Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. VIII.

Künstlich Vorgebäu / zu Verhütung / daß dir kein frembder Stier in Stall steigt / noch der Guckuck Eyer ins Nest legt.

DArauff verfügte ich mich bey Oeffnung der Pforten zur Statt hinauß in meinen Garten / mehr mein Naßtüchlein im Garten-Häußlein verwahrlich aufzuheben / und also die Unsichtbarkeit abzulegen / als daß ich sonst etwas darinn zu verrichten gehabt hätte; Aber ungefähr umb neun Uhr gieng ich wieder nach Hauß / und fand mein Weib noch auff ihre überstandene herbe Nacht im Bett der Ruhe pflegen; Jch verwundert mich mit Bekreutzigung / als ich sie so schön zugerichtet sahe / und fragte sie / was ich besser als sie selbst wuste / wordurch sie nemlich doch in so kurtzer Zeit meiner Abwesenheit so jämmerlich verstellt worden wäre? Ach allerliebstes Hertz / antwortet das verlogen Raben-Aas / ich wolte gestern etwas von weissen Geräthe auff unserer obern Bühne auffhencken / und als ich zu solchem End eine Leiter anstellte / glitscht solche unden auß / also / daß ich mit ihr übern Hauffen : und endlich gar die Stegen hinunter gefallen / welches mich bey nahe das Leben gekostet; Jch fieng gewaltig an zu kollern / und sagte / worzu halte ich so ein Hauffen Mägd im Hauß / wann ihr alles selbst thun wollet? Wie verdienen sie Kost und Lohn? Jch hätt ein guten Lust / und nehme einen Brügel / und lernete sie / ein andermal besser ihrer Frauen an die Hand gehen; sonderlich stellte ich mich gar letz über die Beschliesserin / als deren billich vor andern angestanden wäre / ihrer Frau Basen besser vorzugehen / damit solch Unglück vermitten blieben wäre; mit Bedrohung / wann sie sich nicht besser ins künfftig gegen ihr anlassen würde / sie vor all Teufel hinweg zu jagen; mein Weib aber entschuldigt sie nach aller Müglichkeit / und schwur darvor / daß sie an ihrem Unglück im geringsten nicht schuldig wäre / ob ich gleich besser wuste als sie / daß ihr durch deren Vermittlung diese Abzwagung zugerichtet und angebracht worden war; Endlich liesse ich den angemasten Zorn fallen / damit ich meinem Weib desto tröstlicher zuzusprechen Zeit hätte: Jch nöthigte sie auß dem Bett / unterm Vorwand als wann ich förchtete / es möchte sich irgends gerunnen Blut gesetzt haben / daß ihr künfftig grosse Ungelegenheit verursachen / oder sie wol gar in Gefahr deß Lebens Verlust setzen mochte / welches / ehe es übereinander erstürbe / wiederumb durch hin und her gehen zertheilt und verwebert seyn müste; in Warheit aber lag mir an / sie möcht im Bett liegen verbleiben / und nicht zu deß Apotheckers Mahlzeit kommen / wordurch dann mein Anschlag / sampt dem Nutz und Spaß / den ich darvon hoffte / verhindert und zernichtet würde.

Eben darumb halffe ich sie ankleiden und auffheben / ich gieng so säuberlich mit ihr umb / wie mit einem Kindbetter-Kindgen; alle meine Reden fielen mitleidenlich / und süsser als Zucker! und die Titul so ich ihr gab / hatten nur diesen Jnhalt / ach mein Hertz! mein Leben! mein Schatz! meine Seele! mein Trost / etc. damit brachte ich sie dermassen wiederumb in ein Glaiß / daß sie nit mehr dran gedachte / oder doch wenigst nit hoch achtete / wie sie im Angesicht außsahe / und dannenhero war sie desto gewilliger in die Carede zu sitzen / als der Apothecker ankam / uns beyde zu Gast zu laden / und zugleich abzuführen; vornemlich als er sagte / es wäre so nöthig als ersprießlich / das gerunnen Blut zu zertheilen / daß sie ein wenig in einer Gutsche auf dem gepflasterten Weg in der Statt herumb geführt / und also etlicher massen geschockelt oder erschüttert würde; Sie butzte sich hinlässig nach Beschaffenheit ihres damahligen zerstörten Gemüts / ich aber zog mich Feyertäglich an / umb dem Doctor zu weisen / mit was vor einem vornehmen Kerl ers zu thun kriegte / wann er sich durch mein Weib ins künfftig vielleicht wieder reitzen lassen würde / mir Hörner auffzusetzen; Und also fuhren wir nach der Apotheck / und stiegen im Hof vorm Garten ab / worinnen in dessen lustigem Sommer-Hauß der Jmbs gehalten werden solte.

