Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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Jch schlug mich auff die rechte Hand gegen der Polnischen Gräntze der Meinung einem reichen Juden desselbigen Königreichs so viel Ducaten außzuwischen / als ich würde tragen können / dann ich fieng an so Gewissenhafftig zu werden / daß ich durchauß keinen Christen bestehlen wolte / er hätte dann ärger als ein Jud seyn müssen / dergleichen ich mir aber nirgends zu finden getraute / und solte ich gleich alle Winckel der Welt außlauffen. Denselben Tag fieng es an Regenwetter abzugeben / derowegen wars vor mich nicht beym besten zuräisen / jedoch stampffte ich bey vier Meilen fort / und verlore darüber einen Absatz vom Schuh / welches mir gar einen beschwerlichen Gang verursachte / und mich nichtsdestoweniger zwang noch förders zu gehen / biß ich irgends in einer Stadt anlangte / meine Schuh umb neue zuvertauschen / weil ich mich nicht sehen lassen wolte / einen andern Absatz ansetzen zulassen / so die Dorff Schuhflicker ohne das nicht so leicht können.

Jn dem aber der Regen gar zu starck anhielte / übernachtet ich in einer Schäferey / warauff der Schäfer eben ein fettes Lamm abgestochen hatte / und durch sein Weib beydes gesotten und gebraten zurichten liesse. Recht lächerlich kam mirs vor / als er seinem Weib ein gebraten Hinter-Viertel darvon vor die Nase hielte und sagte; Ach schmeck! wie wol reucht diß Ding? und doch weiß ich / wanns unser Herr schmeckte / daß ihm der so liebliche Geruch dannoch im Hertzen wehe thäte; und eben darumb ists billich / daß mans ihm nicht auff die Nase binde / damit er mit Zorn nicht sündige; Sie machten sich gar lustig bey ihrer Mahlzeit / ob sie gleich leyder nur Wasser darbey zu trincken hatten; Jch behalff mich wol zween Tag bey ihnen / weil ich erstlich deß Regens und zweytens deß angeloffenen grossen Gewässers halber nicht ferners kommen konte / und sahe in solcher Zeit so viel / daß ich den treuhertzigen Colerum wol beschuldigen kan / er seye den Schäfern noch lang nicht hinter alle ihre Schelmstück und Diebsgriffe kommen / wiewol er deren zimlich in seiner Oeconomia erzehlet.

Demnach sich aber der Himmel wieder aufheiterte / und seine schwartze Decke vor dem Angesicht deß grossen Weltliechts wieder hinweg zog / also daß mich dessen Anblick bescheinen konte / machte ich mich auff den Weg / und setzte meinen Lauff immerfort gegen den Polnischen Gräntzen zu; Mein Wilt-Bräd fieng allgemach an klein zu werden / und derowegen muste ich bedacht seyn / meinen Rantzen wider auf ein Neues zu proviantiren; bey dem Landmann auff den Dörffern war aber nichts so schleckerhafftigs vor mich zubekommen; doch stunde mir in einem Wirthshause / wohin ich mich Dursts halber begab / ein delicater Schuncken an / den ich auß einem überm Feuer hangenden Kessel fischte / und meinen Schuh ohne Absatz darvor hinein steckte / damit ich meine Speise gleichwol nicht gar umbsonst hätte; Es wäre aber vor die Leute im Hauß erleydentlicher / doch nicht zu ihrer Besserung ersprießlicher gewesen / wann ich den Schuncken glat hingenommen / und nicht eingedaucht / dann ob sie zwar anfangs den Schuh drumb ansahen / ob wäre der Schuncken biß auff die Schwarte verkocht worden / so erschreckte sie jedoch hernach das Wunder umb so viel desto mehr / als sie sahen / daß es ein Schuh von Menschen Händen gemacht: und keines Schunckens Uberzug war; O liebe Kinder! schrie der Wirth / schüttet kein Kofent mehr unter dem Vorlauff des gerechten Biers! last mir auch hinfort den guten Brandewein unverfälscht / und schreibt nicht mehrers an die Tafel / als ihr den Gästen aufgetragen; dann umb solcher Veränderung willen ist auch der Schuncken verändert worden / zur Anzeigung / wann wir unsere gewöhnliche Veränderungen nicht einstellen und unterwegen lassen / daß uns hinfort unsere Nahrung dermassen verändert werden könne / wie ihr vor Augen sehet / und diß unerhörte Wunder bezeuget.

