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Siebzehntes Kapitel.

Hermann Rinkharts nachgelassene Werke waren gesichtet. Ein Band verstreute Aufsätze geordnet und verbunden, ein Band handschriftliche Beobachtungen und Entwürfe druckfertig gemacht, die Lebensskizze entworfen und zur Hälfte vollendet.

Seit einer Viertelstunde las Wendelin Annemarie vor, was er in der vergangenen Woche geschrieben hatte.

Sie saß auf dem rotseidenen Sesselchen. Glockengeläute war in der Luft, in der Bronzevase schwankte ein blühender Rosenzweig, und Wendelins Stimme gemahnte sie heute mehr denn je an den Verstorbenen. Aber sie freute sich weder an dem einen noch an dem anderen, denn er, dem diese Stimme gehörte, wurde ihr von Mal zu Mal fremder, und es kostete sie gewaltsame Anstrengung, auf das Gelesene zu achten, weil immer wieder die quälende Frage kam: Bist du schuld daran?

Du hattest doch seine Freundschaft, als Erbe war sie dir zugefallen, du brauchtest sie nur zu fassen. Aber du verstehst nicht festzuhalten. Alle guten Gaben des Schicksals rinnen dir durch die Hände wie flüchtiger Sand.

Noch darfst du auf dem roten Sesselchen sitzen, noch schlägt Hermann Rinkhart eine Brücke von Wendelin zu dir. Wie lange, dann ist auch dies beendet und alles vorbei.

Da raffte sie ihre Gedanken zusammen. Noch war sie da, noch vernahm sie die geliebte Doppelstimme, das wollte sie auskosten mit ganzer Kraft. Nun hörte sie, was Wendelin las, nun genoß sie die straffe Führung, die klare Gliederung des Stoffes und fühlte die warme Bewunderung, die aus jedem Wort hervorbrach, auch wo er seine abweichende Meinung vertrat. Die Gedächtnisschrift entzückte sie und verschärfte ihre Trauer über die verlorene Freundschaft.

Als Wendelin fertig war, sah er sie fragend an: »Wird es recht so?«

Sie nickte hastig und versuchte zu sprechen; es wurde aber nur ein kaltes Beifallsgerede. Am Ende war sie ihrer Stimme nicht mehr sicher, stand auf, sprach ein hastiges Abschiedswort und eilte davon.

Ein kalter Hauch ging über Wendelins Schaffensfreude: sie hatte etwas gegen seine Arbeit auf dem Herzen und war nicht ehrlich genug es auszusprechen.

Wenn er ihr das nicht einmal wert war!

Wendelin überließ Annemarie dem Wortschwall der Kartlmeyer. Die deutete sich die feuchten Augen ihres Lieblings menschlich einfach, pätschelte und tätschelte an ihrem Arm herum und sagte: »Gelles, was unser Herr Doktor is, der schreibt fei rührsam. Dös kann scho zu Herzen gehn, der hot a Gmüat.« – Und dann, weil Traurigkeit schweres Blut macht, wollte sie das Fräulein auf andere Gedanken bringen und fuhr fort: »Un mein Strauß, habens Ehna den gsehn? Der is fei scheen worden heut. Gellns?«

Und da fragte Annemarie, was sie in all diesen Wochen nicht über die Lippen gebracht hatte: »Warum kriegt denn die Vase jetzt Blumen?«

Die Hausmeisterin lachte breit und behaglich. »Dös kommt von wegen meiner. Ja, was die Bronzevasen is, damit war er narrisch. Erst sollt sie zu schad sein, um daß i vielleicht a Wasser drauf tröpfeln tät – i! dö Kartlmeyern! was schon amal an Kupferstöcher in Loschis ghabt hat! – oaber hinten naus. Un nu, mit ön mal, kriegt unser Herr Doktor an Einsehn, un wo's Ehna nich mehr da hat, nu leid er's.«

Annemarie hörte nichts weiter. Seit ich nicht mehr da bin, leidet er's. – Und sie fühlte eine erschlaffende Traurigkeit.

