Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

CAP. XIX.

Kuh und Kalb wird miteinander verstellt.

ALs ich auß dieser beyden Discours genugsam verstanden / daß Esther in Eraßmum / und dieser hinwiederumb in jene verliebt / zumalen beyde deß Willens gewesen / wann ich nicht mit meinem Banier darzwischen kommen wäre / miteinander sich trauen zu lassen / und folgends durchzugehen / zuvor aber dem Eliezer etwas zur Zehrung mitzunehmen / da begunte mich zu reuen / daß ich dem guten Eraßmo den Raum abgehoben: Durch meine Unzucht so wol der Esther als der Josannæ Bekehrung verhindert / und Eraßmum selbst nicht wenig geärgert / die Juden hingegen aber in ihrem unsinnigen hoffen und harren gestärckt hatte / gedachte derowegen gleich / solches alles wieder einzubringen / wiewol ich dem ehrlichen Eraßmo der Esther Jungfrauschafft nicht wieder restituiren konte / als vor welche er meine junge Tochter zu eygen haben solte; Jch tratte unsichtbarer Weis mit auß dem Zimmer / als Josanna hinweg gieng / kehret aber gleich sichtbarlicher Gestalt wieder umb / kam zum Eraßmo / und stellete mich allerdings / als wann ich sonst nirgends herkommen wäre / und ob wäre mir Josanna unden im Hauß begegnet / fragende / was das vor ein Weib sey / so bey ihm gewesen / und was sie da zu verrichten gehabt / Eraßmus war so ehrlich und offenhertzig / daß er mir nicht allein ihren gantzen Discurs erzehlte / sondern noch darzu sagte / daß er und Esther lange Zeit heimliche Lieb zusammen getragen / einander aber deßwegen niemal Mündlich besprochen / viel weniger berührt hätten sondern Josanna wäre ihr Mercurius, zuvor aber von Jugend auff der Esther Hofmeisterin gewesen / welche sie nicht allein alle Frauen-Zimmer-Arbeit / als nähen / stricken / würcken / sticken und dergleichen / sondern auch Teutsch lesen und schreiben gelernet / in welcher Zeit ihnen Christliche Bücher unter die Hände kommen / worauß beyde einen solchen Lust zur Christlichen Religion geschöpfft / daß sie sich resolvirt / dieselbe anzunehmen / und sich tauffen zu lassen / es hätte ihnen aber an Leuten gemanglet / die ihnen mit Rath und That an die Hand gangen / solches ihr heylsam Vorhaben ins Werck zu setzen / biß er Eraßmus selbst von den Juden zu den Christen getretten / da sie dann nicht allein das Hertz gefaßt / ihm / was sie im Sinn hätten / zu vertrauen / sondern es hätte auch die Esther auß sonderbarem guten Vertrauen / welches sie zu ihme Eraßmo gefaßt / weil er selbst auch ein Christ worden / ihme durch die Josanna die Versicherung thun lassen / ihne zu heurathen / so fern er auff Mittel und Weg bedacht wäre / daß sie heimlich miteinander ihrem Vatter (der anderer Gestalt durch sein vieles Gelt / der sonst alles damit zu wegen bringen könte / ihr Vorhaben verhindern würde) sicherlich / und zwar heimlich entrinnen möchten / worauff sie miteinander beschlossen / daß sie alle drey mit der nächsten Flott / so nacher Batavia in Ost-Jndien abseglen würde / durchgehen wolten / worzu sich dann die Esther jederzeit mit einem guten stück Gelt / und vielen Klenodien / zu Behuff solcher ihrer vorhabenden Räis gefast gehalten; Interim aber habe ihm Elias das Brot / oder vielmehr das köstlich stück Fleisch vorm Maul abgeschnitten / und damit zugleich der Esther den Lust zur Christlichen Religion verderbt / als die sich nunmehr eine Mutter deß Jüdischen Messiæ / und dannenhero gar groß zu seyn beduncke / so seye ihm auch von einigen seinen alten Cameraden gesagt worden / daß sie gleichsam wie eine Göttin in Ehren gehalten / und ihr Kind bey nahe Königlich verpflegt und aufferzogen werde / so / daß er sie zu bekommen / oder daß sie sich noch bekehren werde / keine Hoffnung mehr zu machen.

