Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. VII.

Wie man den Weibern vorm Wildbret ein Abscheuen macht.

UNterdessen nun meine Beschliesserin auß gewesen / hatten ich und der Apothecker im Namen deß Herrn Doctors nachfolgendes Wieder-Antwort-Schreiben an mein Weibgen verfertigt / welches der Apothecker / weil meinem Weib sein Handschrifft und Pettschafft unbekannt / geschrieben / und auff rechtschaffen gut Bulerisch mit Seiden umbwickelt / und mit einem gantz vergülden Sigill beschlossen hatte / worauff wir sich lustig sampt meiner neuen Bulschafft zusammen setzten / die Capaunen-Darten sampt dem Gebratenen und dem Confect zu Faden schlugen / und auff einen glücklichen Krebsgang meines Weibs Doctorlichen Liebe / die Fläsch mit Necker-Wein hertzlich truckten: das Schreiben aber lautet also:

Edelste / Viel Ehr und Tugendreiche / Hochgeehrteste Frau / etc.

Mit was für schuldigster Ehrerbietung und respect ich dero Holdseliges Briefflein empfangen / hat zwar Widerbringerin diß gesehen: Es wird ihr aber unmüglich seyn / meiner höchstgeehrtesten Frauen zu beschreiben / mit was für einer innerlichen Hertzens-Freude ich mich begnadet und überschüttet befunden / als ich auß demselben vernommen / daß meine Wenigkeit für ihren Diener und Leib- Medicum auffgenommen zu werden / gewürdigt worden / ob sie gleich gesehen / wie inbrünstig und andächtig ich beydes / allerliebstes Brieffgen / und auch in solcher süssen Hertzens-Verzuckung das Ringlein geküßt: Jch werde aber hiervon zu meiner / auff die bestimbte Zeit ohnfehlbaren Ankunfft selbsten Mündliche relation thun / und verhoffentlich meiner Höchstgeehrtisten Frauen zugleich im Werck erweisen / wie bereitwillig und geflissen ich sey / deroselben Gehorsamlich auffzuwarten: Allein wird dieselbe ihrem hohen Verstand nach ermessen / wie argwöhnig die jetzige Welt / und wie fertig neidiger Leute gifftige Zungen seyen / der Unschuld selbst mit Verleumbdung nicht zu schohnen: Damit wir nun beiderseits dißfalls ausser aller Gefahr verbleiben mögen / so bitte meine Hochgeehrtiste Frau auffs allerdienstlichste / sie wolle belieben zu verfügen / daß beydes bey meiner Ankunfft und Wiederheimkehrung nirgends kein Liecht vorhanden sey; massen anderer Gestalt ich Bedenckens tragen würde / mich bey Nacht einzustellen; zumahlen auch ohne das die Gewißheit meiner Kunst solches wol entberen kan / in dem ich ohne Ruhm zu melden nur auß Fühlung deß Pulses mehr zu finden / zu urtheilen / und gehörige Mittel darauff zu verschaffen weiß / als sonst mancher / der viel auß der Farb / und andern Umbständen judiciren muß; Schließlich wünsche ich der lieben Sonn eine schnellere Eylfertigkeit vor dißmal / als ihre gewöhnliche ist / umb gegen meiner Höchstgeehrtisten Frauen desto ehender mich umb dero milde Anbindung zu bedancken / und zugleich mit angenehmen Dienst-Bezeugungen mich wieder abzulassen / als der ich bin

Meiner Höchstgeehrtisten Frauen

Allergetreuester Diener
D. Ludovicus Adolphi.

 

Wie michs nun Zeit seyn dauchte / schickte ich meine Beschliesserin mit ihrem lären Korb / der Fläsch und diesen Schreiben wieder heim / schenckte ihr auch noch eine Ducat / solche meinem Weib zu zeigen / und sie zu überreden / daß sie der Doctor solche zur Verehrung anzunehmen gleichsam gezwungen / und darneben gesagt hätte / daß er die Tag seines Lebens mit Erinnerung seines Namens-Tag niemal dergestalt erfreut worden / darumb wäre auch billich / daß sie mit einem ehrlichen Botten-Lohn begabt würde: Jch unterrichtet sie auch noch vieles anders Dings / so sie meinem Weib von deß Doctors Begierde noch ihr vorligen solte: Jtem / daß sie bey Leib dahin trachte / daß zu meiner Ankunfft kein Liecht vorhanden wäre / und sagt ihr auch / wie sie sich alsdann im übrigen / auch wann ich wieder hinweg wolte / verhalten solte; Jn dem sie nun von mir scheiden wolte / fiele ihr erst ein / daß ihr mein Weib einen Ring gegeben / solchen dem Doctor, neben den Victualien zu überliefern / den sie mir damit zustellte / das war nun ein Rubin von ohngefähr 6. Reichsthaler werth / und ich hätte ihn gern meiner neuen Bulschafft gelassen / so fern mir nicht gleich in Sinn kommen / meinem Weib ein prave Naß damit zu machen / welchen Anschlag ich auch meinem neuen Schätzgen der Beschliesserin vertrauete / umb mich damit gegen ihr zu entschuldigen / mit welchem sie besser zu frieden schiene / als hätte ich ihr den Ring selbst gelassen.