Um dem nicht nachzuhängen, ging sie drüben in das gemeinsame Wohnzimmer, und da war es denn beinahe wie einst auf dem Professorenberg: was darin atmete, stürmte auf sie ein, rief nach ihr, brauchte sie.

Das frischte sie auf, wie leichter Wind die müde Luft: Sei nicht anspruchsvoll, sei dankbar. Hausbacken Brot macht auch satt.

Und sie gab dem Hausbrot ihre ganze Aufmerksamkeit. Sie begriff sofort die wichtige Neuigkeit: am nächsten Freitag würden es zehn Jahre sein, daß sich Käsmodel von den Schwestern Schäftlein pflegen ließ.

Sie begriff, daß dies eine schöne Jubiläumsgelegenheit gab, obgleich es nicht ganz klar war, ob Gepflegter oder Pflegerinnen mehr Lob verdienten.

Sie begriff, daß dergleichen in Deutschland nicht anders als musikalisch eingeleitet werden konnte.

Und sie war bereit, Morsach um Rat und Hilfe für diesen wichtigen Fall zu bitten. Elsabeth fiel ihr stürmisch um den Hals; und Morsach, der wirklich und wahrhaftig arbeitete, genau seit Ferdinand Rinkhart seine Zeit verbummelte, kam ohne Besinnen und war zu allem erbötig, weil Fräulein Rügemer bat.

Als Wendelin zu Tisch kam, fand er Annemarie heiter inmitten eines heiteren Kreises, und jubelnd begrüßte man ihn.

»Er tut's!«

»Morsach vertont unser Ständchen.«

»Morsach singt mit uns Quartett.«

»Morsach dichtet ein Tafellied.«

»Fräulein Annemarie hat es ihm abgebettelt.«

Man sieht ihr die Freude darüber an, dachte Wendelin und grollte mit sich, daß ihm das weh tat. Er rechnete sich diese ganze Woche lang alle guten Eigenschaften und alle Naturgaben Guido Morsachs vor und sagte sich, daß es nicht das schlimmste Schicksal sei, das Hermann Rinkharts Liebling treffen könne, aber er litt. Litt während der fröhlichen Vorbereitungen, litt am Käsmodelfreitag, wo der Ameisenhügel sich helikonastisch gebärdete, litt am Sonnabend, wo Fritzchen und Dederich das Lob des Junggesellenstandes, der schon nach zehnjähriger Treue silberne Hochzeit feiern dürfe, bänkelsängerhaft mit groteskem Humor zum besten gaben, und litt am Sonntag Morgen unter der Frage: Sollst du oder sollst du nicht?

Käsmodel hatte »Hüben und Drüben« zu einem Dankfest ins Grüne geladen. Wendelin sagte sich, daß er da nicht hingehöre, nicht hinpasse, nicht Zeit dazu habe.

Als aber die Stunde kam, wo der Zug ins Isartal abfahren sollte, ging er doch, und ging sehr schnell, um ihn auch ja nicht zu versäumen.

Die grüngoldene Luft stand still unter dem Laubdach und schmiegte sich wie ein warmer duftiger Schleier um die Waldgäste. Die Isar rauschte von fern, ein kurzlebiges Rinnsal schwatzte hinter dem Nußgesträuch.

»Wonnig faules Wetter,« sagte der dicke Fritz, »und ein idyllisches Platzl.«

Onkel Käsmodel hatte gut vorgesorgt. Nahebei war ein Wildwärterhaus, da kochten sie zunächst einen arabischen Kaffee, und für Münchner Gefühle lag dort ein Fäßchen auf Eis.

Zigaretten gab es und Rosen, Hennessy und Erdbeeren, Importierte und Pralinés und natürlich Kuchen von allerlei Arten.

»Wie auf einer Landkirmes,« sagte Dederich.

Worauf Käsmodel mit verschämtem Vergnügen erzählte, daß er ein sächsischer Bauernsohn sei, und »Kaffee und Kuchen« ihm noch nach fünfzehn Münchner Jahren über Hofbräu und Sedlmayr gehe.

