Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. XXV.

Was es eigentlich mit den Festigkeiten sey.

WEil ich mir einbildete / ich lebte nunmehr in einer Zeit / darinnen wegen deß grausamen Kriegs sonst nirgends sicherer zu wohnen seyn würde / als eben mitten unter den Waffen deß Aller-Christlichsten Königs / denen sich alles unterwarff / wo sie sich nur hinwendeten; Siehe / so bat ich meinen Pater, daß er mich bey sich gedulden wolte / biß ich mit guter Sicherheit wiederumb nach Hauß kommen könte; Jch fande ihn hierzu mehr als willig / massen er deßwegen auch / daß er mich bey sich behalten dörffte / mit der Generalität Consens außwürckte. Aber damit wars drumb noch nicht außgericht / sondern der Pater sagte mir / wann ich in seiner Gesellschafft leben wolte / so müste ich mich befleissigen der jenig zu seyn / welcher ich zu werden ihm in der Beicht versprochen: Nemlich ein solcher Mensch / der nicht nur seine begangene Sünden von Hertzen bereuete / sondern auch sich vor den künfftigen hüte / und alles auß dem Weg raume / daß ihne GOtt weiters zu erzürnen / anreitzen und verführen möchte; So viel ihn bedüncke / hätte ich der aller-greulichsten Abgötterey / mit deren ich mehr als kein Heyd behafftet / noch lang nicht völlig resignirt / welche da in den Teufelischen Künsten steckte / mit denen ich mich geschleppt; Es verwundere ihn / daß ich nicht von mir selber die Augen auffthue / und erst auff seine Ermahnung warte / daß ich nicht selbst bedächte / wer der jenig sey / den ich so offt und so sehr verschmähet und beleidigt hätte? Nemlich GOtt meinen Schöpffer / meinen allergütigsten Himmlischen Vatter / von welchem ich alles hatte was ich besässe / die Seel / den Leib / das Leben / leibliche Zierde / Stärck / Schönheit / gantze / gesunde und gerade Glieder / Verstand und Vernunfft / Nahrung und zeitliche Gut / den der mir unsäglich weit getreuer sey / und mich mehr liebe / als meine leibliche Eltern gethan mögen haben / der mich nicht taub / blind / lahm / stumm / unsinnig / außsätzig oder sonst Mißgeburtlich / noch ein Erd-Wurm / oder unvernünfftige Bestia / oder unempfindliche Ding / sondern eine vernünfftige wol formirte Creatur zu seinem Ebenbild erschaffen / die der ewigen Seligkeit mit den Engeln fähig wäre / den / der mir auch das ewig Leben verheissen / welches er seinen Außerwehlten bereitet / und mir seinen heiligen Engel zu einem Lehrmeister / Diener / Hüter und Beschirmer zugeordnet / den / der mich auch selber behütet / und erst neulich vor dem Zeitlichen Tod und der ewigen Verdammnus mehr als Augenscheinlich und Handgreifflich bewahret hätte / als mich der leidige Feind (in dessen Schutz ich mich begeben / und den getreuen GOtt verlassen) auff die Fleisch-Banck liefern / und beydes umb das Zeitliche und Ewige Leben bringen wollen / in dem er mich so wol durch die Unsichtbarkeit als Festigkeit sicher und tollkühn gemacht. Gedencke mein Sohn / sagt der Pater weiters / wie manchen Menschen vermuthlich der gerechte GOTT in so beschaffener Gelegenheit sterben lassen / der ihn vielleicht nit so grob und so manchmal erzürnet / wie mag sich doch / O mein Kind / deines Hertzens Härtigkeit der heissen Thränen enthalten / wann du erkennest / wie offt und gröblich du deinen Schöpffer mit deinen Sünden beleidigt hast / umb deren wegen er dich umb seiner Gerechtigkeit willen so offt verdammen mögen / solches aber gleichwol nicht gethan / sondern biß auff diese Stund Barmhertziglich auff deine Besserung gewartet? Ja dich zur Bekehrung lockt / und auffs allerfreundlichste berufft / damit er dich selig machen / und dir sein Heyl mittheilen möge / und solches thut zwar der Allermächtigste / der deiner am wenigsten nicht bedarff / dessen Hochwürdigkeit und Majestät von unzahlbaren Millionen heiligen Engeln und Menschen mit zittern und Verwunderung gelobt / geehrt und angebetet wird / dessen großmächtige unaussprechliche Glory / Herrlichkeit / und allerheiligste Vollkommenheit weder der Engeln noch Menschen Verstand begreiffen mag; siehe mein Sohn! mit dieser Allerheiligsten und Großmächtigsten Majestät stehestu / wie mich beduncken will / noch in Feindschafft / und hängst dem Teufel an / der doch dein allerärgster Feind ist / den du immermehr haben kanst / etc.

