Friedrich Gerstäcker
Señor Aguila
Friedrich Gerstäcker

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Der Arriero

Als Rafael an dem Abend, ziemlich müde von dem ereignisvollen Tag, nach Hause kam, fand er eine Einladungskarte des Präsidenten vor, die ihn auf den nächsten Abend sieben Uhr zu einer Tertulia nach Chorillos beschied.

Nun konnte er dort allerdings den Präsidenten sprechen, aber – er wußte es vorher – auch nicht einen Augenblick ungestört, und rasch entschlossen setzte er sich hin und schrieb an Castilla ein paar Zeilen, worin er nur anfragte, ob es ihm gestattet sei, vor dem Eintreffen der Gesellschaft ein paar Worte an ihn zu richten. Er habe wichtige Entdeckungen gemacht und bitte dringend, diese Seiner Exzellenz vorlegen zu dürfen.

Am nächsten Morgen um zehn Uhr hielt ein Ulan vor seiner Tür und stieß mit der Lanzenspitze oben an sein Fenster. Als er es öffnete, fragte der Soldat:

»Señor Aguila, vive aqui?«

»Si, Señor.«

»Es Usted?«

»Si, Señor.«

Da zog der Ulan die Lanze zurück, spießte ein Blatt Papier darauf, hob es in die Höhe, daß es der junge Mann erreichen konnte, wandte dann sein Pferd und ritt langsam die Straße hinab. Auf dem Zettel aber standen nur die Worte:

»Kommen Sie um fünf Uhr.

Castilla.«

Der letzte Zug nach Chorillos ging um fünf Uhr nachmittags, und für die Tertulia heute abend war vom Präsidenten ein Extrazug bestellt worden, der um sieben Uhr nach Chorillos abging und um ein Uhr morgens wieder in Lima sein sollte.

Rafael benutzte jetzt den Fünf-Uhr-Zug und kam etwa um halb sechs Uhr in das Palais des Präsidenten, der ihn gleich selber in seiner Veranda empfing.

Der Vorhof des niederen Gebäudes war nämlich offen und nur von einem ziemlich hohen eisernen Gitter umschlossen. Innerhalb des Hofs, gleich rechts, wenn man hereintrat, befand sich eine kleine Wachtstube. Zwei Schildwachen gingen mit aufgesteckten Bajonetten auf und ab, und zwei andere hielten an dem äußeren Tor Wache.

Den eigentlichen Salon trennte von diesem Hofraum nur eine schmale, vorn von Holzsäulen getragene und vollkommen offene Veranda, zu der zwei steinerne Stufen hinaufführten. In dieser standen links ein einfacher, weiß angestrichener Gartentisch, eine ebensolche Bank und einige Rohrlehnstühle, und neben diesen war eine peruanische, wunderbar fein geflochtene Hängematte aufgespannt, deren Seiten, Kopf- und Fußende eine reizende Garnierung von bunten, außerordentlich zarten Federn zierte.

In der Hängematte lag der Präsident, der, als er Rafael erblickte, den Kopf hob und ihm zurief: »Nun, Señor, Sie kommen wohl, um sich bei mir zu entschuldigen, daß Sie mich in eine solche Sackgasse hineingeritten haben, heh? Sie konnten wohl nicht so lange warten, bis ich Ihnen selber Bescheid gab?«

»Exzellenz, ich verstehe Sie nicht«, sagte Don Rafael erstaunt; »ich weiß in der Tat nicht, weshalb ich mich zu entschuldigen hätte!«

»Das ist nicht übel!« lachte der alte Herr. »Schicken mir da den Franzosen über den Hals, daß der mich auch noch mit seinen Beschwerden und Protesten quält und mir das Messer auf die Brust setzt.«

»Exzellenz«, sagte Rafael lächelnd, denn er sah recht gut, daß der alte Herr keineswegs böser Laune war, »ich würde es wirklich von Herzen bedauern, wenn Ihnen das eine Unbequemlichkeit verursacht hätte.«

»Ja, und Sie sehen in diesem Augenblick auch genau so aus«, brummte der Präsident.

»Wären Sie aber heute Zeuge gewesen«, fuhr Rafael fort, »mit welchem Jubel sich die armen befreiten Menschen in die Arme fielen – wie glücklich sie waren . . .«

»Kann ich mir denken! Jede einzelne Glückseligkeit kostet mich etwa zweihundert Dollars, ohne den Ärger!«

»Halten Sie das für zu teuer erkauft, Exzellenz?«

»Caramba, ja, und Sie würden es auch tun, Señor, wenn Sie es aus Ihrer eigenen Tasche bezahlen müßten!«

»Wahrlich nicht, wenn ich Besitzer der Chincha-Inseln wäre!« lächelte Rafael.

