Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. XX.

Wie es weiters vor- in- und nach der Hochzeit ablieff.

JCh liesse Eraßmo zu / daß er sich gegen seiner künfftigen Frauen nicht mehr als mein Diener / sondern als einer / der seyn eygener Herr sey / anlassen solte / doch befahl ich ihm heimlich / was er thun und lassen müsse / nemlich ein eygen Zimmer vor die Esther und ihr Kind / darinnen sich auch Josanna behelfen muste / zu dingen / und sie darinn mit aller Nothdurfft zu versehen / und dann heimlich nach einem vertrauten Geistlichen zu sehen / der geschickt sey / beyde künfftige Christinnen / was ihnen in der Christlichen Religion zu wissen noch abgieng / vollkommenlich zu unterrichten / folgends sie beyde / in Gegenwart genugsamer Zeugen / sampt dem Kind zu tauffen / und endlich ihn mit der Esther ehelich zu copuliren / befohlen und gethan war eins; Jch freute mich / daß ich auff einmal drey Jüdin zu Christinnen gemacht / aber weil solcher Weg nicht passirlich / sorge ich wol / ich möchte einen schlechten Lohn darvon kriegen / und bedeuchte mich die Esther wol hundertmal schöner zu seyn / als jemahlen / weßwegen ich dann hefftig angefochten wurde / dem guten Eraßmo noch einen Dienst zu thun / aber wolte ich nicht gar ein Ertz-Schelm seyn / die angehende künfftige Christen nicht auff den Tod ärgern / und alles wieder verderben wolte / was ich zum guten Außgang gerichtet / so muste ichs wol bleiben lassen; Jch glaub auch / daß ich allein dieser Enthaltung halber / die mich trefflich mortificirt / wieder der Huld GOttes gewürdiget worden / und zur Bekehrung kommen.

Jndessen bekam ich nachricht / daß Eliezer seiner Tochter heimlich nachforschen liesse / und ein groß Gelt dem jenigen zu geben sich anerbotten / der ihm etwas von ihr sagen würde / weil dann nun das Gelt alles zu wegen zu bringen pflegt / was man nur will / so hielt ichs vor eben so billich als nothwendig / daß ich vor die jenige / so ich in Gefahr gebracht / sorgte / und auff Mittel gedächte / dem Eliezer das Nachforschen heimlich zu verleiden.

Es war eben damahl eine Compagnie Engelländischer Comœdianten in der Statt angelangt / welche von dar wieder nach Hauß verräisen wolten / und nur auff guten Wind warteten überzusegeln / von denenselben entlehnte ich eine erschröckliche Teuffels-Larven / die hatte ein paar Ochsen-Hörner / ein paar gläserne gantz feurige Augen / so groß als Hüner-Eyer / ein paar Ohren / wie ein gestutzt Pferd / an statt der Nasen einen Adler-Schnabel / einen Schlund wie der Cerberus selbst / einen Box-Bart / an statt der Hände Greiffen-Klauen / und an statt der zehen gespaltene Kühfüß / man konte erschröcklich Feuer drauß speyen / wann man wolte / und sahe so forchterlich auß / daß man nur von seinem Ansehen hätte erkrancken / oder wol gar sterben mögen; Hierinn verkleidte ich mich einsmals / und kam unsichtbarlich in Eliezers Schlaffkammer / worinn ich wartete / biß er sich schlaffen gelegt / und sein Diener / der ihn außgezogen / wieder von ihm gangen war / es bran die gantze Nacht ein Wachs-Liecht in dem Zimmer / und als mich dauchte / daß Eliezer entschlummern wolte / liesse ich mich sehen / tratte vor das Bett / und sagte mit grausamer Stimm / Eliezer / wann du deiner Tochter nachzuforschen nicht unterlassen wirst / so will ich dich zu stückern zerreissen! du alter Narr / wilst du ihr ihre Ruh nicht gönnen? Siehe / sie ist in ihres Eliæ Paradeiß / den jungen Messiam zu schweigen / hüte dich derowegen / daß du dich nicht mehr unterstehest / ihm seine Mütterliche Brüste zu entziehen / damit ich nicht zum zweytenmal abgefertigt werde / dir den Hals umbzudrehen! Jch hätte nicht bedorfft / mit hinderlassung eines gemachten Gestancks abzuscheiden / wie ich aber thät / dann Eliezer schiesse auß Forcht und Schrecken sein Bett so voll / daß mir vor Gestanck hätte ohnmächtig werden mögen / und ob ich mich gleich vor seinen Augen unsichtbar machte / so vagirte ich doch hin und wider / bald sichtbar / bald unsichtbar im Hauß herumber / als worinn ich alle Schlich und Winckel wuste / mit grausamem Gebolder und Auffsprengung der Schloß an den Thüren / die ich aber nicht wieder zumachte / wie ich gethan / als ich meine Tochter abholete / das trieb ich so lang / biß ich auff die Gasse / und endlich fein still wieder heim in mein Losament kam.