Mit solchen und dergleichen mehr Worten / die mir aber seyther vergessen / sprach mir der ehrliche Pater dapffer zu / und redet mir dermassen ins Hertz / daß ich mehr als genugsam empfande / und mir mein eygen Gewissen überflüssig genug sagte / was ich vor ein ehrbarer Gesell seye / aber dessen alles unangesehen / suchte ich (ohne Zweifel durch Eingeben und Trieb deß leidigen Sathans) andere Außflüchte / und bildet mir ein / daß mir von dem Pater ungütlich und zu viel geschehe / in dem ich meine Sünde entschuldigt / und kurtz rund kein Abgötterer / viel weniger ein Feind Gottes / und ein Diener deß Teufels seyn wolte / dann ich sagte / ich hätte die Tage meines Lebens den bösen Feind / noch sonst irgend was nicht angebetet / viel weniger einen Bund mit ihm gemacht / oder Gott abgesagt / sondern die Kunst / sich unsichtbar zu machen / wäre mir ohngefähr / und ohne mein suchen und nachtrachten zugestanden / die vielleicht natürlicher Weis in einem Würtzelein oder Stein steckte / daß sich unter dem Genist deß Ameysen-Hauffens befände; So wären auch die Künste / damit ich mich fest machte / und andern die Rohr zubannete / oder ihre Festigkeiten auffthät / gar nichts böses / sintemal ich lauter heilige / und dannenhero sehr kräfftige Wort darzu brauchte / welche wieder die Christliche Kirch selbst / noch sonst ein vernünfftiger Mensch nicht verwerffen oder verdammen könte / doch sagte ich / wann mir jemand weisen würde / daß ich mit Ubung solcher Künste eygentlich wider GOTT handele / so wäre ich uhrbietig / allen Bettel / was ich hiervon hätte / ins Feuer zu werffen / und die Tag meines Lebens nichts mehr dergleichen zu brauchen.

Hierauff antwortet der Pater, mein Kind / du soltest zwar keiner Beweißthumb begehren / sondern deines Beichtvattern einfältigen Worten völligen Glauben zustellen / der da an Gottes statt sitzt / und kein ander Geschäfft vor sich hat / als deiner Seelen Seligkeit zu befürdern; Jch will aber mit dir selbst beweisen / daß du so wol durch die Kunst der Unsichtbarkeit / als dich fest zu machen / andern ihre Rohr zuzubannen / und dergleichen / mit den Stricken deß bösen Feinds befangen / und allerdings in dessen Gewalt gewesen seyest / mit dir Sporen-Streichs in den Höllischen Schlund zu wandern / so fern die Grundlose Güte GOttes sich deines elenden Stands nicht erbarmt / dich nicht bißher behütet / und neulich durch den empfangenen Schuß (den du nimmermehr vor kein Unglück / sondern vor die gröste Gnad von GOtt halten sollest) wiederumb zu sich gelockt / und dir Ursach zu deiner selbst-Erkandnus gegeben hätte; Jch rede zwar jetzt nicht mir dir in der Beicht / doch soll es mit dir geredet seyn unter dem Sigill der Verschwigenheit / die zu der Beicht gehöret; du sagst / die Kunst dich unsichtbar zu machen / habest du nicht mit Fleiß gesucht / sondern sie sey dir gleichsam ohngefähr zugestanden; Jch will dein Vorgeben gelten lassen / aber mein Kind / denckestu nicht daran / daß du die Materi so du darzu gebrauchest / von einem Schwartz-Künstler / von einem Apostel deß bösen Feinds / ja durch Hülff deß Teufels selbst empfangen? Du soltest an den Früchten den Baum erkand haben / wann du gleich nicht gewist hättest / daß dir durch deß Sathans Geschäfft deine ehrbare so genannte Kunst dich unsichtbar zu machen / zukommen wäre; Dann dencke hinder sich mein Sohn / so wirstu finden / daß dich deine Unsichtbarkeit in die allergreulichste Sünd und Laster / die du dein Lebtag begangen / zu fallen veranlast / und dir alle Gelegenheit darzu gegeben habe; Was hat der leidige Teufel weitere vor Mühe an dich zu wenden bedörfft / dich zu sich in sein Reich der Verdampten zu ziehen / da er dich mit der Unsichtbarkeit schon dermassen angeseylet hatte / daß du von dir selbst gegen der Höllen zurennest? Es scheinet / als wann damahls der böse Feind gern still gestanden wäre / dich als ein gewiß Pfand ferners anzufechten / du aber hingegen so schlechthin verdampt zu werden / nicht zu frieden / sondern deiner armen Seelen viel grausamer gewesen seyst / als der Ertz-Seelen-Feind selbsten / dann es ware dir nicht genug / daß du dich in der Unfläterey der Unzucht oder Unkeuschheit / wie eine Sau im Koth umbgewältzet / sondern du wolltest dich auch durch deß Teufels Hülff mit stehlen beflecken / gleichsam als könten deine bereits begangene Sünden dir deine Verdambnus nicht schwer genug machen / und es gilt hier gleich / ob du einen Juden der Christen bestohlen; Jch sage nicht unbillich durch deß Teufels Hülff / dann Lieber / welcher Naturkündiger hat jemahl erfahren oder ergründet / daß ein Gewächs sey / so die Krafft habe / ein Schloß mit stählinen Federn durch Menschliche Hand gemacht auffzusprengen / der leidige Teufel ists / der in Gestalt einer Wurzel sich durch fürwitzige verkehrte Menschen herbey practiciren läst / und den Dieben zum stehlen zu helffen / die die Schloß auffsprengt.

