Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. VI.

Wurst wieder Wurst / und der Magd ein Trinckgelt.

JCh hatte zwar dieselbe gantze Nacht kein Aug zugethan / und dannoch war ich eben so fertig in die Apotheck zu gehen / als die Beschliesserin / die ihren Theil geschlafen: dann der Apothecker war mir verwandt / und nur von meinetwegen meines Weibs Vetter / über das war er je und allweg mein vertrauter Hertzens-Freund / und von Jugend auff mein Schulgesell gewesen: so daß ich mich keines andern gegen ihm versehen konte / als daß er mir in diesem Handel / darinn ich seiner nicht wol entberen konte / mehr Treu als meinem Weib erweisen würde / welche ich vor dißmal mit seiner Hülff betrügen wolte / damahl sah ich die Beschliesserin nackend / als sie auffstund / und befande sie so anmutig / so schön! so liebreitzend und so wol proportionirlich formirt / daß ich den Fritzen nicht verdencken konte / daß er ihr sein Hertz geschenckt / aber ich gedachte ihm diß gute Bißgen drumb nicht so fett zukommen zu lassen / dann ich entschlosse mich / gleich meines Weibs Untreu / die sie zwar nur in Sinn genommen / an ihr würcklich zu revengiren / wann ich ihr thät / was mein Weib ihr vom Doctor thun zu lassen vor hätte / ob ich gleich besagtem meinem Weib sonst allweg treu verblieben / auch ihr solche Untreu zu erweisen / die Tag meines Lebens niemal in Sinn genommen:

Wer war aber anders schuldig dran als mein schönes Weib / die mich mit Vorzeigung dieser Schönheit gleichsam geludert / und ohne Zweiffel mit ihrem Ehebrecherischen Discurs, und eygenen würcklichen Beginnen dem guten Mägdgen auch lange Zähn gemacht. Jch gieng mit ihr auß meines Weibs Cabinet / und sahe sie mit Lust die Cappaunen abwürgen / mich darauff freuende / wie wir sie so lustig miteinander verzehren wolten / ehe sie nun der Köchin befahle / was sie darmit machen solte / und sich mutzte in die Apotheck zu gehen / da gieng ich ihr vor / und kam eben dahin / als die Apothecker-Gesellen die Apotheck geöffnet / und geschefftig waren / die Zierrathen auff den Laden zu setzen: Jch kame zwar unsichtbar in das Hauß / aber nachdem ich einen Winckel gesehen / allwo ich versichert war / daß mein Naßtüchel sampt der Unsichtbarkeit dort wol verwahrt ligen bleiben würde / legte ichs hin / liesse mich sehen / und fragte nach dem Haußherrn: der stack aber noch in den Federn biß über die Ohren.

Dieweil ich dann mehr Recht in diesem Ort wegen der Vertreulichkeit / in deren ich mit dem Apothecker stunde / mir anzumassen gewohnet war / als wann ich das Kind im Hauß gewest wäre: so weckte ich ihn auff / nam ihn in seine obere Stub / und erzehlet ihm alle Händel meines Weibs: nichts verschwiege ich ihm / als eintzig diß / daß ich mich unsichtbar machen könte: Ja ich vertrauet ihm auch meinen Anschlag / den ich vor hatte / mein Weib nicht allein mit Betrug artlich zu hintergehen / sondern ihr auch die Untreu / die sie mir zu beweisen sich vorgesetzt / mit einer andern zu bezahlen: das war nun eine gemähete Wiese vor ihn / dann er war ein solcher Compan, dems Hertz im Leibe lacht / wann er so etwas dergleichen anstellen solte helffen.

Das erste das er thät / war diß / daß er seinem Haußgesind gebot / meine Gegenwart zu verhölen / hernach liesse er Mandlen zum Marzapan zurichten / den mein Weib bestellen würde / Bißquid / Macronen / Nürnberger Lebkuchen / und deß Dings hatte er ohne das genug im Vorrath: doch machte er meinem Weib ein dutzet Macronen zu Gefallen / ihr solche im Kauff zu verehren / die er trefflich mit Pley-Zucker vermischte / so ihren hitzigen Nieren zur Kühlung taugen solte: Es muste alles in der Apotheck arbeiten / damit ja mein Weibgen nicht verhindert würde / uns mit einem guten Schlamp zu verehren: den Marzapan zierte er überall mit flammenden Hertzen / und einem Pfeil dardurch / mit Hand-Treuen und dergleichen Phantastereyen / so die Verliebte in ihren Schilden führen / der Spruch drumb her lautet also:

Mein Lieb und Treu
Wird täglich neu!

