angehen / und uns mit verbrennen / es wärete aber gar nicht lang / dann nachdem es uns kaum erschröckt hatte / höreten und sahen wir nichts mehr / aber gleichwol wolte der Pater das Genist auß dem Ameyshauffen / so unsichtbar machte / deßwegen nicht auch ins Feuer werffen / auß Sorg / es möchte uns ein ärgers widerfahren / sondern er sagte / ich solte es verpitschieren / und ihme zustellen / biß er ihm ohne Gefahr einen andern Todt anthun könte / welches ich dann gern thät.

Jndessen sahe der Pater mein ängstiges Gemüth / und daß ich mich gern und von Hertzen meiner verdampten Künste abgethan / derowegen fieng er an mich widerumb zu trösten / und sagte / daß er mich nun gern in seiner Gesellschafft leiden wolte / biß ich Gelegenheit hätte / wieder sicher nacher Hauß zu kommen / mich treulich vermahnend / daß ich nächstens wiederumb beichten / und vor Gott mein Hertz wie Wasser außschütten solte / nicht wie Wein / da der Geruch / nicht wie Milch / da die Farb / nicht wie Oel / da etwas Fettigkeit / auch nicht wie Honig / da noch der Geschmack im Geschirr übrig bleibe; dann GOtt wolle uns gantz haben / und wo noch im geringsten etwas übrig / daß der leidige Feind einen Zutritt haben / und seine Klauen wieder ansetzen könte / seye es gefährlich umb den Menschen bestellt.

Jch versprach ihm gehorsamlich zu folgen / und mein Leben zur Besserung / gleichsam gantz in einem andern Modell zugiessen / mit demüthiger Dancksagung / daß er sich meiner so getreulich angenommen / und mich durch GOttes Gnad zu meiner selbst-Erkandtnus gebracht hätte; Er antwortet / was er gethan / das wäre seine Schuldigkeit / und wann ich im guten Vorsatz beharren / und mein Leben bessern würde / also / daß ich die Seeligkeit erlangte / so zweifele er nicht / Gott würde ihn belohnen / ich solte nur deßwegen content seyn / und den Gehorsam und die Demuth auff Gottes Willen richten.

Hernach fieng ich an zu lamentiren und zu klagen / daß in der gantzen Christen-Welt so viel dergleichen Sachen / wie ich getrieben / im Schwang giengen / da theils Wort und Werck / die man darzu brauche / greulich und erschröcklich / theils gantz Aberglaubisch und Närrisch / theils aber gantz lächerlich / und jedoch alle Verdammlich wären / als da seyen die grausame Beschwerungen und Verbündnussen mit dem Teufel selbst / die Närrische und Aberglaubische Ceremonien, und die lächerliche Segensprechungen / deren jedes Stück / auch das geringste / wie es wider den Göttlichen Willen lauffe / von Gott ab / und gegen der Höllen zuführe; was die alte Bettler und Bettlerinnen / item die Ziegeuner vor Künste treiben / und andere lehren / sey bekand / und die Bauren hätten Segen / Künste und abergläubische Observationes, die sie brauchten / daß ihnen nichts gestolen / die Pferd nicht bezaubert / die Kühe von den Unholden nicht außgemolcken werden könten / und was dergleichen Sachen mehr seyen; da wisten theils die Wantzen oder Wändel in ein ander Hauß zu bannen / andere die Raupen / Erdflöhe / Kefern / und andere Ungeziffer zu vertreiben / andere Schlangen zu beschweren / und aber andere auch andere solcher Künste / etliche könten den Mäusen daß sie nichts zernagen / etliche den Hunden / daß sie keine Hasen fangen können / die Mäuler zu bannen / ja es wäre schier kein Geschöpff oder insect, damit nicht verbottene Künste getrieben werden / massen solcher abergläubischen Possen Prætorius ein gantzen Hauffen zusammen gebracht / und in seinem Glück-Hafen / auch anderswo mehr der Welt in offenem Druck vor Augen gelegt / worbey zu bejammern sey / daß solche verkehrte Leut am mehristen die heilige Zeiten / ohn Zweifel auß sonderm Anstifften deß leidigen Teufels mißbrauchten / als den H. Car-Freytag / an welchem nicht allein die Schmid ihre Krampff-Ring gantz nackend auß einer Galgen-Ketten schmideten / sondern wol noch andere abscheuliche Sachen getrieben würden / darvon unnöthig zu hören / und erschröcklich zu hören; Jtem die Walburgs-Nacht / und auff Philippi und Jacobi Tag / da die Bauren durch ihre Künste ihr Vieh vor Zauberey vors gantze Jahr bewahren wollen / aber nicht wissen / daß sie alsdann selbst Zauberey treiben; die Johannes-Nacht / in welcher theils verruchte Leut den Farnsamen vom Teufel empfangen / und andere böse Stück mehr üben / offt aber übel anlauffen / als wie die vorwitzige und gaile Weibsstücker / die in der Nacht St. Andreæ erfahren wollen / was sie vor Männer kriegen sollen; Endlich seye auch die heilige Weynacht-Zeit / in welcher uns das Heyl der Welt geboren worden / vor solchen Gottes-vergessenen Leuten nicht sicher.


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