Hierauff fragte ich ihn / ob er noch willens wäre / wann sich Esther bekehrte / und ein gut stück Gelt zu ihrer Außsteurung vorhanden / sie und ihr Kind zu nehmen? Er antwortet / ich habe sie mein Tage nicht gesehen / sintemal sie jederzeit vor den Manns-Bildern / wie die Kunstreiche Gemähld vorm Staub und Rauch bewahrt worden / wie kan ich dann eine Katz im Sack kauffen? Zweytens müste ich sorgen / wann ich sie hätte / das Gedächtnus an ihren Eliam möchte mehr Platz und Liebe in ihrem Gemüth haben / als meine Person; Drittens möchte es vielleicht ein schlecht Geblüt in stehender Ehe setzen / wann man sich beyder / oder nur einer Seits erinnert / daß ein anderer die erste und beste Blumen gepflückt; viertens wirds schwer fallen / eines andern Pflantzen gleich den seinigen zu warten; fünfftens wirds mißlich stehen / daß sich deß Jüdischen Messiæ leibliche Mutter zum Christenthumb verstehen werde / und schließlichen / wie wolte ich mit meiner Braut und ihrer Leibesfrucht / darauff sich nunmehr die Hoffnung der Erlösung deß gantzen Jüdischen Volcks steuret / den Nachstellungen Eliezers / dessen Gelt aller Orten mit Gewalt durchtringt / entfliehen können? bedunckt mich demnach gefährlich zu seyn / hierauff sich so geschwind zu resolviren / es sey dann Sach / daß ein geschickter Kopff durch seine kluge Erfindungen mir solche gefährliche Verhinderungen / die ich förchte / vorsichtig auß dem Weg zu raumen wisse / über das möchte ich wol wissen / was das vor einer seyn müste / so der Esther / als einer abtrünnigen Jüdin Gelt (und wie viel dessen) zu ihrer Heimsteuer geben würde?

Mein Eraßme / sagte ich hingegen / ich will dir auf alle vorgebrachte Puncten antworten / du magst mir sie gleich im Ernst / oder wie es scheinet / im Schertz vorgetragen haben / erstlich zwar / daß du sie nicht gesehen / glaub ich mehr dann gern / dann wann du sie gesehen / und ihre Schönheit nur ein wenig betrachtet haben soltest / so würdestu wol wissen / daß du an ihr keine Katz im Sack angetroffen / ja du würdest alles / was du gefährliche Verhinderungen nennest / umb ihrentwillen / und sie zu erhalten / nur vor Kurtzweil und Kinderspiel schätzen / glaub mir sicherlich mein Eraßme / sie ist so beschaffen / daß sie / wann meine Gelegenheit zu heurathen wäre / dir nimmermehr an die Seite kommen solte / daß du Zweytens mit dem Elia eyfern wilst / darvor weiß ich schon ein vortreffliche Artzney / sintemal ich die Sach schon dahin zu vermittlen weiß / daß die Esther nichts anders wissen noch glauben soll / als du seyest selbst der Elias gewesen / der ihr die junge Tochter auffgesattelt / so fern du anderst das Kind lieben wirst können / so dir umb meinetwillen zu thun nicht schwer seyn wird; Was den dritten Puncten anbelangt / weil die Esther dich selbst vor den Rauber ihrer Jungfrauschafft halten wird / so wird das / was du in selbigem Puncten sorgest / leicht oder schwer zu machen / bey dir stehen; also auch ist es mit dem vierdten Punct beschaffen / wann sie nemlich glaubet / das Kind sey ihr und dein / du es aber umb meinet willen liebest; Fünfftens wird auch bey solcher Bewandnus der Esther hoffärtige Einbildung von selbst fallen / wann sie nemlich ohne allen Zweifel darvor hält / daß sie an statt deß Eliæ den Eraßmum in Armen gehabt / der sie auch an statt eines Mannlichen Messiæ nur mit einer Tochter begabt / welches genugsam bezeugt / daß sie betrogen worden / und solcher vorgeloffene Betrug wird sie wieder von neuem anfechten / das Judenthumb zu verlassen / und den Christlichen Glauben sampt ihrem Eraßmo anzunehmen; Sechstens lasse mich sorgen / wie mit dem Eliezer zu handlen sey / daß so wol du und die Esther / das Kind und Josanna in Sicherheit gebracht werden; betreffend aber deine Frag / wer ein stück Gelt / und wie viel dessen / zu der Esther Ehesteuer hergeben werde? Da wisse / daß ich derselbig Mann seyn will / dann gleich wie die Geburt / das Heyl ihrer Seligkeit zu beobachten / und sie zum Christlichen Glauben zu bringen / dieweil sie sich auff dich dißfalls verlassen / und dir allein solches vertraut / damit es Werckstellig gemacht werde / also ligt mir hingegen ob / weil ich sie betrogen / und ihr das Kind zugerichtet / ihren Leib sampt der jungen Frucht nach Müglichkeit mit Nahrung zu versorgen / hättest du aber gethan mein lieber Eraßme / was du zu thun wärest schuldig gewesen / worzu dich das gute Glück gelockt / und die Christliche Religion verbunden / nemlich / wann du mit der Esther Bekehrung geeylet / und auff die Göttliche Hülff und Vorsehung mehr gebauet / als auff die Flucht und zeitliche Wolfarth gesorget hättest / so wäre weder die gute fromme unschuldige Esther betrogen / noch ich an ihr zum Betrüger und falschen Eliæ worden / aber zu geschehenen Dingen muß man das beste reden / nach dem alten Sprüchwort:

Der ist weis und wol gelehrt /
Der alle Ding zum besten kehrt.

Weil es sich aber vor dißmal allein mit Worten nicht thun und ausrichten läst / so komme mit mir zu sehen / was ich euch beyden zur Ehesteuer / un daß mein Kind auch ehrlich und wol erzogen werde / an Gelt zusammen gezehlt habe.

Darauff nam ich Eraßmum mit mir in mein Losament und zeigte ihm die 10000 Ducaten / die ich auß Eliezers Gewölb gemauset hatte / und sagte / sehet mein Freund / diese geb ich der Esther und ihrer Tochter mit / wann euch nun ein solches Fleisch / welches an sich selbsten ein Außbund / und noch darzu so trefflich mit Gelt gewürtzt ist / nicht schmäckt / so will ich an statt eurer 10. andere vor einen finden / welche die Finger darnach lecken.

Eraßmus erstaunete entweder wegen meiner Freygebigkeit / oder weil er so viel baar Gelt auff einmal sein Tage nicht beysammen gesehen / und als er sich wieder erholet / schwur er mir / daß er die Esther / wann ich sie anders zu wegen bringen könte / ehelichen / und ihr Kind / wie sein eygen Fleisch und Blut halten und aufferziehen wolte / da ich nun diesen Eyd hinweg hatte / informirte ich ihn / wie er sich in den Handel schicken / und daß er die Josanna / der Esther ehemals gewesene vertraute Dienerin auff Morgen zu sich bescheiden solte / ich aber liesse mich noch denselben Abend in Eliezers / ja gar in der Esther Schlaffkammer sperren / wo sie sampt ihrem Kind / item einer alten Kindswarterin und dem Kindsmägdlein zu liegen pflag / welchem ich außwartete / biß sie alle entschlieffen / alsdann nam ich das Töchterlein (so wie eines Fürsten Kind in Decklachen und Wickelbinden von Gold / Perlen und Edelgesteinen überstickt / eingewunden war) mit mir darvon / und ob gleich Eliezers Behausung mit Schlossen so wol versorgt war / daß einem andern / als mir / ohnmöglich gewest wäre / hinauß zu kommen / so gab mir solches doch nichts zu schaffen / dann meine Springwurtzel öffnet mir den Weg allenthalben / und ich war so kühn überall / hinder mir wiederumb fein still und säuberlich zuzuschliessen.