Jndessen nun der junge Doctor (von dessen Gegenwart / und daß er mitspeisen solte / mein Weib das geringste nicht wuste) die Apotheck visitirte / so doch nur pro forma angestellt worden / spatzierte ich mit meinem Hertzgen im Garten herumb / und zeigte ihr die raritäten und wunderbarliche Gewächse / die sich darinnen befanden; Jch ehrete sie allerdings wie eine Göttin / und caressirte / als wann ich erst hätte wollen anfangen mit ihr zu lefflen / brachte sie auch damit auff so einen guten Laun / daß es schiene / als wann sie der verwichenen Nacht allerdings vergessen / oder / ob wäre ihr in derselben kein Schabernack widerfahren.

Wie nun der Tisch gedeckt / der Wein ins Kühl-Wasser gesetzt / und nicht allein das Tischtuch / sondern auch der Boden deß Garten-Hauses zu mehreren Wollust mit allerhand so schönen als wolriechenden Blumen überstreuet / und mit Rosen-Wasser überall gespritzt und angefeuchtet worden / man auch allbereit anfienge die Speisen auffzutragen; Siehe / da kam der Herr Doctor mit dem Apothecker auch herein getretten / worvon sich mein Weib beydes im Angesicht und Geberden dergestalt entfärbte und veränderte / daß ich leicht darauß abnehmen konte / wie grausam ihr wütiger Zorn in ihrem Gemüth rumorte; Jch aber lieffe seiner Excellentz alsobalden entgegen / und macht einen gantzen Hauffen Frantzösischer Complimenten / was massen ich mich nemlich deß unverhofften Glücks freuete / welches mir so unversehens die Ehr gönnete / mit ihm bekand zu werden; nöthigt auch mein Weib / so durch freundliches Zusprechen / als sonsten durch hohe Beschwerung / daß sie hingieng (aber allerdings wie eine hierzu gebannete Schlang oder Natter) mit der Handgebung seine Excell. zu bewillkommen; wiewol ich glaube / daß sie ihm lieber ins Angesicht gespyen hätte; der Apothecker aber übereylete uns mit nötigung zum nidersitzen / und brachte also mein Weib zum Doctor an Tisch / ehe sie sich besinnen konnte / daß sie wie auff Nadeln sitzen würde.

Dann gleich darauff setzte es bey ihr erschröckliche Minen / sie sahe auß wie eine Höllische furi, und blitzte mit den Augen / als wann sie hätte Feuer darauß speyen wollen: sie ruckte mit dem Arß hin und wieder / als wann sie Wespen drinn gehabt / sie trilte den Deller herumb / und wieder hinumb / wie Hans Wurst seinen Hut / so wolte ihr auch Messer / Gabel und Löffel niemal nach ihrem Sinn recht ligen / sie liesse das Maul hangen wie ein Lait-Hund / kein Wort kam herauß / und weder Speiß noch Tranck hinein; anfänglich schiene sie wie ein stumm / und auffs letzte gar wie ein geschnitzelt Bild: beydes ich / der Apothecker und der Doctor sprachen ihr zu / und vermahnten sie zum Essen / Trincken / und lustig zu seyn / aber vergeblich / und dahero nahm ich Ursach / sie selbst bey dem Herrn Doctor zu entschuldigen / in dem ich sagte / mein hochgeehrter Herr Doctor halte ihr etwas zu gut / sie hat gester in meiner Abwesenheit auff einen Balcken steigen / und etwas von weissem Zeug oben im Hauß auffhencken wollen / und als ihr die Leiter entgangen / ist sie die Stege hinunder gefallen / massen mans ihr im Angesicht noch wol ansiehet / so daß es heut schlechte Freud bey ihr wird setzen / und was mich am mehristen bekümmert / ist diß / daß ich sorge / sie möchte vielleicht etwas im Leibe zerknirscht haben / daran sie ein weil zu kauen haben möchte: wann derowegen der Herr Doctor vielleicht ein gewiß Mittel wüste / dardurch der besorgenden künfftigen Gefahr / so noch hierauß entstehen möchte / vorzukommen wäre / so bitte dienstlich / mir umb die Gebühr solches zu communiciren / darauff nante der Doctor unterschiedliche Materialia, so dienlich wären / das gerunnen Blut zu zertheilen / sagte ihr auch gar offenhertzig / wie sie das ein und ander gebrauchen solte / sie aber würdigte ihn hingegen keines Anblicks / sondern gedachte vielleicht wie deß Goldschmids Jung / weswegen sie ohn Zweiffel der Doctor bey sich selbst vor ein grob und unhöflichs Weib / oder wol gar vor ein Närrin halten müssen.