»Ein sächsischer Bauernsohn!« rief Madame Mangold strahlend und steckte sich Rosen an die Brust. » C'est ça! Drum ist er so lieb.« –

Und dann hielt Käsmodel eine Ansprache: Daß er nur ein kribbelndes Ameislein sei, im Walde des Lebens, das seine Arbeit tue und oftmals nicht wisse, was die Gewaltigen über ihm rauschten. Aber eins sei den Ameisen nicht abzusprechen: die gute Witterung. Diese gute Witterung habe ihn zu den Schäftlerinnen geführt, und dann trotz seiner Flügellosigkeit zu den Bienen. Da sei ihm denn manch liebes Mal wohl geworden von dem Honig, den die Geflügelten eintrügen, und drum habe er auch die Bienen gebeten, heute bei dieser intimen Ameisenangelegenheit mitzutun. Liege ihm doch am Herzen, allen zu zeigen, daß er das hausfrauliche Schwesternpaar für die Anzufeiernden halte; sie, die ihn mit Behaglichkeit und gutem Essen umsponnen und gefesselt hätten. Weil aber auch bei diesem Schwesternpaar der Ameisenfleiß nicht ohne Süßigkeit sei und er immer aufs neue bewundern müsse, mit welchem Talent die beiden Guten in jeglichem Pflänzchen ihres Gartens Honig zu finden wüßten, so bitte er jetzt alle, die heute mit ihm ausgeschwärmt seien, auf die beiden Honigsammlerinnen und Honigspenderinnen Schäftlein ihre Tasse zu leeren.

Das geschah mit Fröhlichkeit und Übermut; dabei lief alles durcheinander und fand sich dann wieder paßlich zusammen. Dederich zog sein Skizzenbuch heraus, dergleichen Genrebilder machten ihm Spaß und brachten ihm Geld, auf daß ihm dann Zeit wurde für Freudenspender wie das Bildnis Annemaries.

Der dicke Dichter lag behaglich faul an seiner Seite und zog an einer Henry Clay. Sie schwiegen und schauten.

Annemarie kam mit einer Kaffeekanne vom Waldwärterhaus. Morsach holte eilig seine Tasse herbei.

»Ein Griechenjüngling, der vor der Göttin steht,« sagte Fritzchen und sah Dederich faul aufs Blatt.

Brummig nickte der, heute war Morsach schön. Sein brünettes Gesicht, seine geschmeidige Gestalt paßten zu dem Sonnenwald und der steigenden Glut. Es war etwas Fremdes in ihm, wie dieser Tag etwas Fremdes hatte. Dieser Tag, dessengleichen es vielleicht zwei gab auf dreihundert nebelschwere, regengraue Gesellen und sechzig gemäßigte Gutwettertage.

Morsach war fröhlich, das stand ihm gut. Zu gut, dachte Wendelin, der auch schwieg und schaute; aber nicht wie ein Maler und Poet, sondern wie ein hilfloser Durchschnittsmensch, den eine ganz alltägliche Eifersucht erbarmungslos gepackt hat und der weder seine Lust noch sein Leid künstlerisch los werden kann.

Er ärgerte sich sogar, als der Rattenfänger sich vor Annemarie auf ein Knie niederließ und in schwungvollen Worten für den »Labetrunk« dankte.

Sie sah Morsach allerdings so erstaunt darob an, daß er dasselbe Stückchen, um es abzuschwächen, gleich darauf vor der kleinen Musikschülerin wiederholte, die mit dem Zucker umherwanderte.

Die strahlte und hatte auch goldene Augen. Zu Annemarie aber sagte Morsach: »Ich glaube gar, Sie halten sich zu den moralgegürteten Philisterseelen? Laufen Sie den Jämmerlingen davon! Sie gehören nicht zu denen, die sich ärgern, wenn etwas geschieht, was nicht alle Leute alle Tage tun. Und Moral ist nichts weiter als das Seil, an dem die großen Geister festgehalten werden, damit sie auf ihrem Wolkenflug der flügellosen Menge unten in der Tiefe nicht ganz verloren gehen.«

»Bewahre,« antwortete Annemarie, »Moral ist der Zügel, der den Lauf vorwärtsstürmender Rosse zu gefahrloser Fahrt regelt.«

Morsach sah sie nachdenklich an. Sie sprach im leichten Plauderton und lächelte dazu, dennoch war dies offenbar kein augenblickgeborenes Bonmot, sondern eine feste Anschauung.