Darauff trug er den Schuh auff den Tisch / schlug an die Brust und bat mit weinenden Augen und hertzbrechenden Seufftzen umb Gnad und Verzeihung aller seiner Missethaten / mit vielen Gelübten und Versprechungen sich hinfort zu bessern / und alles den Armen mitzutheilen / was er hiebevor seinen Nächsten durch ein und andere Veränder- oder Verfälschung abbetrogen und vorgeschlagen hätte: ja er und die seinige bezeugten eine solche Reu / und ihr leidwesen war so groß / daß es mich gleichsam zum Mitleyden zwang; Jch gedachte / ach! wie wird sich die grundlose Barmhertzigkeit GOttes erst hierüber bewegen? Jch erfreuete mich / daß er durch meinen Diebsgriff zu solcher Reu und seiner selbst Erkantnus kommen war; beydes aber / das Mitleyden und die Freud so ich hatte / bewegten mich / den Schuncken wieder hinzulegen / und den Schuh zu mir zu nemmen; weßwegen sich im gantzen Hause die Leid-Thränen zu Freuden-Zähren: und ihre ächtzende Seufftzen in lauter Lob Gottes verwandelten; und darauff gedachte ich / daß ich damal ein gutes Werck verrichtet hätte.

Aber gleich wie ich den Schuncken zu keinem solchem guten Ende gestohlen / und also deßwegen mir keine verdiente Belohnung zuschreiben kan / also weiß ich auch nicht / ob der Wirth und die seine in ihrem guten Vorsatz beständig verblieben oder nicht?

Gleichwol wurde ich von dieser Begebenheit so Gottsdächtig / das ich dem Wirth denselben Abend weder zu essen oder zu trincken stahl; Jch behalff mich mit Dünbier / welches ohne das nicht mehr in selbigem Hause unter das dicke fette gemischet oder den Gästen gegeben werden solte; und da ich von meinem Wildbräd zehrte / erinnert ich mich mit schweren Gedancken / daß ich solches auch gestohlen / und wann ichs eben nicht auß einem Ort deß Uberflusses: gleichsam wie auß dem Cornu Copiæ genommen / so hätte ich dieselbe Nacht gar nicht gessen; damals lernete ich zu Gemüt führen / was die Gesellschafft frommer oder böser Leute vermöchte. Weil wir aber (dann bey meinen Bieren weiß ich wann andere zeitigen) gemeiniglich zum Bösen geneigt zu seyn pflegen / so liesse ich mir auch noch zur Zeit solche Betrachtung so schlecht dahin zu Hertzen gehen / daß ich dieselbe Nacht gar geruhiglich darvor schlaffen konte.

Am folgenden Morgen frühe lag mir nichts mehrers an / als wo ich neue Schuh: und wiederumb etwas zu fressen in Vorrath bekommen möchte; und als ich dabey (wegen Erinnerung deß schönen Exempels / das ich an deß Wirths Bekehrung den vorigen Abend gesehen) zu Gemüt führete / daß beydes was ich bedorffte / mit Sünde wider das siebende Gebot zuwegen gebracht werden müste; Fieng ich an zuerkennen / daß mein damalige Lebensgattung die ich führete / verdamlich wäre; Uber das kam sie mir wegen sonst allerhand Ungelegenheiten die ich außstunde / gar beschwerlich vor; Jch sahe / daß sich weder ein geruhigs Gewissen noch ein gute accommodität darzu schicken und vergesellschaften wolte; dann ob ich gleich in den Augen der Menschen und Thier unsichtbar war / so fanden mich doch die Läuse / deren ich selbst eine zimliche Quantität zeugte / weil ich niemal auß den Kleidern kam; so sahe ich auch / wann ich so fort fahre und darüber erkranckte / daß ich ohne einiger Menschen Hülff und Trostleistung beydes an Leib und Seel verderben müste; Nichtweniger kam mir in Sinn / daß GOTT und die Natur von seltzamen Kräfften und wunderbarlicher Würckungs-Stücken ein solchen reichen Vorrath hervor gebracht und erschaffen / unter denen vielleicht eins (oder auch wol sonst ein Künstler) gefunden werden möchte / so der Würckung meines Vogel-Nests widerstehen: dessen Krafft zernichten: mich sichtbar genug machen: und also in der Obrigkeit Hände bringen könten / die mich wegen so scheinbarlicher Anzeigung und selten gesehener Verkleidung mit gutem Fug an die Tortur werffen: und so lang peinigen lassen dörffte / biß ich unangesehen meiner Unschuld so viel bekennen würde / daß man mich wie die vorige Possessorin meines Vogel-Nestes auff einen Scheiterhauffen / als einen Zauberer / im Rauch gen Himmel schickte.