Siehe mein Sohn / diß war der erste sichtbare Teufel / der dir dienet / und vor seine Mühe nichts anders begehrte / als daß du dapffer beydes wieder das siebende Gebot / und die Weltliche Gesetz dich vergreiffen soltest / damit er dich / wo nicht an den Galgen / doch desto fetter in die Verdammnus bringen möchte / und dieser dein damahliger Stand wäre gefährlich genug / und grosse Zeit bey dir zur Besserung zu schreiten gewesen / wann du gleich die Kunst der Unsichtbarkeit nicht gehabt hättest; Was thätestu elender Mensch aber in diesem deinem armseligen Stand? Ach Jammer! du giengest hin / und verliessest allerdings den gütigen Behüter der Menschen / der dich bißher vor der ewigen wolverdienten Verdammnus bewahret / und Barmhertziglich auff deine Besserung gewartet hatte / und gabest dich ohn alle Noth in den ohnmächtigen Schutz dessen / der herumb gehet wie ein brüllender Löw / und sonst nichts anders suchet / als deine Seele zu verschlingen! Es war dir nicht genug / daß du in der angenehmen Friedens-Zeit nicht auß Ubung der allererschröcklichsten Laster / die allerheiligste Majestät Gottes beleidiget / sondern du wolltest auch in gegenwärtigem Krieg / der dich im wenigsten nichts angieng / dein Sünden-Maß noch völler häuffen / wann du nehmlich deinen Mit-Christen / vor welche Christus gelitten / damit er sie erhielte / ihr Leben Diebischer Weis abstehlest; Es war dir nicht genug / daß du bißher den Teufel in Gestalt einer Wurtzel bey dir getragen / und mit ihm die Schloß auffgesprengt hattest / sondern damit deine Verdammnus desto grösser und gewisser / und Gott desto mehrers beleidigt und erzürnet würde / so muste es auch / wie sehr und eygentlich du dich dem Teufel obligirt hattest / ordentlicher Weis verbriefft seyn / welches durch die Zettel geschehen / die du vor die Festigkeit bey dir getragen / oder gar in Leib gefressen / massen die Zettel der Passauer Kunst (welche den Namen darvon hat / daß sie ein Student zu Passau erfunden) keinen andern Jnhalt hat / die viele darbey stehende Creutz-Zeichen ohnangesehen / als diesen erschröcklichen / den nimmermehr kein Christ wegen seiner Greulichkeit vor sein Maul / geschweige auff das Papier zum Gebrauch kommen lassen solte:

Teufel hilft mir /
Leib und Seel gib ich dir.

Und gleich wie es mit dieser schönen so genannten Passauer Kunst beschaffen / also hat es auch eine Bewandnus mit andern vielerley Festigkeiten / und andern zauberischen Künsten / die in Worten bestehen / du sagst zwar / es seye nichts böses was du brauchest / sondern lauter heilige Wort / und Anruffung deß Göttlichen Namens / und seiner heiligen Engel; Jch lasse es gelten / daß es ein solches Ansehen habe / aber mein Sohn / lese das Leben / und sonderlich die Bekandnus deß Frantzösischen Zauberers Gaffredi, eines Priesters von Marsilien / der sich sehr mit dergleichen Künsten geschleppt / auch ihrer viel selbst inventirt / so wirstu finden / daß die Zauberer / wann sie in solchen Sachen die Allerheiligste Dreyfaltigkeit nennen / an statt Gottes deß Vatters den Lucifer / an statt Gottes deß Sohns den Beelzebub / an statt Gottes deß Heiligen Geistes / den Astaroth / an statt der H. Jungfrauen Maria deß Antichrists Mutter verstehen / und daß sie das H. Creutz-Zeichen so offt und vielfältig hierzu mißbrauchen / geschieht zu keinem andern Ende / als daß es bey den Einfältigen das Honig sey / damit man den Kindern den Ranfft an einem Geschirr bestreicht / auff daß man ihnen den bittern Tranck vor die Würm dardurch desto füglicher beybringen könne / dann da müste ja einer gar verzweifelt seyn / der sich gleich im Anfang wissentlich dem Teufel übergebe / wann nicht ein solcher Pfeffer zuvor über diß stinckende Aaß gemacht worden wäre.


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