Das war das Ungewöhnliche an ihr, das Reizvolle ihrer Unterhaltung, das ihn immer wieder aufs neue gefangen nahm, wenn er sich eben gesagt hatte: Sie ist wirklich ein Philister, schad' um die Zeit.

Er widersprach nicht mehr, sondern setzte sich neben sie, so daß er sie von den anderen trennte, und dann erzählte er ihr, daß man ihm die zweite Kapellmeisterstelle an einer großen Provinzbühne angetragen habe.

Ihr Blick wurde warm, er sah, daß sie sich freute. Ach, leider nur freute, nicht das leiseste Bedauern darüber, daß er dann gehen würde, mischte sich in diese Freude, und ihre Ehrlichkeit, die er noch nie auf einem Winkelzug ertappt hatte, ließ ihm auch keine Hoffnung auf ein bißchen Verstellung aufkommen.

Ärgerlich rief er aus: »Nein, kokett sind Sie nicht, diese Frauentugend fehlt Ihnen leider ganz und gar.«

»Tugend? Weil sie der männlichen Eitelkeit schmeichelt?«

»Nummer zwei!«

»Was?«

»Der zweite Hieb; der saß! Nur weiter, nur weiter! Ich bin heute viel zu froh, als daß Sie mich klein kriegen könnten.«

Kathinka saß nahebei im Gras, Ferdinand Rinkhart kniete neben ihr und blies auf einer Rohrflöte. Wenn sie den Kopf wandte, konnte sie Morsach ansehen. Sie wandte ihn oft, aber sie wandte ihn auch wieder zurück. Sie sehnte sich nach dem einen und war dabei dem andern sehr gut. Ohne daß sie es wußte, drehte sie sich mit weichen, geschmeidigen Bewegungen hin und her.

»Katze,« sagte der dicke Dichter. »Wer so geschaffen wurde, von dem soll man keine Pudeltreue verlangen.«

Dederich zog die Brauen mißbilligend zusammen: »Wenn Mutter Natur auch so dächte, hätte sie's nie von Katze und Hund bis zum Menschen gebracht. Man muß einfach alles verlangen, damit irgend etwas erreicht werde.«

»Streber,« sagte Fritzchen und sah dabei den haarbuschigen Gefährten zärtlich an.

Die blasse Lore aber bat: »Blasen Sie noch ein wenig, Herr Rinkhart, unser Schäfer blies so, damals als ich noch ohne Hast und ohne Sorge froh sein konnte.«

Ferdinand blies, Kathinka fragte nach der anderen Seite: »Warum sind Sie heute so froh?«

Annemarie antwortete an Morsachs Statt: »Weil er eine tüchtige Zukunft vor sich sieht.«

»Um Gottes willen! Das eine Zukunft? Eine Mausefalle ist's! Und kein Erzengel bringt mich von München weg. Mir ist nach Genuß zumute und auf mich selber horchen:

Ich bin so guter Dinge,
So heiter und so rein,
Wenn ich heut' eine Sünde beginge,
So könnt' es keine sein.«

»O, o!« sagte Monsieur und streichelte seinen Knebelbart, »das klingt nach Liebe. Jetzt möchte ich ein Spielchen mit Ihnen machen.«

»Aber, Monsieur,« sagte Tante Pinchen lachend, »muß es denn allemal Liebe sein, wenn jemand fröhlich ist.«

»Muß? Nein. Aber es ist.«

»Liebe ist die Achse der Welt,« rief Josepha und hing sich an ihres Vaters Arm.

»Die Liebe ist der Honigtopf des Lebens,« flüsterte Madame und langte nach einem tröstlichen Stück Kirschkuchen.

