Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. XVIII.

Ein güldener Fischzug mit einem höltzernen Angel / auch anderer Quinten.

DJe so genannte Spreng- oder Spring-Wurtzel / welche ich von beyden obengedachten Companen verehrt kriegte / sahe sehr holzecht auß / darumb nenne ich sie hier auch einen höltzernen Angel / zwar einen Angel / weil ich vermittelst ihrer bey 10000. Ducaten erfischte / das gieng also zu.

Nachdem ich dieselbe hatte / probirte ich ihre Würckung bey nahe an allen Thüren und Schlossen / die mir vorkamen / und wo ich sie an dergleichen Ding hielte / sprang alles auff / so / daß sie mir niemal / wie neulich meine gute Flint gethan / versagte; Weil ich mich dann neben meiner Unsichtbarkeit mit dieser Wurtzel zur Dieberey so wol versehen befanden / gedachte ich mirs auch zu Nutz zu machen / vornehmlich umb willen ich Gelt zusammen zu rappen ohne das im Sinn hatte / umb meine Esther und ihr Kind damit zu versorgen; Weme hat aber billicher die Esther außzusteuren gebührt als ihrem leiblichen Vatter? Er hätte doch sonst nach Jüdischem Brauch die milde Hand auffthun müssen / wann gleich ich nicht gewesen / und er sie sonst seiner grossen Reichthumb gemäß / hätte verheurathen wollen / welches ohn Zweiffel geschehen wäre / wann ich dem Judenbuben / den sie zum Bräutigam kriegen sollen / nicht vorkommen / und ihm das delicate Fleisch auß den Zähnen gezogen / auff solche gerechte Sach / die ich hatte / verfügte ich mich mit einem Zwergsack unsichtbarer Weise in Eliezers Behausung / und spürte alle Winckel auß / zu sehen / wo das gülden Flüß / ich vermeyne / der Kern seiner Reichthumb an Baarschafft verborgen ligen möchte / und die Warheit zu bekennen / so muste ich mich verwundern über den stattlichen Uberfluß / den er nicht allein an kostbarlichem Haußrath und Mobilien, sondern auch an allerhand Kauffmanns-Waaren im Vorrath hatte / dann ich öffnete unterschiedliche Gewölber / bisweilen bey Tag / bisweilen bey Nacht / je nachdem es sich schickte / und im stillen verborgenlich hergehen mochte / und liesse kein einzige Kammer ohn visitirt / zuletzt kam ich in das allerinnerste Gewölb / worinn die rechte Kautzen sassen / die ich suchte / da war nicht allein eine Menge von schönem Silber-Geschirr / und gemüntzten grossen silbernen Sorten vorhanden / so / daß ich mich darüber entsetzte / und gleichsam erstaunet / sondern es lagen auch Stücke Massen dort von zusammen gegossenem Silber wie Ziegelstein / daß ich mir endlich einbildet / es müsten alle Portugesische Juden in der gantzen Statt ihren Reichthumb dorthin in Verwahrung gethan haben / es stunden eyserne Kisten von so schwerem Gewicht daselbsten auffeinander / daß ich keine von der andern heben konte / und als ich die oberste Krafft meiner Wurtzel auffgesprengt / fande ich sie so gesteckt voller Ducaten / als ein abgestrichener Sester voller Frucht seyn mag / den jetzt der Verkäuffer dem Kauffer in Sack schütten läst; Jch bildete mir zwar ein / es möchten vielleicht die underste Kisten mit Edelgesteinen / Perlen / Klenodien / und andern allerkostbarlichsten Sachen angefüllt seyn / in dem mir der Deckel so reich war / aber weil ich ihnen vor dißmal beyzukommen / vor unmüglich hielte / behalffe ich mich mit dem / was ich vor Augen sahe / und füllete meinen Zwergsack so voll Ducaten / als hinein giengen / und ich zu tragen getraute / hernach beschlosse ich alles wieder so nett und genau / wie ichs gefunden / also daß man nicht sehen konte / wer da gewesen / es sey dann Sach / daß jemand die Ducaten-Kisten geöffnet hätte.

Darauff begab ich mich mit meiner Beut eben so unsichtbar wider in mein Cabinet / als ich den vorigen Tag drauß gangen war / und gestehe unverholen / daß ich mein Tag so schwer nicht getragen als damals / warumb mir zwar Eliezer wenig Danck gesagt haben solte / wann er gleich gewust hätte / daß ich mich nur einig und allein darumb so bemühet / seine Tochter zu versorgen.