Und unter solchem Geschäfft erwarten er und ich der Beschliesserin mit grossem Verlangen.

Dieselbe kam endlich über ein Stund oder anderthalbe nach mir mit ihrem Schreiben angestochen: Aber ach leyder! das arme Ding hat in der Eyl das unrechte / nemlich das jenige erwischt / worauff es lautet: An den Herrn Doctorem Louis Adolphi einzuhändigen! Der Apothecker / welcher gar ein arger Vocativus ist / sagte: Die Jungfer komme nur mit mir herein / und erbrach indessen das Schreiben / gleichsam als in der Eyl / doch also / daß er das Siegel nicht versehrte / ohnangesehen er zuvor wol wuste / und von mir erfahren / was darinn stünde: wie er nun die Uberbringerin Abweg gebracht von seinen Leuten / und im Brieff zu lesen anfangen wolte / sagte er: Ey potz Glück Jungfer / was habt ihr gemacht? Jch habe gemeynet / ihr hättet mir ein Schreiben an mich geben / so sehe ich aber wol / es gehöret einem Doctor! Was Raths! es ist einmal erbrochen? Darüber wurde meine Beschliesserin gantz bestürtzt / und überall so roth / wie eine glüende Kohl: Ey Jungfer sagte der Apothecker / sie darff so hoch nicht erschrecken / wann sie auch eins an mich hat / so geb sie es nur immer her / ich will schon sehen / daß ich diß an den Doctor wieder zukleibe / daß ers nicht mercken soll: darauff langte sie ihm auch das auß ihrem Sack / so an ihn stunde: Er aber sagte zu ihr / damit die Jungfer sehe / daß ich ihrer Frauen Heimlichkeiten nicht zu wissen begehre / so komme sie mit mir herauff / und sehe zu / daß ich nicht einmal lesen / sondern es wieder beschliessen werde / damit sie deßwegen ausser Gefahr sey / und also brachte er sie zu mir in die obere Stub.

Man kan wol erachten / wie das gute Mensch erschrocken sey / als sie mich so unversehens vor ihr stehen: und zugleich den Apothecker die beyde Schreiben in Händen halten sahe: dieser warff selbige auff den Tisch / und sagte / sehet Mensch / da habt ihr euren Herrn / mit dem möcht ihrs außmachen / ich hab jetzt anders zu thun / gieng darmit zur Stub hinauß / schlosse die Thür hinder ihm zu / und steckt den Schlüssel in Sack.

Jch weiß nicht / wer im Anfang unter uns beyden mit dem andern am mehristen zu schaffen gehabt? Sie mit mir / mich umb Verzeyhung zu bitten / oder ich mit ihr sie zu trösten? Nachdem sie aber wieder ein wenig zu ihr selbst kommen war / stellte ich ihr beydes meines Weibs / und ihr eygen Verbrechen vor Augen / und hielte ihr vor / daß jenes den Tod / das ihrig aber auffs wenigst die Außsteupung verdienet hätte: doch könte ich beyden / wann ich die Würckung der Liebe bedencken wolte / leicht verzeihen: lag ihr darauff einen gantzen Last-Wagen voll vor / was massen ich sie / die Beschliesserin / schon vor langer Zeit hero inbrünstig geliebt: und dannoch meine Liebes-Schmertzen verborgen / und meinem Weib zu Ehren Lieb und Treu / mit unleidenlicher Gedult getragen hätte: So ich ihr aber nunmehr die Hand im Sack erwischt / und vor Augen sehe / daß sie solche meine Treu mit Untreu belohnen / und mir auß dem Geschirr schlagen wolte / so wäre ich verhoffentlich nicht zu verdencken / wann ich auch meinen Begierden den Zaum lassen / und mein Weib mit ihrer Müntz bezahlen werde: Jch näherte mich auch darauff zu ihr mit solchen liebreitzenden Geberden / wie es die Beschaffenheit meiner damahligen Gelegenheit erfordert / und reitzte sie mit grossen Verheissungen dermassen / daß ich sie nemlich künfftig vor allen andern Weibsbildern in der gantzen Welt eintzig vor meine Allerliebste halten / und sie meinem grossen Vermögen nach mit der Zeit wol versorgen wolte / biß sie endlich das küssen annam / und zu mir sagte / ich sehe wol / daß mein Kräntzlein prædestinirt ist / in diesen 24. Stunden verlohren zu gehen / von einem / der sich umb seinetwegen selbst umbbringen wolte / hab ichs erst diese Nacht errettet / nun aber gehets auß meinem eygenen Ubersehen dahin: doch will ichs lieber einem solchen Mann / wie der Herr Vetter ist / gönnen / als einem leichtfertigen Betrüger / der dessen nicht werth ist;