Esther und Josanna waren interim fleissig in Begreiff- und Annehmung der Christlichen Lehr-Stück / die ihnen noch abgiengen / und doch zu wissen vonnöthen / und der Priester liesse hierzu an seiner Emsigkeit / und einem rechtschaffenen Seelen-Eyfer nichts ermanglen / so / daß er mir und Eraßmo in bälde notificirte / sie wären bequem und unterrichtet genug getaufft zu werden / allermassen wir zu dieser festivität einige unserer besten Freunde einluden / die wir so wol bey der Heiligen Tauff als Copulation zu Gevatter-Leuten und Zeugen haben musten; Esther und Josanna behielten ihr vorige Namen / ohne daß sich jede noch darzu Maria nennen liesse / die junge Tochter aber wurde Eugenia genannt / nicht weiß ich warumb selbiger Name der Esther beliebte; den andern Tag liessen sich beyde angehende junge Eheleute durch deß Priesters Hand auch paren / da muste ich nun mit Schmertzen gewahr werden / mit was vor einer Holdseligen Freundlichkeit Maria Esther ihrem Eraßmo begegnete / und fiel mir desto schwerer und peinlicher solches zu erdulden / weil ich mir einbildete / alle solche der Mariæ Esther dem Eraßmo bezeugende Liebreitzende Blitz / und annehmliche Freundlichkeiten thäten billicher mir als ihme gebühren / als die ich umb sie besser dann er verdienet; Ja es ist unmüglich zu glauben / wie sauer mich ankam / dieser Hochzeit zuzusehen / die ich doch selber mit so grosser Mühe und Gefahr angestellt / das aber glaube ich / wann es damit noch nicht so weit kommen gewest wäre / daß ich solches auch nimmermehr so weit hätte kommen lassen / dann ich fühlte viel schmertzlichere Pein und Liebes-Begierden gegen dieser Marien Esther / als ich niemal empfunden / ehe ich sie einigmal berührt / doch muste ich mich zwingen / mein unaussprechlich Leyden / Qual und Aengstigung / so gut müglich / verbergen / und daß ich diesen schönen Vogel fliehen / und einem andern ins Kefig gelassen / mir selbst die Schuld geben; Diese Hochzeit wurde so heimlich gehalten / daß es nicht alle Leut im Hauß / geschweige Eliezer und die Juden gewahr wurden; Nachdem aber selbige vorbey war / zehlete ich Eraßmo in Gegenwart seiner Marien Esther / und Marien Josannæ die 10000. Ducaten baar dahin / und verhälet ihnen gar nicht / daß solche auß Eliezers Schatz zu solchem Ende gestolen worden / weil er schuldig seye / seine Tochter den habenden Reichthumben gemäß außzusteuren / so er aber nicht gethan haben würde / so fern er gewist haben solte / daß sie sich zur Christlichen Religion begeben / und weil gedachte Hochzeiterin auch ein zimliche Reichthumb von Goldstücken / Perlen und Jubelen mit sich auß ihres Vattern Hause genommen / also / daß beyde ein ansehenliches Vermögen zu Hauff brachten / zumalen ich über die 10000. noch ein paar hundert Ducaten übrig hatte / die Eliezers gewesen; So schenckte ich selbige der Marien Josannen / weil ich darvor hielte / sie hätte solche mit ihrer Treu / und daß sie die meiste Ursach gewesen / daß Maria Esther zur Christlichen Religion kommen / gar wol verdienet / doch mit dem geding / daß sie beyde Eheleute nicht verlassen / sondern bey ihnen verbleiben solte / biß selbige sie anderwärts versorgten.