Diese und noch vielmehr dergleichen sorgsame Gedancken verursachten / daß ich wider mein Gewonheit wol zwo Stund länger / daß ich sonst pflegt / ligen bliebe zu faullentzen / ob ich gleich nur auff einem Stall im Stroh lag; doch entschlosse ich mich nichts eigentliches / sonder gedacht der Sach weiter nachzusinnen / wie ich thät / als ich mich auff den Weg begeben.

Jch verlangte sehr nach einer Stadt umb andere Schuh zubekommen / kame aber zuvor zu einem ansehnlichen Closter und beyliegendem Flecken / welches ich seiner Grösse halber von weitem vor eine zimliche Stadt ansahe; Wie ich nun durch den Flecken vor das Closter kam / fande ich das kleine Thürlein offen / welches ein alter Kerl mit einem Steltzfuß beobachtete / damit ungemeltet nichts Frembdes ins Closter käme / dieser strickte entweder Fisch: oder Vögelgarn / und hatte noch zu einem Ober-Auffseher in einem gerad unterm Thor befindlichem Zimmer sitzen: eine Ordens Person / welche Schuh flickte / weil er seines Handwercks ein Schuster: und deswegen in Orden auffgenommen worden war / nicht allein vor klein und groß zu schustern / sonder auch dem Steltzer wie ein Ober-Commendant das Thor zubewahren; Dannenhero hielte ich ihn vor eben denjenigen / den ich suchte / nemlich einen solchen / der mich erheischender Nothdurfft nach von neuen beschuhen würde; Jch wäre zum Thor hinein kommen / wann gleich auch der Schneider selbst bey ihnen auff der Wacht gehalten; Uber deß gedachten Zimmer Thür stunde mit Romanischen Buchstaben geschrieben S. Crispinus, worbey ich auch merckte / was man darinn handierte; dann ich wäre sonst vorbey gangen / und hätte nicht einmal in acht genommen / daß mir auß demselbigen Ort geholffen werden könte.

Nun ich kame mit guter Gelegenheit hinein / und fande zwar viel Leiste und zimlich Leder von allerhand Sorten / Alemode und Bäurisch: gemein und mittelmässig / Carduanisch: Gericht: geschmiert: Preussisch: Polnisch: Ungarisch: Niederländisch: weiß: roth: gelb und in Summa allerhand Leder / aber gleichwol kein eintziges paar neuer: weder kleine noch grosse Schuh / dargegen ich die meinige hätte vertauschen mögen / und was das schlimste war / so flickte der Bruder Laicus noch immerhin nur alte: deren er einen gantzen Mahlsack voll dort hatte / die schon fertig waren / und eben so viel die er noch pletzen muste; Ob ich nun gleich kein Vortel sahe / wie meine Schuh an diesen Ort gegen bessere zuvertauschen wären / so gedachte ich dennoch / der Kerl wird so viel herrlich Leder umb der Gänse willen und nur flickens halber nicht im Vorrath haben? dachte derowegen der Sach besser nach / und bekam dardurch den Einfall / daß das Closter irgentwo eine Quantität Schuh beieinander haben müste / darunter etwann ein eintziges paar mir anstehen und passen möchten; dieselbe nahm ich vor außzuspüren / und hätte ich gleich 17. Wochen im Closter verharren sollen; vor Essen und Trincken war mir allbereit nicht mehr angst / wie ich selbiges in wehrender Zeit bekommen möchte / dann ich sahe so viel / daß ich keine Ursach hatte / mich an deß Königs Arturi Hofhaltung zu wünschen / allwo die tafelrunde Gesellschafft der Abenteurlichen Jrr-Ritter immerzu so vortrefflich tractirt worden.