Nachdem ich nun diese ansehenliche Summa Ducaten / die sehr nahe anderthalbe Centner am Gewicht hielten in Sicherheit gebracht / studirte ich auch drauff / wie ich die beede Personen / umb deren willen ich so viel Gelt verzwackt / auß Eliezers Hauß und Gewalt kriegen möchte / doch zwar / daß es mit der Esther Willen und guter Zufriedenheit geschehe / welches zu wegen zu bringen / wie ichs damals darvor hielte / eben so viel Kunst und Geschicklichkeit / als Mühe und Arbeit erforderte. Was aber Eraßmum anbelangt / mit dem ich die Jüdin verkupplen wolte / nachdem sie sich zuvor zur Christlichen Religion verstanden habe / gedachte ich nicht / daß es viel Kappenruckens brauchen wurde / weil Esther ihre vortreffliche Schönheit / und ich so ein ansehenlich schön Gelt hatte / das ihn anlocken konte / deren eins allein starck genug gewesen wäre ihn zu persuadiren / beyde Augen / geschweige nur eins / zuzuthun. Aber höret wie es gieng / so werdet ihr sehen / daß ich näher bey dem war was ich suchte / als ich mir immermehr einbilden können.

Jch war offt nicht daheim / wann Eraßmus vermeynte / ich sässe in meinem Cabinet / hingegen sasse ich offt bey ihm im Zimmer / wann er mich selbst hatte sehen hinweg gehen / dann auff solche Weis konte ich sein Handel und Wandel / sein Thun und Lassen sehen / und darauß vernehmen / was mit ihm umbgieng / was er im Schild führte / ob er treu oder untreu wäre / etc. einsmals vermeynte er auch / ich wäre nach meiner Schnabelweyd irgendhin spatzirt / als eine alte Schachtel / eine Jüdin wolte ich sagen / zu ihm kam / und demnach sie ihn auff ein ungemeine / mehr Christliche als Jüdische Gewonheit grüste / zumalen auch sonst ein grosse Lieb und Vertraulichkeit zwischen ihnen beyden zu seyn schiene / geriethe ich in die Gedancken / sie möchte vielleicht eine Creatur seyn / deren Eraßmus zusteckte / und mir abtrüg / ohnangesehen ich niemal dergleichen etwas an ihm vermerckt; Man sagt / wer nicht trauet / dem ist nicht zu trauen; Jch lasse gelten / daß es wahr sey / und ich hatte auch die geringste Ursach nicht / einig Mißtrauen in Eraßmum zu setzen / aber gleichwol sagt man hingegen / wol trauen reite das Pferd hinweg / derowegen spitzte ich die Ohren / umb so viel desto schärffer zu vernehmen / was diese beyde vor Geschäffte miteinander abzuhandlen haben möchten. Woher mein traute Josanna / sagte Eraßmus zu ihr / was bedeuts / daß ich euch wieder einmal sehe? Jch vermeyne / ihr seyet in hundert Jahren nicht mehr bey mir gewesen; Mein Freund / antwortet Josanna / ich kam ehemahlen zu euch / der Hoffnung dahin zu vermitteln / daß die Liebwerthe Esther das Judenthumb verlassende / als euer Ehe-Gemahlin mit mir und euch in Ost-Jndien schiffen solte / so komme ich aber jetzunder / euch allerdings das Wiederspiel zu verkündigen / dann sehet Wunder! sie ist nicht allein vom Elia mit dem Messias schwanger worden / sondern hat ihn auch schon würcklich geboren / und zwar in Gestalt einer Tochter / damit / wann die Christen seine Ankunfft vielleicht erfahren / und ihme als einem Zerstörer ihrer Käiserthumb und Königreiche in seiner zarten und unschuldigen Jugend nach dem Leben stellen solten / ehe er Wunderwercke verrichten / und das grosse Werck / darzu er in diese Welt kommen / vollführen könte / sie in ihrem Wahn betrogen werden / und ihn als ein Weiblich Bild bey Leben lassen möchten; So bald sie vermerckte / daß sie vom König der Welt zu deß Messiæ Mutter erwehlet / und vom Elias besucht und geschwängert worden / dorffte ich nicht mehr vor ihr Angesicht kommen / ihr von euch wie zuvor geschehen / einige Wort oder Bottschafft zu vermelden / ich konte damals die Ursach nicht ersinnen / warumb sie sich einsmals so groß wuste / und beydes euch und die Christliche Religion so gähling verachtete / da sie doch euch über alle Ding / und den Christlichen Glauben weit mehr als das Jüdische Gesetz gelehrt und geliebt / so / daß sie auch ihre Eltern und deren grosse Reichthumb verlassen / und mit euch / biß ans Ende der Welt / in die verdrießliche Fremde ziehen wollen / wie sie mir dann kurtz zuvor / ehe sie schwanger worden / die Versicherung gethan / daß sie schon einen zimlichen grossen Werth von kostbarlichen Jubelen zusammen gepackt / und damit zu euch zu gehen beschlossen / wann sie nur eygentlich eine gute Gelegenheit haben könte / auff einer Flotte sampt euch / ihres Vattern nachforschen in ferne Länder zu entrinnen; was Raths nun lieber Eraßme? die Hoffnung / sie zu erhalten / ist allbereit verloren / und wann ihre Leibes-Frucht der wahre Messias seyn solte / daran dann die allergelehrteste Juden gar nicht zweiffeln / sondern sampt denen vornehmsten Cochams in Poln / zu Stampul und Jerusalem darvor halten / daß er sich im dreyzehenden Jahr seines Alters in ein Manns-Bild verändern / und alsdann das grosse Werck der Erlösung Jsraels angehen werde / wann solchem / mein liebster Eraßme / in Warheit nun also wäre / so thäten wir thöricht / wann wir das erwöhlte Volck Gottes verliessen / und sich seines Heyls / das nun so nahe bey der Thür ist / nicht theilhafftig machten.

