Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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CAP. XVII.

Wer dieses Capitels Jnhalt wissen will / muß es entweder selbst lesen / oder ihm lesen lassen / es sey dann / daß ihms einer sonst erzehle.

VMb diese Zeit fieng ich an nachzusinnen / beydes wie ich meine Esther / und unser Töchterlein auß Eliezers Hauß und Gewalt bringen / als auch / wie ich sie zwey versorgen möchte / ich gedachte / sie dem guten Eraßmo auffzubürden / damit beyde nicht auß dem Geschlecht heurathen solten / und gedacht auff Mittel / durch welche ich ein namhafft stück Gelt in die Hand kriegen möchte / welches ich ihm mitgeben wolte / daß es ihm ein solche Bürde / welche zu tragen vielen gantz abgeschmackt / und zu wider pflegt zu seyn / erleichtern / und gern auff sich zu nehmen / ihne bewegen solte / dann Lieber / wie schwer müste wol jetziger Zeit ein Ding in der Welt seyn / welches das holde Gold nicht überwäget? Jch wuste zwar wol / daß die Esther mit einer solchen seltenen und unvergleichlichen Schönheit begabt war / daß noch wol reichere und qualificirtere Kerl als Eraßmus gewesen / sich vor ein groß Glück / ja vor die höchste Glückseligkeit selbst geschätzt hätten / wann sie ihrer zum Ehegatten theilhafftig werden sollen; aber wann ich hingegen auch meinen jungen halb-Jüdischen Moschiachs-Balg neben ihr betrachtet / von welchem sonst kein Mensch als ich wuste / auß was vor einem Geist oder Fleisch er gezimmert worden / (ohne was ich dem Eraßmo darvon gesagt) und daß gleichwol Kalb und Kuh miteinander an Mann gebracht werden müsten / so war mir ohnschwer zu ermessen / mit was vor einer affection, und beständigen künfftigen Treu beyde in einem solchen Stand angenommen werden möchten / darinn sie unzertrennlich leben solten / so fern nicht auch alles mit Gelt / wie mit einer güldenen Ketten versorgt und verbunden würde; Uber das war ich so leichtfertig und Gottlos noch nicht / daß ich mein eygen Geschöpff / mein eygen Fleisch und Blut / dessen ich besser versichert war als mancher frommer Ehemann / ohnwol versorgt in Wind schlagen / und unter den Juden lassen sollen / derowegen hiesse es bey mir / schaue nur wo du Gelt bekommst.

Jch wolte das / was ich in Händen hatte / und zu meiner Handelschafft brauchte / nicht schmälern / der gemeinen Art nach aller unersättlichen Geitzhälse / welche / je mehr sie haben / je mehr sie begehren / und nicht ehender genug haben / als biß ihnen die Höllische Flammen 17. Stadien hoch über den Köpffen zusammen schlagen / so war ich auch viel zu faul / oder bedunckte mich viel zu herrisch / vermittelst meiner Unsichtbarkeit / hier und dort / nach und nach Pfundweis so viel zusammen zu stelen / biß ich zu Centnern gelangt / meinen wilden Zweig / sampt dem frembden Jüdischen Stamm eine Million mitzugeben / darumb verabfaßte ich andere neue Anschläge / die mir aber bekommen / wie die Folge meiner Histori erzehlen wird.