Denselben Nachmittag war diß mein Arbeit / daß ich mich erstlich barbieren liesse / damit ich dem Doctor, der gar Jungfrau-Knechtisch außsahe / wo nicht gäntzlich bey Tag / doch in der Nacht umb den Schnabel herumb etwas gleichen möchte: Zweytens bewarbe ich mich durch deß Apotheckers Leut heimlich umb ein Doctor-Talar / in demselbigen meinem Weib an statt deß Doctors auffzuwarten; Drittens muste mir der Apothecker ein unschädlichs Purgier-Träncklein zurichten / dessen ich zwar weniger vonnöthen / als der Gerade einer Krucken; Vierdtens überredet ich ihn / daß er auff meinen Kosten in seinem Hause eine Mahlzeit auff den folgenden Tag anstellen / und beydes den Doctor, als mich und mein Weib darzu zu Gast laden solte; Zu solchem Ende concipirte ich ihm folgendes Brieffel an den Doctor, welches der Apothecker hernach abschriebe / und ihm sampt dem Ring / den ihm mein Weib zuschicken wollen (sintemal ich ihm denselben hierzu verehrte) also gleich zusendete.

 

Wol-Edler / Hochgeehrter Herr Doctor.

 

Jn Betrachtung / daß je und allweg die Apothecker denen Herren Doctoribus der Medicin, als ihren höchsten Patronen und Förderern / mit äusserster Dienst-Bezeugung und Erweisung aller Annehmlichkeiten gehorsamlich an die Hand zu gehen / vor ihre Schuldigkeit gehalten / habe ich solche gegen Ew.  Exc. auch gehorsamlich hiermit einen dienstlichen Anfang zu machen / unterstehen: Eurer Excell. zu der nächsthin angenommenen dignität und Würde alles Glück / Heyl / und selbst desidirende prosperität und Wolfarth hertzlich anwünschen: zumahlen dieselbe ihres heutigen Namens-Tags mit beykommendem Gedenck-Ringlein erinnern / und allerdienstlichst bitten wollen / Ew.  Excell. wolten großg. belieben / künfftig meiner Wenigkeit als ihres geringsten Dieners grosser Patron zu seyn und zu verbleiben / und Morgen Vormittag ohnschwer die Mühe zu nehmen / meine Apotheck zu visitiren / so sich defect, und Mängel darinn befinden / solche durch dero hocherleuchte Scientz / Weisheit / hohen Rath und Unterweisung großg. zu corrigiren / und mich zu würdigen / den darauff folgenden Mittag bey einem Welschen Hanen / und was Kuch und Keller weiters vermag / mein angenehmer Gast zu seyn; welche verhoffende grosse courtoisie gegen Ew.  Excellentz ich hinwiderumben Gehorsamlich zu verdienen / mir die Tag meines Lebens angelegen seyn lassen werde: Als der ich einmal festiglich beschlossen / und mir vorgesetzt / so lang ich leben werde / zu seyn und zu verbleiben

Eu. Excellentz                                                
Treu-Gehorsamer Diener                        
N. N. Apohtecker zum
Silbern Einhorn.   

 

Ey potz Krisement / sagt anfänglich der Apothecker / der Herr Vetter ist gar zu frey / und der Doctor wird vermeynen / ich sey ein Narr! Nein / nein / sagte ich / je doller gebrauet / je besser Bier / das Ringel wird alles verbessern / und ihm den Herrn Doctorem in Gnaden wol gewogen machen: Er lasse es nur immer so geschehen / massen der Ring einmal prædestinirt / den Doctor anzubinden: Jst demnach besser / und mir viel angenehmer / der Vetter bekomme meinetwegen ein paar Recipe in seine Apotheck / als daß ich ein paar Hörner darvor erhalten / welches ohn Zweiffel geschehen wäre / wann er ihm von meines Weibs Handen zukommen wäre: damit aber mein Weib ihren Anschlag desto sicherer und getröster angehen möchte / stellte ich einen Kerl an / der umb ein geringes Trinck-Gelt in mein Hauß gieng / und sie überredet / er hätte mich zu N. / drey Meil von dar angetroffen / allwo ich ihm befohlen / ihro meinetwegen ein gute Zeit zu wünschen / und zu sagen / sie solte sich meinethalben nicht bekümmern / daß ich verwichene Nacht nicht nach Hauß kommen / es wären mir Geschäffte vorgefallen / umb welcher willen ich vor Morgen noch nicht heim kommen könte.

Als sich nun der Abend genähert / zog ich meinen entlehnten Doctor-Talar an / und butzte mich auffs beste; und gleich wie ich mich auswendig mit Zibeth und allerhand köstlichem Balsam bestriech / daß ich roche / als wann die halb Apotheck mit mir marchirte / also nam ich hingegen auch obgedachtes Purgier-Träncklein ein / umb diesen guten Geruch meinem Weib zu Ehren und Wolgefallen in den allerärgsten Gestanck zu verwandeln.