Hierauff antwortet Eraßmus / was die Liebwürdige Esther anbelangt / habe ich mir niemahlen einbilden / noch festiglich glauben können / daß der wiewol gütige Himmel mich mit einer solchen über-Jrrdischen Schönheit würdigen / noch das wiewol blinde Glück meinen schlechten Stand und geringes Herkommen mit einer solchen reichen Tochter begaben werde; ich habe allzeit gesorgt / es werde meine Verhängnus ein widerwärtiges Que einmischen / daß mir die versicherte Hoffnung / die mir so wol von der Esther selbst / als von euch eingesteckt worden / widerumb zu schanden machen würde; und derowegen wird mir zu rathen seyn / was geschehen / mir nicht gar zu tieff zu Hertzen zu ziehen; der Verlust deß jenigen / was niemalen mein gewesen / ist leicht zu verschmertzen / hab ich grössers gehofft / als mir gebührt / und mir der Himmel zu geben niemal beschlossen / so hab ich eine Thorheit begangen / deren ich jetzund selbst mehr zu lachen / als mich umb der Esther Verlust zu bekümmern Ursach habe / angesehen ich gestehen muß / daß es schwer fällt / sich dessen beraubt zu sehen / das einer würcklich in Besitz zu kriegen vermeynt gehabt: Betreffend aber ihre Leibsfrucht / umb deren willen ihr in eurem Vorsatz eine Christin zu werden / wancken wollet / weil ihr beredet werdet / es sey der Moschiach / da muß ich mich warhafftig über eure Blindheit zum allerhöchsten verwundern / und nun ists allbereit kein Wunder mehr / daß sich das Jüdische Volck so vielmahl von unterschiedlichen Betrügern / die sich vor den Moschiach ausgeben / verführen lassen / wann sie auch glauben könten / daß ein Mägdlein in der Wiegen der Messias seyn soll / wisset ihr dann selbst nicht / daß die Weibsbilder bey euch nicht in das Heiligthumb / ja noch heutige Tags nicht in die Synagogen kommen dörffen / so / daß es scheinet / ob wären sie als ein undüchtigs Geschlecht vom Gottesdienst gar ausgeschlossen; wie solte dann ein Weibsbild gar der Moschiach werden können? Aber einem solchen Volck geschiehet recht / und ist auch kein Wunder / wann es ein Weibsbild vor seinen Heyland erkennet / weil es ehemal an Gottes statt güldene Kälber geehret / glaubt mir liebe Josanna / daß ich eures Moschiachs Vattern kenne / welcher auß Liebe / die er zur Esther getragen / sich vor den Propheten Eliam außgeben / und ihr / zu Lohn ihrer Leichtglaubigkeit / die junge Tochter angehenckt / und solte gleich geschehen / daß diese Frucht / wann sie Mannbar / in ein Mannsbild verändert würde / so wäre solches gar nichts neus / also auch kein Wunder / viel weniger ein Messias deßwegen zu hoffen / darumb liebe Josanna rathe ich euch / ihr wollet euren vorlängst gehabten Vorsatz ins Werck richten / und nicht länger auff die Esther warten / wann sie so festiglich glaubt / daß ihre Tochter der Messias sey / habt ihr sie und ihre Reichthumb nicht zu Hülff / darauff ihr ehemal euren Trost gesetzt / so werdet ihr doch Gott den Allmächtigen / wann ihr euch durch den Heil. Tauff zu ihm bekehret / zum Zuflucht haben / der euch auch nimmermehr verlassen wird.

Josanna höret diß gar kaltsinnig an / so / daß man wol sehen konte / wie verwirret und Zweifelhafftig sie in ihrem Gemüth war / sie vermochte auch nicht zu glauben / daß ein anderer als Elias die Esther geschwängert haben solte / weil sie wuste / wie genau sie unter ihrer Eltern Auffsicht vor der Gemeinschafft aller Manns-Bilder bewahret würde; Endlich sagte sie zu Eraßmo / sie wolte sich noch weiters / was sie thun oder lassen solte / bedencken / gieng darauff ihres Wegs / und verhiesse dem Eraßmo / ihm in bälde wider zuzusprechen.


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