Jch gieng weitere durch den vor- und innern Hof / und fande noch mehr Werckstätte anderer Handwercks Leute / als Schmied / Becken / Metzger / Hafner / Köch und dergleichen / welche ebenmässig mit Leyen-Brüdern desselben Ordens besetzt waren; Jch kam zum Roßstall / worinn die schönsten Pferd beydes zum Reiten und Ziehen stunden; Rindviehe / die Schaf und Schwein waren zwar auff der Waid / aber an den Ställen sahe ich wol / daß beyderley ein grosse Anzahl vorhanden; Jch kam auch zur Mühl / deren wie auch deß Viehs Verpfleg- und Abwartung / aber keinen Ordens-Leuten sonder weltlichen Personen oblag; Von dar gelangte ich in den Baum- Küchen- und Blumen-Garten / worinn warhafftig ein rechter Lust zu sehen / weil alles so ordentlich und gleichsam Fürstlich zugerichtet und versehen; und eben deswegen machte der Vorwitz meiner Augen / die sich mit grosser Ergetzung darin waideten / daß ich länger darin herumb spatzierte als ich wohl im Sinn gehabt.

Also hin und her schleigend kam ich in eine selbstgewachsene Schatten-Hütte / in deren ein steinener Tisch und zugehörige Bänck stunden / daran zwey Patres ihre Horas beteten; als sie mit der Andacht fertig / sagte der Prior zu dem Groß-Keller / dem gnädigen Herrn ware vorkommen / was massen der Groß-Keller die vorgesterige Nacht biß umb ein oder zwey Uhr gegen Tag in der Gesind-Stube gesessen / sich mit deß Schäfers Schalmey erlustiret / und darbey etlichen aus dem Gesinde Biers genug spendirt hätte / welches ihm höchlich mißfalle / derowegen er dann ihme Prior befohlen / deßhalber zu inquirirn / und nach befindenden Dingen ihn der Verlauff wiederumb zu berichten / damit er zu Verhütung künfftiger solcher Ungebühr mit Vollziehung einiger Straffe verfahren: und also allen fernern unanständigen Aergernüssen / so man den Leyen geb / als auch den unnützen Verschwendungen vorkommen könte; Der Gros-Keller antwortet / es ist nicht ohn / daß ich mich diß Orts ergetzt / was wolte es aber seyn gegen der grossen Mühe / mit deren ich continuirlich in deß Gotteshauses Geschäfften beladen bin? Der Widder stöst nur stärcker / nach dem er ein wenig zuruck gelauffen und einen Zulauff genommen; zu dem hab ich auch nicht so gar schrecklich weit über die Schnur gehauen; der Hirt hätte einen geringen Vortel / vor seiner Heerde / wann er auch wie das Viehe Graß fressen müste: und kan ichs vor gar kein Unrecht erkennen / wann man denen die es mit ihrem getreuen Fleiß umbs Gotteshauß verdienen / bisweilen ein reiches Trüncklein zukommen läst / als denen die man dardurch zu ebenmässigen Fleiß locket und anreitzet: Allein mögte ich wohl wissen / wer der Fuchsschwäntzer seyn mag / der mich beym gnädigen Herrn angetragen? Das mögen Eu. Ehrwürden / sagte der Prior, außsinnen: Jch dörffte meinen Kopff verwetten antwortet der Groß-Keller / der junge Simplex hats gethan / dann den übrigen andern / so darbey waren / habe ich so etwas und noch wol mehrers zukommen lassen / welches aber jederzeit hingangen und verschwiegen blieben; Jch glaubs / sagte der Prior, dann wann er nicht je zu zeiten so etwas dergleichen zu Ohren trüge / so wärs unmöglich / daß er den Gn. Herrn in einer solchen Bälde so hart ans Hertze bachen können; Er liebt ihn da mehr als jemaln ein König seinen Favoriten! und wann wir ihn so fortfahren lassen / so wird endlich keiner aus uns keinen Fortz mehr lassen dörffen / den er nicht dem Gnädigen Herrn vorbringt / also daß wir ihn zuletzt mehr als den Gnädigen Herrn (wie das Wild den Spürhund mehr als den Jäger) fürchten müssen; Darumb / antwortet der Groß-Keller / ists vonnöthen / daß wir diesen Battum beyzeiten auß dem Weg raumen; welcher gestalt solches aber füglich geschehen kan / darüber ist sich zu bedencken / sintemal es schwerlich wird beschehen mögen / weil ihn der Gnädige Herr so hoch liebt / ohn ists nicht / der Jüngling hat schöne qualiteten / aber der grosse vielleicht von seinem Vatter ererbte Mangel / daß der Phantast so gar offenhertzig: und weder simulirn noch dissimulirn: noch mit seinem teutschen Maul so gar nichts verschweigen kan / sondern jederman ohne scheu die Wahrheit trucken herauß zu sagen / gewohnet ist / verderbet ihn / welches uns künfftig viel Ungelegenheit bringen dörffte; doch ich habe einen Anschlag / vermittels dessen er auß dem Sattel zu heben; den will ich probiren / gehet er an wol und gut / wo nicht / so müssen wir wol auff einen andern bedacht seyn.

