Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. XXIII.

Wie der Feldzug angieng und ablieff.

NAchdem ich nun viel artlicher als in einem Gemähld gesehen / welcher massen der Soldaten Dapfferkeit alles weichen und unterthänig seyn müste / gieng ich nicht länger umb zu wehlen / was ich künfftig thun und handthieren wolte / vornemlich weil ich jung / starck / gerad und gesund / und nicht allein mit einer Eysenfesten Haut / wie der Hürnen Seyfrid umbgeben war / sondern auch andern / so mit dergleichen versehen / die ihrige öffnen / mich in den äussersten Gefährlichkeiten unsichtbar machen / und hingegen / wann es vonnöthen / etliche Hauffen Reuter ins Feld stellen konte; was weiters? Jch wuste andern ihre Rohr zuzubannen / daß keiner schiessen mochte / wann ichs nicht haben wolte / und war hingegen versichert / daß mirs keiner thun konte / und über diß musten alle meine Kuglen gewiß treffen / und Blut haben; Mit solchen Künsten außstaffirt / gedachte ich im Krieg keinem Helden nichts nachzugeben / sonder viel mehrers Hectorem und Achillem, ja den Herculem selbst zu übertreffen / und also mich den alten berühmten Heydnischen Halb-Göttern gleich zu machen; Jch liesse mir schon träumen / wie alle Woch die Extra- und Ordinari-Zeitungen mein Lob ausbreiteten / und das Volck nahe und fern von sonst nichts anderst / als von meinen Helden-Thaten zu sagen und zu rühmen wuste; Jn 14. Tagen auffs längst getraute ich wegen meiner unvergleichlichen Dapfferkeit allbereit ein Capitain / in einem Monat hernach ein Obrister / und ehe gar ein viertel Jahr herumb gieng / ein grosser General zu seyn / der mit einer eintzigen Compagnie den König in Franckreich / und alle seine dapffere Generalen demüthigen / den Vereinigten Niderländern dardurch den Namen der aller-unüberwindlichsten Völckerschafft erwerben / mir selbst aber unsägliche Beute und Reichthumber / und über diß alles auch diese Ehr erobern und zu wegen bringen würde / daß man mir an allen Kreutz Wegen auff dem Land / und an allen Eck-Häusern und Volckreichen Plätzen in den Stätten gewaltige Triumph-Bögen und Ehren-Säulen auffrichte / und meine grosse Thaten zu ewiger Gedächtnus in Felsen und Marmor eingehauen / der lieben posterität hinderlasse.

Weilen dann eben damahlen die Waffen deß Aller-Christlichsten Königs / mit assistentz deß Königs in Engelland zu Wasser und Land die verlassene Holländer anwendeten / und in deme sie selbige unversehens übereylet / mit trefflichen progressen fort giengen / bedauchte mich Zeit zu seyn / dem betrangten Volck (so nannte ichs / weil ich mir gar viel einbildete) mit meiner Dapfferkeit zu Hülff zu kommen / und ihm meinen Valor weit besser / als ein anderer Martin Schenck zu erkennen zu geben.

Zu Pferd wolte ich mich nicht einstellen / weil ich selbiges nicht zugleich mit mir unsichtbar machen konte / zumahlen auch sonst zu Fuß besser zu agiren getraute / und weil ich mich auch nicht so stracks vor einen gemeinen Knecht verbunden machen wolte / die nicht jedesmahl befürdert werden / wann sie es verdienen / so gab ich mich zu einem Hauffen Freywilliger / die eben so viel vom Krieg verstunden als ich / ob sie gleich nicht so kunstreich waren / unter denselben warff ich mich hervor / wie das Böse in einer Wannen / und wünschte sonst nichts mehr / als eine scharpffe Occasion, und demnach es hier und dort etliche Scharmützel setzte / erzeigte ich lauter Courage, und bey nahe mehr als einen Löwen-Muth / ich schertzte mit den Musqueten-Kugeln / wie mit denen / so auß einem Blaß-Rohr geschossen werden / und legte hingegen mit den meinigen manchen auff die Erde / und ob wir gleich schier jedesmal gejagt wurden / so war ich doch allzeit der letzt im weichen / und brachte jederzeit etwas zum Wahrzeichen / und Zeugnus meines Hertzhafften Soldaten-Gemüts zur Beut mit mir heim / so ich vermittelst meiner Unsichtbarkeit gar leicht thun konte / ohne daß es jemand von Freund oder Feind hätte wahrnehmen können.