Solcher Gestalt erlangte ich was ich wolte / und thät meinem Weib / was sie nie zu thun im Sinn hatte: Aber was vermeynestu wol / was der gerechte Richter an jenem grossen Tag hierzu sagen werde? Du wirst hierauff mit besserer Billichkeit / als die Hohepriester zu Jerusalem zum Juda sagen / da schaue du zu! Diß war zwar die geringste Frucht meiner Unsichtbarkeit! es setzte nachgehende wol erschröcklichere Schnitz! so / daß es wol bey mir hiesse:

Jch fiel je längr je tieffer drein /
Kein guts war an dem Leben mein.

Aber es gehet nicht anderst zu / wann man umb deß verfluchten Gelts und Guts willen Gottes und seines Worts vergist / geschweige / wann man sich der Zauberer Hülffe gebraucht / solches zu erlangen: ich vermeynte damals / als ich diß unschuldige / einfältige und fromme Schäflein zu Fall gebracht / ich hätte alles wol außgericht / und mich an meinem Weib / dem elenden Werckzeug dapfferlich gerochen; aber hätte ich in meinem Garten / da ich die von ihrer Zierde entblößte Blumen-Zwiebeln in der Erde betrachtet / den heiligen Einsprechungen meines guten Engels gefolgt / so hätte ich Christlich und weislicher gethan / und es wärs weder mit mir noch meinem Weib / viel weniger mit diesem armen Mägdgen nimmermehr so weit kommen! hätte ich den fahrenden Schüler so lang zaubern lassen als er gewolt ohne mich / so wäre ich in dieser Antrettung der Sündenbahn nicht zugleich ein Ehebrecher und Jungfrauen-schänder worden.

Vor dißmal aber betrachtet ichs nicht so weit / sondern war nur drauff bedacht / wie ich den Possen / welchen ich meinem Weib auch reissen wolte / Werckstellig machen möchte; Unterliesse auch darneben gar nicht / mit meiner Beschliesserin noch ein paar mahl zu widerholen / was ich mit ihr angefangen; und als sie mit weinenden Augen mir ihr Sorg entdeckte / sie möchte vielleicht hierdurch unter die Zahl der Mütter kommen / gab ich ihr diesen Rath zum Trost / sie solte alsdann unsern Fritzen / wann sie es merckte / bey Zeiten zum Vatter einkommen lassen.

Jndessen hatte der Apothecker sein Marzapan verfertigt / das gaben wir der Beschliesserin mit / und unterrichteten sie / wie sie mein Weib überreden solte / sie hätte so lang drauff warten müssen / umb der Frauen solches zu zeigen / dann der Apothecker gesagt / so fern ihr diß / daran er eben gemacht / nicht beliebig / so könte er ihr wegen anderer Geschäfften vor sinckender Nacht kein anders verfertigen; Wir gaben ihr auch das Schreiben widerumb verschlossen an den Monsieur Docteur Louis mit nach Hauß / damit sie / wann etwan die Frau darnach fragte / nicht wie Butter an der Sonnen bestünde / und als wir vermeynten / sie wäre kaum in meinem Hauß angelangt / siehe / da kam sie widerumb / das übrig Confect auch abzuholen: Ob ich nun gleich ungezweifelt vermeynte / ich hätte die Beschliesserin durch meine Freundlichkeit und ansehenliche promessen gewonnen / daß sie mir treu seyn müste / so schenckte ich ihr doch zum Uberfluß / und auch vor ihr Kräntzlein ein halb dutzet Ducaten / damit sie eygentlich mit dem / was mein Weib ihr auffgeben würde / dem Doctor zu bringen / zu uns kommen / und mich vor alles übrige sorgen lassen solte: Sie versprachs und hielts auch / massen sie unlängst hernach mit einem schweren Korb voll Naschwerck / und einer Fläschen voll von meinem Necker-Wein beladen / zu deß Apotheckers hindern Garten-Thür / die wir ihr zu solchem Ende offen gelassen / angehauen kam: also gieng alles nach meinem Wunsch / wie dann auch mein Weib / die vor sie zum Geschenck mit Pley-Zucker verfertigte Macronen daheim behalten hatte / als welche wir durch hin und wider Zerbröcklung zu solchem Ende schadhaft: und also zu einer ansehenlichen Verehrung unscheinbar gemacht.


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