Weil diese so untereinander redeten / wurde ich gewahr / daß neben dem einen Pater ein Nastüchel / ein Täschen-Messer / ein Schnupff-Taback-Bixel und ein Schlüssel lag / so er auß seinem Sack gethan / als er ein Misiv darinn suchte; Jch sahe den Schlüssel stracks vor den Haupt-Schlüssel an / weil er mit vielerhand krümmen und gestirten Zügen durchbrochen / und sonst zimlich ausgearbeitet war / nahm ihn derowegen zu mir / als das bequemste Instrument / vermittelst dessen ich zu den verlangten Schuhen kommen mögte; fande mich auch nicht betrogen.

Darauff hin gieng ich auß dem Garten in das Gebäu / und durchschliche alle Zimmer und Winckel deß gantzen Clostets; wo eine Thür beschlossen war / da öffnet ich sie mit dem Hauptschlüssel / ich fande die Bibliothec / sondere Zimmer darinn man studirte / sondere darinn man sich recreirte / sondere darinn man täglich und ordinari: und auch sondere darinn man extraordinari mit frembden Gästen speisete / sondere Zimmer / Cellen oder Cämmerlein darinn die Ordens-Leut wohneten / und sonderbare so vor die Frembde Ankömmling und Gäste accommodirt waren; auch fande ich die Badstub / die Pfisterey / die Speck-Cammer / und was mich zum höchsten erfreut / nicht allein auch die vorräthige neue Schuh und Stiefel / alte und neue Sättel und andere Pferdsgezeuge / sondern auch einen grossen Vorrath von allerhand leinen Geräth / Hembdern / Leilachen / Tischtüchern / Handzwehlen / Servieten / Fatzinetlein / Strümpf / Uberschläg und dergleichen; davon das neugewaschen schön in Ordnung lag / das schwartze aber über etliche Stangen auffgehenckt war; daselbst vertauschte ich mein schwartz Hembd umb zwey weisse / und dorffte sonst nichts aufgeben als die Läuse / die sich in dem meinigen in unzahlbarer Menge befanden; wie ich dann auch eben zuvor solcher gestalt meine Schuh umb ein paar neuer hingeben / die mir so glat anstunden / als wann sie mir angemessen worden wären / sie gefielen mir auch so wol / daß ich kein andere als selbige genommen hätte / wann ich sie gleich mit baar Geld bezahlen müssen.

Auff diese Ausstaffirung hatte ich denselben Tag sonst keine Verrichtung als meinen Magen zu füllen / und mein Nachtläger zubeziehen; Jenes thäte ich in der Pfisterey bey einer guten Stütze voll abgelegenen Mertzenbier / die ich daselbst ungefehr antraff und auff Gesundheit Pfisters in seiner Abwesenheit außläerte / und den Rest meines Wildbräds vollends auffzehrte / und dieses gleich darauff in einer Cellen / darinn allem Ansehen und meinen eigenen Beduncken nach ein Bett vor Frembde auffgerüstet war; welches mir so trefflich zuschlug / daß ich ohn alle Sorg darinn schlieff / biß jederman im Closter den folgenden Morgen seine bestimmte Zeit allerdings in der Kirchen zugebracht hatte; ich machte das Bett wieder wie sichs gebührt / und kam noch in die letzte Meß / die denselben Tag vor eine Herrenstands-Person verzogen und aufgehalten worden / welche kommen war / den Prælaten zu besuchen / und ihre Andacht daselbst zu verrichten.