Also außstaffirt kam ich vor mein Hauß / und fande zur bestimbten Zeit nicht allein die Thür offen / sondern auch mein verliebtes Hertzgen ohne Liecht / wie ichs begehrte / darhinder stehen; sie hiesse mich freundlich willkommen seyn / wie leicht zu erachten / und truckte mir damit die Hand in solcher Maß / daß auch ein Schaf hätte mercken können / von was vor einer Kranckheit sie curirt seyn wolte; Jch war behend auff diese stumme Sprach zu antworten / und wir verstunden einander so wol / daß wir gleichsam ehender zum küssen als zu den Worten kamen; kurtz / wir machten sonst wenig Complimenten miteinander / sondern sie führet mich in eine Kammer / die sie hierzu in der nidere zugerichtet hatte / damit meine Excellentz keine Stege im finstern steigen dorffte; daselbst halff sie mich ausziehen / und bediente mich besser / als ich mein Lebtag von ihr hoffen / oder ihr immermehr zumuthen dörffen!

Man kan wol gedencken / daß wir gleich darauff miteinander ins Bett gangen seyn; Jch hatte mich zwar denselben Tag zimlich abgearbeitet / aber dannoch waren noch so viel Kräfften vorhanden / daß ich meinen Garten begrasen konte / nicht weiß ich / seynd sie durch meines Weibs extraordinari Freundlichkeit / oder durch den herrlichen Geruch deß Zibets und Balsams gestärckt worden / oder hat mir vielleicht der Apothecker ein wenig Satyrion unter die Purgation vermischt / welches mir aber der Maußkopff niemahl gestehen wollen!

Aber meines Weibs Freud wäret leyder kurtz! dann nach dieser Bewohnung fieng das eingenommene Träncklein in meinem Bauch an zu rumplen / ich aber warff mich im Bett herumb / und stellet mich / als wann ich vor unleidenlichem Schmertzen sterben müste; Jch beklagte mein Unglück / und bejammerte insonderheit / daß mich eben solches jetzt zur Unzeit betroffen / in welcher ich Freud und Ergötzung zu haben verhofft / und in dem ich mich so hin und wieder warff / mich bald streckte / und bald wiederumb wie ein Wurm krümte / unterliesse sie nicht / mich mit Thränen und Seufftzen auffs holdseligste zu trösten; Jch kan auch nicht glauben / daß von einer barmhertzigen Seelen mitleidenlichere Wörter ersonnen / und so beweglich vorgebracht werden können / als mein Weib damals vorbrachte; Jch aber continuirte meine angenommene Weise mit Weheklagen und Wintzeln / biß die Materi recht zeitig wurde / und ihren Außgang mit Gewalt prætendirte / da wuste ich mich in einer geschwinde so artlich zu winden / zu krümmen / und herumb zu lencken / daß ihr gerad die Büx vors Angesicht kam / alsdann truckte ich mit erschröcklicher Ungestümme loß / und wuste in wärender Salve das Geschütz dermassen zu richten und zu wenden / daß ihr weder Angesicht / Hals / Brüste noch Bauch unbesudelt bliebe; aber damit höret drumb meine Klag noch nicht auff / sondern nachdem ich noch ein paar mal Feuer auff sie geben / wischte ich auß dem Bett / und fieng an wieder auff ein neues zu lamentiren / und sagte ihr unverholen / sie wäre eine Ehebrecherische Hur / und ohne Zweiffel auch eine Zauberin / die mich umbs Leben zu bringen herein geladen / nam sie auch endlich bey der Carthausen / und döffelt ihr das Angesicht jämmerlich mit Fäusten / biß mich selbst bedunckte / es wäre nun einmal genug / sie aber litte solches alles mit Gedult / ohn einiges Geschrey / ohne daß sie bisweilen sagte / ach ich armes unglückseligs Weib! Solte ich sie aber sonst mit einer zehenfach verdienten Ohrfeigen begrüst haben / so würde sie gewißlich einen solchen Lermen angefangen haben / daß man sie noch auff diese Stund davon könt brummen hören.

Nach diesem Spaß warff ich meine Kleider wieder an / und gieng hin wo ich herkommen war / nemlich zu meinem Vetter Apothecker / dem ich vor lachen meine Verrichtung schier nicht erzehlen konte; die Beschliesserin hat mir nachgehende erzehlt / wie beschissen / und mit Schlägen übel zugerichtet / sie nach meinem Abschied ihre Frau gefunden / auch was gestalten sie sich von dem Unflat mit kaltem Wasser wieder gesäubert / und Artzney-Mittel gebraucht / damit man ihr die empfangene Streich im Angesicht an den blauen Mählern nicht ansehen solte: ich redte mit dem Apothecker ab / daß er mich und mein Weib auff den Mittag mit einer Gutsche zum Jmbs abholen lassen solte / dann ich sorgte / sie möchte sich schämen / so wol gezeichnet sich unter den Leuten auff der Gaß sehen zu lassen; nam damit meinen Abschied / und gieng / wie ich begehrt hatte / ohne Liecht und Gleid vor Tag auß dem Hauß / damit ich mein Naßtüchel sampt der Unsichtbarkeit / ohne jemands Beobachtung mit mir nehmen könte.


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