Jch gieng offt allein hinauß auff die Schnapphanerey zwischen der Feind Quartier, und wo ich wuste oder muthmaßte / daß einige von ihnen vorbey passiren würden / da laurete ich auff sie im verborgenen / und wann gleich 3. 4. oder gar 5. angestochen kamen / so gab ich doch Feuer drauff / fiele dann einer / wie gemeiniglich geschahe / und die andere wolten viel Mist machen ihm auffzuhelffen / oder sonst zusehen / was da zu thun wäre / so hatte ich geschwind wieder geladen / und noch einen nidergelegt / und wann der Rest seines Wegs nicht bald fort ritte / so machte ichs dem dritten und vierdten auch nicht besser / wolten dann einige mich suchen / und dem der sie angegriffen / weisen / daß sie Soldaten wären / so vexierte ich sie viel ärger / weil sie mich nicht sehen konten / und also opfferte ich vielmahl gantz allein ihrer etliche auff.

Diß Leben triebe ich / und häuffte mein habendes Gelt schier täglich beydes mit recht- und unrechtmässigen Beuten / biß es zwischen beyderseits Waffen mehr ein grössere Occasion, als ein gemeines Gefecht setzte / worinn die Frantzosen den Sieg und das Feld behielten; Jch war mondirt mit einer langen Flint / einer Patron-Tasch / mit 5. dutzet Patronen gespickt / und mit einem scharpffen Sauzahn / ich wolte sagen / mit einem Säbel an der Seiten der Haar schur / und die Radschienen so wol als Ruben voneinander spielte / zumahlen auch alle Festigkeiten auffthät; also versehen bedauchte ich mich der nothfeste und dapfferste Held zu seyn / der auff beeden Seiten im Feld sich befand; Jch fällete auch so manchen Mann / so viel Schüß als ich thät / ehe das rechte Treffen angieng / und weil ich mich in solchem Handel besonder gestellt (welches mir als einem Freywilligen zugelassen war) damit die Wunder / die ich begieng / von beyden Theilen desto klärer gesehen werden möchten / siehe / so hielte ich schier gantze Salven auß / und fieng mit meinem Stahlhart gefrohrnen Leib bey nahe so viel Kuglen auff / als ich in meiner Patron-Täsch Patronen hatte; Ja ich wurde allerdings so vermessen / unter deß Feinds gegen uns über stehende Brigade zu lauffen / umb meinen Säbel mit Frantzösischem Blut zu färben / weil ich aber wol wuste / daß viel Hund deß Hasen Todt / zumahlen die umbgekehrte Musqueten so unbescheiden seyn / daß sie keine Festigkeit respectirn / muste ichs wol bleiben lassen / und mich mit dem Wunsch behelffen / sie zertrennet zu sehen / umb nicht allein im Angriff / sondern auch im Geträng und in der Flucht der Feinde Köpff zu spalten.

Aber als es dem Feind Ernst wurde auff uns loß zu gehen / und den Angriff zu thun (weßwegen ich mich dann wieder in die Ordnung unter die Fechtende begeben) siehe / da kam ohngefähr ein einzige Kugel auff meinen lincken Schenckel angestochen / die mir so wol meine Diebs-Haut (ich nenne sie billich eine Diebs-Haut / dann wer ein solche trägt / wie ich damals thät / der stilt andern redlichen Soldaten das Leben ab / nicht allein zwar wie ein Dieb / sondern auch wie ein Meuchel-Mörder und Zauberer) als auch Fleisch / Bein und Adern durchtrang? Da lag der Großmächtige Goliath / und empfand in der allergrösten Noth / die er sein Tage je überstanden / daß hinder dem Berg auch Leut wohnen / und daß jeder seinen Mann findet / wann er gleich der Göttin Thetis Sohn / und mit den besten Waffen versehen wäre / die Vulcanus je geschmidet.

Jch sage noch einmal / da lag der Großmächte Goliath / der frefle Eysenbeisser / der so wenig darnach gefragt / wann es Musqueten-Kuglen hagelte / als wann es linde Schnee-Flocken gerieselt hätte / ehebevor er bedachte / daß ihm auch einige seine Festigkeit so wol auffthun könten / als ers andern machen konte; Ehe er sich erinnerte / daß er auch andern ihre Rohr so wenig würde zubannen mögen / als wenig ihme andere solches thun / und seinen Schuß stellen könten.