Man hatte auff denselben Herrn ansehnlich zugerichtet / und thät ihm als einem Gutthätern und lieben Nachbarn deß Gottshauses alle Ehr an; Er speisete mit dem gnädigen Herrn an seiner Tafel / worbey ich mich unter die Auffwärter mischete / und mich mit schmorotzen von den Bißlein auff den abgehobenen Dellern und Schüsseln behalffe; Da sahe ich nun den jungen Simplicium mit auffwarten / und die zwey Patres die ihm so übel wolten / an der Tafel sitzen; er war eine schöne junge Person / ja so wol gebildet und zart / auch von wohlständigen Geberden so anmüthig / als ich jemals ein Manns-Mensch gesehen; massen er dem frembden Herrn solche Verwunderung brachte / daß er in seiner Abwesenheit den Prælaten fragte / woher ihm dieser mundere Kerl zukommen wäre? Er antwortet ihm / daß er deß Weltberuffenen Simplicissimi Sohn sey / den ihm sein Vatter vor einen Cämmerling recommendirt, daß er beneben mehrers studire / und außgeholet werden solte / ob er sich nicht in den geistlichen Stand schickte; und damit erhub er ihn mit Lob dermassen / daß man unschwer darauß abnehmen konte / wie weit seine Wissenschafften und Gaben deß Gemüths die äusserliche Gestalt deß Leibs übertreffen thäten! kurtz gesagt / er war in deß Prælaten Augen und judicio von solcher Achtbarkeit und æstimation, daß er gleich hätte einen Cardinal abgeben müssen / wann der Pabst so viel von ihm gehalten hätte.

Jch merckte wol daß diß Lob von den gedachten Patribus mit unwilligen Ohren gehöret wurde / derowegen sagte der eine / es ist zu wünschen / daß er durchaus so sauber sey / wie von ihm geglaubt wird; ohn ists nicht / er hat unvergleichliche Qualitäten / aber! und damit schwieg er still und liesse vor dißmal dem Gnädigen Herrn ein Nachdencken; Demnach sich aber der Jmbs geendet / berichtet er ferners auff deß Gnädigen Herrn Begehren / was massen ihm etliche Opffer-Pfennig außgefischt worden / an einem Ort da sonst niemand hinkommen als Simplicius; Jch will ihn / antwortet der Prælat darauff / selbst probieren und außnehmen / somit einem eintzigen Louis geschehen kan / welchen ich ihm in meinem Zimmer legen will; Jch gedachte / und alsdann wird sich deß angegebenen Unschuld wol finden / aber was geschahe? es stunde über ein paar Tag nicht an / da hörete ich / daß der eine von den beyden feindseligen sagte / die Glock ist gegossen! Jch habe den gelegten Thaler selbst beym Kopff kriegt / und heut wird der Gnädig Herr unsern Spürhund fortschaffen; Was ich gedachte kan der Leser gedencken; Jndem zog er den Louis herauß und sagte / was wollen wir mit ihm machen / dann es ist Blutgeld? aber als sie sich so drüber berathschlagten / und ihn kaum aus den Händen gelegt / erwischte ich ihn / so daß er ihnen aus den Augen verschwand / mit ihrer allerhöchsten Bestürtzung.