Jch kam mit dem Kind glücklich in mein Losament / so / daß mich niemand weder gesehen / noch gehöret / und Eraßmus hatte indessen eine Seugamm bestellet / das Kind zu stillen / der dann mit Verlangen erwartete / biß Josanna ankam / derselben wiese er meine Tochter in der Fürstlichen Einbüschlung / und sagte zu ihr / liebe Freundin / hier sehet ihr zugleich euren Messias und meine Tochter / welche / wann sie gleich ein Mägdgen ist / sich beydes in der Christen und ihres leiblichen Vattern Gewalt befindet / nicht zwar / solche als einen Messiam umbzubringen / sondern sie tauffen / und in der Christlichen Religion auffziehen zu lassen / Esther mag gleich ihrem Eliæ / der aber vor dißmal Eraßmus heisset / darzu verhülfflich seyn oder nicht. Was sagt ihr darzu liebe Josanna? dörfft ihr noch wol hoffen / daß es sich schicken / und das Mägdgen mit der Zeit in ein Bübgen verwandelt werden solte; Jch möchte auch wol wissen / was Esther darzu sagt / wann sie ins künfftig unser Kind nicht als einen Messiam zu Jerusalem im Jüdischen Tempel sitzen / sondern als eine Christin in der Christlichen Kirchen ihr Andacht verrichten / und dem wahren Messiæ dienen sehen wird? Jch rathe euch / weil ihr sehet / daß es mit diesem euren Messiæ gefehlet / ihr wollet nunmehr euren hiebevor gefasten Vorsatz wieder ergreiffen / und mir je ehender je besser / in Annehmung der Christlichen Religion folgen / und wann meine Esther / die nicht vom Elia / sondern von mir diese Tochter geboren / gesehen haben wird / daß sie in ihrer Närrischen Meynung den Messiam zu gebären / betrogen worden / und alsdann / gleich wie ich gethan / den heiligen Tauff annehmen / und mich vor ihren Eliam zum Ehegemahl haben will / so mag sie innerhalb 24. Stunden zu mir kommen; Jndessen bitte ich / gehet zu ihr / sagt ihr diese meine Meynung / und bittet sie von meinetwegen / daß ich sie so artlich überlistet und betrogen / umb Verzeyhung / mit Vermeldung / daß mich die Liebe / so ich zu ihr getragen / nicht warten lassen / biß sie von selbsten auß ihres Vattern Hause zu mir kommen; Endlich gab Eraßmus der Josanna eben den jenigen Ring / den mir Esther zum Gedächtnus geben / als ich die letzte Nacht bey ihr geschlaffen (dann zu solchem Ende hatte ich ihm denselbigen zugestellt) mit Vermeldung / sie solte denselbigen der Esther bringen / dann bey diesem konte sie eygentlich abnehmen / daß er der Tochter wahrer Vatter sey / und so er selbst Mündlich mit ihr zu reden käme / wolte er ihr zu besserem Wahrzeichen auch das Gespräch erzehlen / so zwischen ihr und dem vermeynten Elia vergangen / als der Messias geschmidet worden.

Josanna hätte sich schier zum Narren verwundert / als sie beydes / das Kind und den Ring sahe / und Eraßmum so reden höret / nam auch die Bottschafft zu verrichten gern auff sich / und da sie in Eliezers Hause kam / war es eben an dem / daß die Juden die gute Esther wegen Verlust ihres Kinds getröstet / und sie beredet hatten / Elias hätte es ohn allen Zweiffel zu sich in das Paradeiß verzuckt / allwo es unter den Engeln aufferzogen / und mit Himmlischer Speise ernährt würde / biß es sein Alter erreicht / und das Werck der Erlösung Jsraels und Wieder-Einsetzung in das Jüdische Land verrichten könte / das muste nun von der Esther so wol als von allem Jüdischen Volck / so Nachricht von dieser wunderbarlichen Entzuckung kriegte / festiglich geglaubt seyn / sintemal man nicht spüren konte / daß einige Thür / einigs Fenster / einiger Laden oder einigs Schloß in und am gantzen Hause geöffnet worden; als aber Josanna der Esther den Ring brachte / und ihr erzehlte / was sie gehöret und gesehen / da verschwor sie den Jüdischen Glauben / und schämte sich / daß sie sich so äffen und betrügen lassen / da sie doch zuvor die Warheit der Christlichen Religion genugsam auß den Büchern erkundigt; Sie konte vor Ungedult der künfftigen Nacht kaum erwarten / in deren sie zu Eraßmo überzugehen entschlossen / sie packte so heimlich als es seyn konte / ihren Schatz von Gold und Klenodien zusammen / damit stahl sie sich hinweg auß ihres Vattern Hause / und kam mit der Josanna nach der Abend-Demmerung in mein Losament angestochen / da sie dann Eraßmus zu bewillkommen /und mit reden zu unterhalten wuste / wie ich ihn instruirt / und die Sach erfordert / so / daß sie ihr nimmermehr anders träumen lassen / als wäre er der angemaste Elias / und ihrer Tochter rechter Vater gewesen.


 << zurück weiter >>