Aber diß Ubel wars nicht allein das mich betraff / sondern es wolten auch meine Segen / das Blut zu stillen / nichts helffen / massen ich in solcher Noth / worinn kein Feld-Scherer so gleich vorhanden / mein Naßtüchel zerrisse / und in die Wunden stopffete; Uber das war ich in der Gefahr / von der Salve / die uns geschenckt wurde / noch mehr solcher Butz-Birn zu empfahen / und vielleicht eine / die mir gar das Leben ausblasen möchte / und als die unserige weder die Menge / noch den hitzigen Anfall der Feinde nicht überstehen mochten / sondern sich trennten / (wie man von ihnen zu sagen pflegt) durchgiengen / und den Siegern mit Darbietung deß Ruckens den Platz / worauff sie unglücklich gefochten / und welchen sie zum Zeugnus ihres Unfalls mit Todten und Beschädigten überstreuet / verliessen; Siehe / da gieng allererst mein Schrecken / Forcht und Angst recht an / als ich nemlich sahe / wie die Uberwinder nicht allein den Flüchtigen nachsetzten / sondern auch die Beschädigte / auff der Wahlstatt ligende / vollends auffopfferten / und die Todte plünderten; Jn solcher äussersten Noth / da ohn Zweiffel die Reyhe auch an mich kommen wäre / nahm ich endlich meine Zuflucht zu meiner Unsichtbarkeit / so daß ich diesen Unbarmhertzigen auß den Handen verschwande / gleichwol aber diese Art zu entrinnen / beym allertheuersten bezahlte / dann nachdeme stracks darauff etliche starcke Esquadronen Reuter eben als wie dicke Wolcken über die Wahlstatt / und also auch über mich in vollem Calop hin passirten / kriegte ich von den Pferden / die mich so wenig als die Menschen sahen / so manchen ungeheuren Rippstoß / daß ich gedachte / mein Gebein müste in meiner eygenen Haut / wie in einem Mörser gestossen und zermalmt werden.

Als diß grausame Ungewitter vorüber war / lag ich dorten gantz ohnmächtig und krafftloß / gleich wie einer der Geradbrecht worden / und das zwar nicht unbillich / weilen seyt deme mir die Kriegs-Waffen in die Hände gerathen / ich so manch ehrlich Mutter Kind durch Hülff meiner heyllosen Künste unsanfft schlaffen gelegt; Jch konte weder Arm noch Bein regen / und bedunckte mich / es wären mir alle Glieder entzwey ohne die Zung / die war noch gangbar / mit deren ich alle die jenige verfluchte / und so viel an mir war / dem Teufel übergab / die mich meine Künste gelernet / und dardurch in Krieg zu ziehen erkühnet und veranlaßt hatten; Jch konte mir wol einbilden / wann ich so unsichtbar da ligen verbliebe / daß ich endlich doch gantz Rath- Hülff- und Trostloß sterben und verderben müste / derowegen liesse ich mich wieder sehen / mit gäntzlicher Entschliessung willig zu sterben; Jch warff auch das von mir weg / was mich bißher fest gemacht / damit der jenig / so mich sehen würde / und mir den Rest vollends geben wolte / seinen Willen desto leichter und unverhinderter an mir vollbringen möchte.

Und demnach mir bißher / ohn Zweifel durch Göttliche Gnad / der Kopff noch gantz und unversehrt geblieben / als hatte ich auch noch so viel Vernunfft mich zu hindersinnen / wie ich gelebt / seyt mir die Leyrerin mein Gelt gestolen / darauff folgt ein hertzliche Reu / und innigliches Seufftzen zu der Grundlosen Barmhertzigkeit deß Allerhöchsten / über dessen langmütige Güte / und daß ich nicht ehender mit gerechter / und mehr als wolverdienter Straffe heimgesucht worden / ich mich selbst verwunderte / sampt einem steiffen Vorsatz / wann ich dißmal darvon kommen solte / (daran ich doch zweiffelte) mich zu bessern / und mein Leben zu Gottes Ehren / und anderer Menschen Aufferbauung also anzustellen / und beständig zu führen / daß nichts anders darauß erscheinen solte / als eine hertzliche Liebe zu GOtt und meinem Nächsten; Eine innigliche Reu über meine begangene Sünden / und daß ich ihn so offt erzürnet / und dann ein immerwärende Dancksagung / daß seine Güte den verlohrnen Sohn wider bracht / und ihn endlich in sein Reich zu nehmen / die Hoffnung gegeben.


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