Jch gieng gleich hin / dem Gnädigen Herrn denselben wiederumb darzulegen / ob ich etwan die Unschuld noch erhalten mögte / konte aber ehender nicht zukommen / als biß der junge Simplex, unterm Vorwant / ob wäre daß Gotteshauß mit gnugsamen Leuten versehen / bereits fortgeschickt worden; da gönnte ich den Thaler dem Closter auch nicht / weil ihm derjenig nit gehört war / der damit verjagt worden; Hierauff verbliebe ich noch wol 8. Tag im Closter / und sahe die Gebräuch / Ordnung und Gewonheiten deß Ordens / Jch sahe die allerandächtigste Personen / die in dem Gottesdienst gleichsam wie die Engel lebten / hingegen sahe ich aber auch / daß sich theils zuviel mit dem Zeitlichen schleppten; die Einfalt hatte daselbst den richtigsten Handel / und die derselben beygethan waren / bedunckten mich die frömbste zu seyn; die schlauhe aber wurden mit weltlichen Geschäfften so überladen / daß mich bedunckt / sie lebten wegen ihrer Seligkeit in gleich so grosser Gefahr als die Welt Menschen; Jm übrigen so hätte ich dasselbe Closter wol vor einen seligen Ort gehalten / und passiren lassen / wofern nur der leidige Neid und Mißgunst nicht auch dorten gewohnet hätte; Von allem was ich sonst sahe / bedunckt mich ein Gnüge und Uberfluß vorhanden zu seyn / auch solche mässige und regulirte Ordnung daß ich mir kein besser Leben hätte wünschen mögen; aber allein diese gedachte heimliche Seuch hielt sich so verborgen / daß sie nicht zu curiren war.

Als ich nun genugsam außgeruhet / und mich eben so wol außgefüttert hatte / versahe ich meinen Rantzen auß der Kuchen mit einem Schuncken und Hammelschlägel der mit Knoblauch gespickt war / weil ich wuste / daß solche kalt nicht übel schmecken / lieferte meinen bißher gehabten Hauptschlüssel dem Groß-Keller wiederumb ohne einige Complimenten / und nahm darauf meinen Weg ferner; hätte mich auch gern vor die empfangene vortreffliche Tractamenten bedanckt / wann ich nur ersinnen mögen / auff was weiß solches täglich beschehen können.

Wol zwo Stund gieng ich / daß mir nichts denckwürdigs begegnet / als ich mich aber zu nechst am Weg bey einem Brunnen nidersetzt und zu mittag asse / kam eben der Küh-Dieb / den ich schon etlichmal auff den Weg angetroffen / nemlich der jenig der seinen eignen Cammeraten in deß Kauffherrn Hauß hingerichtet / er setzte sich zu mir in Schatten / zog ein Stück Brod und Fleisch hervor / und fieng an mit mir in die wett zu essen / und als er sich gesättiget und wieder seines Wegs gieng / wandert ich mit / auff daß / wann er vielleicht wieder etwas übels anstellen wolte / ich ihm darvor seyn könte / aber es stiesse uns nichts auff / daran er sich zu vergreifen unterstanden / sondern wir kamen nach dreyen Stunden in eine Stadt / darin eine Universität war / allwo er in eines Schneiders Hauß einkehrte / und fragte / ob sein Rock fertig wär? Der Schneider antwortet ihm zwar mit nein / sagte aber doch / es mangle nur noch die Knöpffe anzusetzen / wann er sich nur ein halbe Stunde gedulden wolle / so solte ihm vollends geholffen werden; der Kerl war dessen zu frieden / aber ehe die halbe Stund verfloß / kamen die Buttel und Schürgen der Stadt mit etlichen bewehrten Mannen / und führten den Herrn Urian in Diebs-Thurn; dann die Meißner / denen neulich etliche Ballen Tuch in der Nachbarschafft auff einem Jahrmarck gestohlen worden war / hatten hin und wider so wol bey ihren Bekandten Tuchhändlern als Schneidern die Anstalten gemacht / durch welche auff die Spuhr ihres verlohrnen Guts zu kommen seyn mögte; Weil dann nun dieser Mauskopff einen Rock von zweyerley Farb / nemlich Fürstenfarb und blau schneiden lassen / und dem Schneider angedingt hatte / daß er ihn also nähen solte / daß man ihn umbkehren und auff beyderley Manier tragen könte; und dem Schneider solches verdächtig vorkommen / daß ers seiner Obrigkeit (wie allen seines Handwercks bey ihren Ayden auferlegt worden) anzeigte / zumaln auch die Meißner diese beyde Tücher von ihrem Gut zu seyn erkannten; als ist der Dieb hierdurch verrathen und erdappt: folgends auch gehenckt: das folgende Jahr aber am heiligen Charfreytag selbst mit samt der Ketten und den Kleidungen vom Galgen gestohlen worden.