Jch hatte mich nach und nach mit allerhand Leuten bekandt gemacht / und galte mir allerdings gleich / ob ich mit Armen oder Reichen / mit Ehrlichen / Dapffern / oder mit Heyllosen nichtswürdigen Menschen meine Zeit hinbracht / was etwas rechtschaffnes war / die tractirte ich mit allerhand dienlicher begegnung / wie es ihr Stand und humor erfordert / ihr affection zu gewinnen / und der Dürfftigen Freundschafft verband ich mir durch meine Freygebigkeit mit geringer Mühe / jene zwar / sie endlich zu berücken / und so viel möglich umb das ihrig zu bringen / diese aber / damit ich auff alle Fälle getreue Diener an ihnen haben möchte / so hatte ich auch Bursch / mit denen ich Lusts halber Gesellschafft hielte / und meine Zeit vertriebe / unter solchen war einer / der sich unter allen gegen mir am vertraulichsten anliesse / und gleichsam alle innerste Geheimnussen seines Hertzens außschüttete / welchen ich darumb mit nichten weder unter meine beste noch getreueste Freunde zu rechnen weiß / wann ers gleich gut mit mir gemeynet hätte / weil mich seine Freundschafft auff einen Weg geführt / darauff das Ende meines Lebens / das schröcklichste Exempel einer aller-erbärmlichsten Tragœdi vorstellen können / daß es aber besser gerathen / als ich nimmermehr umb Gott verdienet / so / daß ich endlich zur Erkandtnus meiner selbst gedyen / welches kein geringer Anfang zu einem guten End ist / das hab ich nicht dessen Freundschafft / und mir beigebrachten Künsten / sondern allein der Güte Gottes zu dancken.

Daß erste Stückel das er mich lehrte / war Büchsen-Pulver zuzurichten / welches im schiessen gar keinen Knall / sondern nur einen geringen Laut von sich gibt / das zu haben / heimlichen Strauch-Mördern und Wildbrät-Dieben anständiger als ehrlichen Leuten / die aber hingegen auch / wann sie erdappt werden / desto härter zu straffen; Das ander war gleichfalls ein Büchsen-Pulver / mit dem man Vögel schiessen konte / die zwar nicht darvon beschädigt / gleichwol aber so dürmlich wurden / daß man sie als tod auffheben / und hernach / wann sie wieder zu sich selbst kamen / lebendig hatte; Drittens lehret er mich etwas unter Schieß-Pulver mischen / das würckt an den Menschen eben das / was jenes an den Vögeln verrichtet / also wann man jemand mit einer Büchsen oder Pistolen / so da mit solchem Pulver / jedoch ohne Kugeln geladen / vor den Kopff scheust / daß ein solcher / der dieser Gestalt geschossen worden / anderthalbe / oder gar zwo Stund vor tod ligen bleibt / unangesehen er vom Schuß im geringsten nicht weiter verletzt wird / diß letztere war mir zwar so wol als das erste nichts nutz / ich hätte dann mein Kurtzweil mit den Menschen wie mit den Vögeln haben / oder einen barmhertzigen Strassen-Rauber abgeben / und die Leute nur so lang tod wissen wollen / biß ich sie geplündert / und mich mit dem Raub darvon gemacht; nichts desto weniger stach mich doch mein Vorwitz / daß ichs können möchte / dann eben dieser wars der mich ansporete / diß præludium anzutretten / und mein Unverstand hielte es vor nichts böses / weil mich aller drey Pulver Zurichtung natürlich zu seyn bedunckten / ob es gleich das A. B. C. war / in der jenigen Kunst mit der Zeit zu excellirn / so man die Schwartze nennet / die endlich den allerrichtigsten Weg zum Teufel zuführet.