Nachdem wir nun ungefähr bey einer Stund lang also da gesessen / hiesse der Apothecker sein Gesind / item deß Doctors Famulum, und meine Beschliesserin / die ihrer Frauen auffwartet / auch hin zum Essen gehen / ich aber wolte nicht geschehen lassen / daß die Beschliesserin vor dißmal hingieng / sondern befahl ihro bey der Frauen zu bleiben; sie waren aber kaum dahin gangen / als deß Apotheckers Jung wieder daher geloffen kam / und schrye / der Herr soll hinauß kommen / es ist ein Raths-Herr da / der mit dem Herrn in Eyl etwas sprechen will / darauff gieng der Apothecker fort / aber der Jung kam gleich wieder zurück / und sagte / nicht mein Herr / sondern dieser Herr (damit auff mich deutend) soll herauß kommen: derowegen stunde ich auff und brumelte / daß ich nicht so viel Zeit haben solte / mit ehrlichen Leuten ein stück Brot in Ruhe zu essen / ich lieffe aber nicht zu weit / sondern stunde mit dem Apothecker hinder ein Gegitter / da ich alles sehen und hören konte / was mein Weib nun endlich mit ihrem geliebten Doctor beginnen wolte.

Diese war damahl vom Zorn gantz eingenommen und besessen / sie hatte nichts als scharpffe Gall im Maul / gifftige Stralen in den Augen / ein grimmige Wuth im Hertzen / Feuer und Flammen in ihren Backen / und ihr gantz Angesicht sahe auß / gleich als ob die Höllische Geister sich dort ein logirt hätten; der Doctor, so zuvor die geringste Kundschafft zu ihr nicht gehabt / wolte ihr / nachdem ich hinweg war / freundlich zusprechen / aber so bald hatte er das Maul nicht auffgethan / da fiele sie ihm in die Rede / und sagte: O du allerundanckbarste Bestia / du garstige unflätige Sau / wie darffstu dich erkühnen / nur ein Wort mit mir zu reden? Du verschissener Lotterbub und Teuffels-Cloac / kans auch wol müglich seyn / daß du Dreck-Wangst dich deines begangenen Schelmenstücks nicht schämest? wie kans immer seyn / daß du garstig Scheiß-Hauß dich nicht gescheuet hast / deinen stinckenden Dreck-Sack / und Auffenthaltung alles Unflats in meine Gegenwart zu bringen; Ich schwere dir Sau-Rüssel / wann ich diß Orts nicht schohnete / und nicht was anders besorgte / daß ich dir diß Messer im Leib umbkehren wolte: aber gedenck / daß du mir die Tag deines Lebens nimmermehr vor mein Angesicht kommest / und schaue / daß du dich bald von hinnen in dein stinckend Withopffen-Nest packst. Hier scheuete mein Weib die Beschliesserin gantz nicht / weil sie umb ihr vermeynte Heimlichkeit wuste: und der Doctor wurde hierüber so bestürtzt / daß er ohne alle Bewegung dort sasse wie ein Klotz: aber damit er auch nicht Zeit hätte sich zu erholen / und über die empfangene Unbillichkeit zu klagen / kam ich wieder mit dem Apotecker hinein / und sahe mein Weib an / die vor Zorn noch zittert. Ich stellte mich / als ob ich mit Verwunderung mich über ihrem Anblick entsetzte / und sagte: Ach Schatz wie sehet ihr auß? Mein Hertz was ist euch widerfahren? Ach liebstes Hertz / wann euch vielleicht das lang sitzen übel bekompt / so stehet immer ein wenig auff / und erspatzieret euch ein bißgen im Garten: sie antwortet / ich muß bekennen / daß mir nicht ist / wie dem Pfaffen am Ostertag / und in dem sie also darvor hielte / ich glaubte sie wär unpäßlich / siehe / da wurde sie alsobald gantz kranck / mit begehren / der Apothecker wolte sie mit ihrer Magd unverweilt wieder heim führen lassen / welches dann eben das jenige war / so ich damahl wünscht / sucht und fande.