Nachdem die Büttel diesen nun hingeführt / gieng ich in ein Wirthshauß / daran ein Schild hieng / auff welchem ein schwartzes Pferd gemahlet stunde / der Hoffnung es werde mir ein Trünckel Wein oder Bier darinn gedeyen; aber es waren so gar keine Gäste darinn vorhanden / daß ich daselbst meinen Durst zu leschen verzweifelte; Jch ward mit einem Mühlartzt in die Stuben kommen / der einen Sack Mehl hinein trug / und auff die Banck stellete / dem gab die Wirthin so allein vorhanden / ein Stück Brod und einen Schmarren stinckenden Schmir-Käs darauff und gieng / und holete ihm ein Quartglaß voll Wein; Jn dessen diese herumb aus war / legte der Müller den Schmier-Käs auff den Sack den er gebracht hatte / entweder weil er keinen Käs asse / oder weil der Käs in seinem natürlichen Geruch gar zu starck war; hernach tranck er den Wein / bedanckte sich und empfieng von der Wirthin Befelch / er solte ihr ein andermal das Gut genau zusammen halten / so solte es jeweils an einem Trunck und vielleicht zu zeiten auch an einem Trinckgeld nicht mangeln / je nach dem er gut Bossen machen würde.

Als der Mühlartzt hinauß tratte / kam der junge Simplicius hingegen hinein / und begehrte ein halbs / welches ihm die Wirthin alsobald holete; Er setzte sich darzu nieder / die Wirthin aber holete die Bachmulte / stellte sie zum Stuben-Ofen und machte Bereitschafft den Täig anzumängen; Als sie aber den Sack Meel nicht hin zum Bachtrog tragen konte / denselben außzulären / unangesehen sie sich daran abmergelte / daß sie auch den darauff liegenden Schmier-Käß überall mit dem Hälsigen zerknettet / und sich ohne ihr Wissen damit besudelte / stunde der ehrliche Simplicius auff / und wolte die Wirthin sich nicht mehr so abnöthigen lassen / sondern nahm den Sack (unangesehen seiner saubern Bekleidung / die er gantz mehligt machte) trug ihn zur Bachmulden und läerte ihn auß; und als er so wol als die Wirthin an die Kleider schlugen / solche wieder abzustäuben / da kam der Wirth selbsten in die Stub / und erblaste gleich im ersten Anblick / als er so einen schönen jungen Kerl / mit seinem gleichfalls nicht häßlichen jungen Weib in solcher Arbeit sahe; in summa es war ihm so ums Hertz / daß er anfänglich kein Wort reden konnte; Sobald er aber auch an eines jeden Brust einen Particul von dem stinckenden Käß sahe / welcher daran zerrieben seyn schiene / die gantze Stub auch voll dessen Geruch war / da konte er sich nicht mehr enthalten / wegen vermindlicher so gewisser und unfehlbarer Zeugnüß sein Weib eine ehebrecherische Hur und leichtfertige Vettel: den Simplicium aber einen ehebrecherischen Hurenhengst / Schelm und Ehrendieb zu schelten.

Er liesse nicht Zeit / weder Simplici noch seines Weibes Entschuldigung zu hören / sondern erwischte in seinem vermeintlichen gerechten Zorn und wütenden Eyffer Stühl und Bänck / beydes den unschuldigen Ehebrecher und die Ehebrecherin hinzurichten; der junge Simplex gieng zwar defensivè so gut er konte / aber gegen solchem ergrimmten Wirth der nur Rach begehrte / hätte er wenig außgericht / wofern ich den zornigen Wirth nicht unsichtbahrer Weiß an Vollführung seiner grausamen Streiche verhindert hätte; dieser Alarm wurde gleich von der Nachbarschafft gehöret / und darum lieffe dieselbige zu; und als zu allem unseren Glück eben die Schürgen und Bittel darzu kamen / die obengedachten Maußköpff in Thurn geführt / fielen dieselbe zugleich mit ins Hauß / und nahmen von wegen der Obrigkeit den Wirth / die Wirthin und Simplicium in gefängliche Hafft; ohne daß jemand an den mit Käß geschmierten Sack gedacht hätte / der dieses unversehenen und seltzamen Spiels Ursach gewesen.

Da ich nun sahe daß in diesem Wirthshause nichts zu schmaussen setzen würde / suchte ich ein anders / und kam eine lange Gasse hinauß in eins / welches in seinem Schild eine Rabe führte / und dannenhero zum Rappen genannt wurde.


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