»Was ist die Liebe, Fräulein Annemarie?«

Annemarie merkte gar nicht, daß Morsach sie beim Vornamen nannte, sie lächelte und sah über sich in Grün und Blau, das scharf und leuchtend nebeneinander stand und doch von dem unsichtbaren Sommerglanz zu einer unnachahmlichen Harmonie vereinigt wurde. Dies vor Augen antwortete sie: »Die Liebe ist eine Lügnerin, sie täuscht uns Kräfte und Eigenschaften vor, die wir nicht haben; die Liebe ist eine Prüferin; sie zwingt uns, den eigenen Wert und Unwert an dem geliebten Idealbild zu messen; die Liebe ist eine Zauberin, denn sie erntet Wein und Rosen von steinigem Grund und Dornenhecken –«

Morsach lachte in ihr lächelndes Gesicht hinein. »Wo ist Ihnen die Liebe begegnet?« Und dann dachte er: ›Ich kenne schon mancherlei Art, aber diese möcht' ich auch noch kennen lernen, selbst um den Preis einer mäßig vergoldeten Mausefalle.‹

»Die Liebe ist ein köstlicher Trank, der den Durst nicht stillt,« sagte Kathinka Birk.

Und mit einemmal war es, als ob von nichts anderem mehr geredet und an nichts anderes mehr gedacht werden könne, als an die Liebe.

Amoretten flirrten in den Sonnenfunken, die über den Grund des Waldes huschten, Pfeile von Eros' Bogen flogen durch die Luft, schillernd und trügerisch, wie die Libellen, die ihre Wasserheimat suchten, und durch das Grün wandelte eine selige Frau, deren goldener Haarmantel sich weich und wallend im Takt ihrer Schritte bewegte.

Wendelin sah das alles und dachte: ›Natürlich bin ich Nüchternster der einzige, der den Spuk sieht, die anderen fühlen nur und freuen sich des Lebens.‹

Er saß ein wenig beiseite, rauchte und beobachtete nachdenklich Tante Pinchens fröhlichen Übermut, den sie als einen unverbrauchten Rest aus früheren Tagen in der Tiefe ihrer Seele entdeckt hatte und auf Käsmodels Landpartie nützlich verschwendete.

Sie war nicht von der Mittagsmüdigkeit berührt, sie mußte sich bewegen. Wo es fehlte, brachte sie Hilfe: Rosen, Süßigkeiten, Streichhölzer.

»Hier, Doktor Wendelin, ich will Sie in Brand setzen. Aber, aber! – Solch kein Gesicht sah ich in meinem Leben, sagt Goethe irgendwo. Wollen Sie auch heute den alten Herrn spielen?«

» Spiel ich ihn denn?«

»Hoffentlich. Und außerdem: Alter schützt vor Torheit nicht, sagt irgendwer, und wenn Sie der gescheite Mann sind, für den wir allesamt Sie halten, dann begehen Sie sobald als möglich eine recht vollpfündige Torheit – nur von Vernunft wegen, sonst geht es Ihnen wie mir eben jetzt, und wenn keiner mehr etwas von Ihnen wissen mag, stehen Sie da mit einem ganz wundervollen, aber äußerst zwecklosen SeidumschlungenMillionen-Gefühl.«

Und Tante Pinchen breitete fröhlich ihre Arme nach den Sonnenfunken aus, in denen Wendelin die Amoretten tanzen sah.

Da sprang er auf, nahm sie beim Kopf und gab ihr einen herzhaften Kuß.

»Aber, alter Herr,« sagte sie und wurde sogar ein bißchen rot. »Wir stehen doch lediglich in einem Bücherborgverhältnis zueinander.«

»Aber, Tante Pinchen, Sie wollten mir doch einen guten Rat schenken; schenken ist mehr als borgen, und dafür habe ich mich bedankt.«

Annemarie sah mit großen, erstaunten Augen zu Wendelin hinüber.

Käsmodel aber rieb sich fröhlich die Hände. »Recht so, recht so! Hie und da muß man seine Phantasie mal von der Leine lassen, sonst wird sie kollerig und verdirbt Blut und Nerven. Ich kann euch gar nicht sagen, wie wohl mir zumute ist.«


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