Damals erscholle in gantz Europa, daß der König in Franckreich den Staad von Holland eygentlich bekriegen würde / derowegen fertigte ich / was ich noch vor Wahren im Vorrath hatte / eylends hinweg / und machte meine Sachen aller Orten richtig / worzu mir Eraßmus / der umb alle deren Beschaffenheit wuste / getreulich verholffen war / aber siehe / als wir hiermit kaum Feyerabend gemacht hatten / kriegte ich von Hauß auß von meinem Vetter Apothecker Schreiben / daß mein Weib den Weg aller Welt gangen; O mirum! wer war leydiger als ich? Nicht zwar / daß mir mein Weib gestorben / sondern weil das Schreiben wol 3. Wochen unterwegs war ligen blieben / dann wäre mir dasselbige bey Zeiten eingeloffen / so hätte die Maria Esther den Eraßmum wol nimmermehr bekommen sollen; aber was halffs? Es war geschehen / er hatte das Glück / und darumb hat er auch die Braut heimgeführt / aber ich / war ich zuvor wegen meiner Liebe gegen der Maria Esther / die sich nicht allein von neuem schlechthin wieder entzündet / sondern verdoppelt hatte / wurmicht und schellig? siehe / so wurde ich jetzunder gleichsam gantz unsinnig / den Eraßmum / welchen ich kurtz zuvor mit dem allerschönsten Weibsbild von der gantzen Welt versorgt / und zu einem reichen Glückseligen Mann gemacht hatte / dem wünschte ich jetzunder dem Tod in Rachen; Jch verfluchte zugleich sein Glück und mein Unglück / und wurde zuletzt so wütend und unleydlich / daß schier kein Mensch mehr bey mir wohnen / noch mit mir zu recht kommen konte / endlich gab mir / ich weiß nicht wer / ich schätze aber wol kein guter Geist / in Sinn / ich solte Eraßmum auffopffern / und mich der Marien Esther selbst widerumb theilhafftig machen / O grausame Gottlosigkeit! Jch glaube auch / ich hätte es ohn allen Zweiffel endlich gewagt / wann nicht Gott die seinige behütet / und mirs nicht im Anfang solcher Versuchung ein abgeschmackts widerwärtigs Fressen gewest wäre / die jenige zu ehelichen / die durch meine Anstalt von einem andern beschlaffen worden / welches eine Zeitlang meine erschröckliche Grausamkeit hemmete / und der getreue Gott / welcher / wie gemeldt / die seinige behütet / öffnet indessen Eraßmo die Augen / daß er meine wütende Melancholey auß meinem immerhin Grißgrammenden Angesicht lesen und errathen konte / wo solches herkommen / und was ich im Sinn haben möchte / weil ihm unverborgen / daß mein Weib tod war / allermassen er einsmals mit seiner Maria Esther / ihrem Kind / der Josanna und allem seinem Vermögen bey Nacht durchgieng / und mit einigen Leuten / die groß Gut nach Hamburg flöhnten / darvon segelte / welches ihm ohn Zweiffel GOtt durch seinen guten Engel eingeben / von dannen ist er nach Dantzig / und von dort auff Lübeck kommen / wohin aber weiters / hab ich seyther nicht erfahren können / und also wurde ich hinder ihm gelassen / vor der Thür der äussersten Verzweifelung.


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