Sie war kaum hinweg / als mir der Doctor klagte / wie grob und unverantwortlich sie ihn mit den allerschändlichsten Worten von der Welt angefahren und beschimpft hätte: da muste ich mich nun wieder artlich in den Possen schicken: Ach! sagte ich / nun weiß ich / warumb sie diese gantze Mahlzeit so still da gesessen? Der Zustand ist leyder wieder an ihr / mit welchem sie vor ein paar Jahren behafftet gewesen: Ach was hab ich elender Mann doch vor ein Freud mit ihr bey ihrem grossen Gut und Gelt zu hoffen? Mein hochgeehrter Herr Doctor, bitte ich / wolle ihr nicht allein solches zu gut halten / sondern auch mit mir armen Mann ein Christlichs Mitleyden tragen: Es überfällt sie bißweilen ein melancholischer Zustand / in welchem sie zu Zeiten dermassen anfahet zu wüten / daß in solcher Tobsucht offtmal kein Mensch bey ihr sicher: sie stößt die grausamste Scheltwort und Verleumbdungen gegen die aller-unschuldigste Leut auß / und macht gar keinen Unterscheid zwischen allen denen / die ihr alsdann ins Gesicht kommen / und meiner selbst verschohnet sie öffters am allerwenigsten; und was das allerärgste / ist diß / daß sie sich auch bisweilen gar nicht scheuet / den Nächsten / so umb sie ist / würcklich anzugreiffen / und denselben / ehe man sichs versiehet / oder darvor seyn kan / mit Fäusten und Nägeln zu tractirn, und wann ihr niemand dergleichen angehet / läst sie ihre Wuth an ihr selbst auß / wie ich dann nunmehr glauben muß / daß sie nicht die Stegen hinunder gefallen sey / wie sie / und mein Gesind mich überredet / sondern daß sie sich selbst so zugericht habe / wie der Herr Doctor ohnschwer in ihrem Angesicht gesehen haben wird.

Das ist eben das beste / daß sie zeitlich wieder zu Sinnen kompt / ich hätte sie sonst vorlängst anlegen lassen müssen / alsdann weiß sie nicht Wort genug zu finden / die jenige wieder umb Verzeyhung zu bitten / welche sie beleidigt zu haben erfährt / ich weiß auch / daß sie künfftig solche von dem Herrn Doctor zu erlangen / auff die Knye niderfallen würde / aber wann man jetzt viel Wort mit ihr wechseln wolt / so würde man nur auß Ubel ärger / und sie in ihrer Wuth je länger je rasender machen.

Der Doctor erzeigte sich hierauff gar mitleidenlich mit meines Weibs grossem Creutz / und sagte / er wolle ihr nicht allein zu gut halten wie sie ihn auch geschmähet / sondern noch Gott darzu vor sie bitten / daß er ihr und mir solches schwere Hertzenleyd abnehmen wolle: und demnach ich mich hierauff gar betrübt stellete / schieden wir desto ehender wieder voneinander: Jch aber freute mich von Hertzen / daß mir dieser vorgehabte Anschlag so trefflich gelungen / weswegen es dann zwischen mir und dem Apothecker genug zu lachen setzte / welcher besser als ich observirt / mit was vor krämischen Blicken mein Weib ihren Ring an deß Doctors Hand begnädigt.


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