Dann nachdem mein Lehrmeister meinen Vorwitz merckte / und sahe / daß ich begierig war noch mehrers zu lernen / legte er mir andere Lectionen vor / und kam von den natürlichen zu den unnatürlichen Künsten / er und einer von seinen Cameraden namen mich einsmals mit ihnen an ein einsames Ort / einen auff Jungfer-Pergament mit Fledermäuß-Blut in fremder unverständlicher Sprach beschriebenen Zettel / der unter den lincken Arm gebunden fest machte / an einer Katz / die wir mit uns trugen / zu probiren / und als ich selbsten meine Flindt / die sonst so fix war / daß ich mich kühnlich darauff zu verlassen / scharpff geladen / und auff die angebundene Katz mit dem Zettel unter ihrem lincken fordern Fuß schiessen wolte / siehe / da versagt mir dieselbe / ob gleich das Pulfer auff der Zindpfan hinweg brandte / nachgehende schlug ich wieder bey zehenmalen an / aber mein gute Büx thät mir den Dienst nicht / auch nur einen einzigen Funcken Feuer zu geben / ob ich gleich den Stein etlichmal verwechselte / und jedesmal frisch Zind-Kraut auffröhrte / worüber ich endlich so närrisch wurde / daß ich sie umb einen Baum zu stücken schmeissen wolte / dessen meines Lehrmeisters Camerad lachte / mich einhalten / und noch einmal anschlagen hiesse / mit vermelden / daß er mir per Spaß das Rohr zugethan / oder den Schuß verbannet gehabt / darauff schoß ich die Katz / daß ihr die Rippen im Leib krachten / obwol ihr kein Haar vom Beltz / geschweige das Fell / versehrt wurde.

Wer war begieriger als ich / auch diese zwey schöne Künste zu können? Jch verhiesse den zweyen Compagnionen darumb zu geben / beydes was ich hatte / und noch nicht vermochte / die aber wegen meiner Guthertzigkeit / wie sie sagten / durchauß nichts von mir nehmen / sondern mich lauter umbsonst / so wol diese als noch wol andere vortreffliche Stück lehren wolten / hierauff führte ich sie zum Frühstück / und sie mich hernach in ihr Losament / da sie mir ein geschrieben Buch zeigten / worinnen zugleich so viel natürliche und übernatürliche Künste aufgezeichnet waren / daß einer / der sie alle gelernt und geübt hätte / in bälde beym Volck sich berümt machen / und den Namen eines Ertz-Zauberers erlangen mögen / da fande sich / wie man sich auff unterschiedliche Manier fest machen / und andern ihre Festigkeit hingegen auffthun solte; Wie man die Weibsbilder zur Lieb vergaucklen möge / wie man das Wildbret stellen / grosse Feuersbrünste / daß sie erlöschen / bannen / sich unsichtbar / und Reuter ins Feld machen / und sonst viel hunderterley Sachen mehr zu wegen bringen könte; sie liessen mich gleich die Prob von etlichen Stücken sehen / in dem Sie einem Hanen nur einen Strohalmen / sampt einem Zettel von Jungfer-Pergament mit einem Faden / den eine Jungfer an einem Sambstag Abends gesponnen / an Hals henckten / welches hernach schiene / als trüg er einen grossen Balcken; sie hatten eine Wurtzel / welche nur an allerhand Schloß gehalten / dieselbe gleich auffsprengte / solche gefiele mir so wol / weil sie sich meines Bedunckens trefflich zu meiner Unsichtbarkeit schickte / daß ich nicht abliesse / biß ich sie von ihnen überkam; hernach zeigten sie mir noch viel unterschiedliche Künste mehr / wie man nemlich alle Tag drey gewisse Schüß haben könte / wie man Kuglen giessen solte / die Blut haben müsten / und alle Festigkeiten auffthäten / wie man verborgene Schätz finden und graben / item / wie matt Glück im Spielen haben müste; Endlich fanden sich auch Künste / Fisch und Vögel mit Händen zu fangen / mehr einen Thaler zu haben / welcher / so offt man denselben außgebe / so offt komme er einem wieder in Beutel / nicht weniger eine Ducat / welche über Nacht untern Hut gelegt / deren noch neun zu sich bekomme / so mich an deß Fortunati Glück-Säckel gemahnete / wann es nur mit gutem Gewissen hätte zugehen können; Jch fande Seegen die schwere Donner- und Hagel-Wetter ab / und anderwärts hin zu treiben / welches mich nicht geringer seyn bedeuchte / als wann man selbst Wetter machen könte; Jn Summa / mir wurden allerhand Künste kund / deren mir theils beliebten und theils die Haar gen Berg stehen machten / ohnzweifel darumb / weil ich noch ein Neuling / und so grausamer Sachen nicht gewohnet war.


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