»Bah, die Zeit kommt auch, wo wir die letzte Schaufel Guano abkratzen«, sagte Castilla, »wenn ich es hoffentlich auch nicht erlebe! Doch Scherz beiseite, ich freue mich selber, daß die armen Teufel wieder in ihre Heimat kommen, noch dazu, ohne daß ich dafür Passage zu zahlen habe. Aber apropos, was ist denn das für eine Mordtat, die einer Ihrer Insulaner gestern gleich mitten in der Stadt an einem Matrosen verübt hat? Er kann froh sein, daß er das noch gestern tat, denn heute schon wird das Gesetz veröffentlicht, das die Todesstrafe wieder einführt. Diese wilde Bestie, er hat ihm die Kehle durchgebissen wie ein Panther!«

»Und Ursache genug dazu gehabt«, sagte Rafael ernst. »Der Ermordete war gerade dieser italienische Seemann, der die mit der ›Libertad‹ gekommenen Insulaner verkauft und verraten hatte, und dem Unglücklichen, der ihn hier in der Straße erschlug, waren seine beiden Brüder auf dem Schiff erschossen worden. Kann man es ihm da verdenken, daß er Rache übte?«

»Hm, so ist die Geschichte?« sagte Castilla, leise vor sich hin nickend. »Sie wissen gewiß, daß es derselbe Matrose war?«

»Genauer als irgendein anderer, denn ich habe ihn selber in einer jenen gemeinen chinesischen Spelunken aufgespürt und die Insulaner auf seine Fährte gesetzt – allerdings nicht in der Absicht, ihn hier in den Straßen Limas erschlagen zu sehen.«

»So? – Dann mag Monsieur Lacoste auch sehen, wie er mit seinem Insulaner fertig wird; ich will nichts damit zu tun haben!«

»Strafe verdient der Unglückliche sicher nicht!«

»Das ist mir ganz gleichgültig; er soll ihm gleich morgen früh ausgeliefert werden und mit aufs Schiff hinunterkommen. Ich habe hier Gesindel genug zu füttern und will nicht auch noch Passage dafür von hier nach der Südsee bezahlen. Aber was war es, das Sie heute zu mir führte und weshalb Sie mich allein zu sprechen wünschten?«

»Meine eigene Angelegenheit, Exzellenz, wenn ich Ihnen eine Viertelstunde damit lästig fallen darf.«

»Ah, ich erinnere mich – wegen des Verkaufs Ihres Gutes etwa? Ich glaube, Sie sprachen davon.«

»Jawohl; ich habe ein Schriftstück gegen Desterres in Händen, das den Herrn wohl zwingen dürfte, seinen Kaufbrief und dessen Unterschrift prüfen zu lassen.« Und dabei nahm Rafael die erbeutete Brieftasche heraus, um sie dem Präsidenten vorzulegen.

Dieser aber winkte mit der Hand und sagte:

»Nicht hier, kommen Sie mit in das Zimmer hinein. Was man hier spricht, schallt zu sehr in den Hof, und es ist besser, wir gehen in das Haus.«

Ein Wink von ihm rief dabei den wachthabenden Offizier heran, und er sagte: »Ich bin für niemand zu sprechen, bis mich dieser Herr wieder verläßt.«

»Sehr wohl, Exzellenz!«

Don Rafael folgte dem Präsidenten in den inneren Raum.

Die beiden Herren mochten die Veranda etwa eine Viertelstunde verlassen haben, als ein Arriero mit einer Anzahl von bepackten Maultieren die Straße herabkam und vor dem Palais haltmachte.

Der Mann war in die gewöhnliche Tracht dieser Art Leute gekleidet, die sich auch eigentlich von der gewöhnlichen europäischen nur durch einen Poncho und einen etwas höheren, spitzen Hut unterschied. Das Maultier, das er ritt, war ein ausgezeichnetes Tier, glatt und schlank von Körper und doch kräftig; das Zaumzeug, an dem übrigens kein Silber die Habgier liederlichen Gesindels reizte, war mit bunten Schnüren in ganz eigentümlicher Weise verziert. Man sah es dem Arriero überhaupt an, daß er zu der besseren Klasse dieser Leute gehörte. Sein Anzug war sauber und von gutem Tuch und dabei reinlich. Er schien etwas auf sich zu halten, und das kleine seidene Tuch, das er um den Hals trug, sah aus, als ob es vor kaum einer Viertelstunde neu geknüpft sein konnte.

»Reite nur immer mit den Tieren voraus«, sagte er zu einem seiner Leute, der neben ihm hielt, um seine Befehle zu erwarten. »Wir machen in unserem alten Quartier halt, wenn es auch ein bißchen spät werden sollte.«

»Sie wollen nicht in Chorillos bleiben, Señor?«

»Nein, denke gar nicht daran, ich komme schon nach. Strengt mir nur die Tiere nicht so sehr an; es ist heute Mondschein, wenn sie auch eine halbe Stunde länger auf der Straße sind. Die Nacht müssen sie doch ordentlich ausruhen, wenn wir auch erst morgen mittag nach Lima hineinkommen.« Und als ob das genügte, stieg er von seinem Maultier, dem er freundlich den Hals klopfte. Seine Leute ritten mit dem Zuge weiter die Straße hinab auf dem Weg nach Lima hin, und der Arriero schritt auf den nächsten Posten zu und sagte: »Compañero, sei so gut und melde mich einmal deinem Offizier; ich habe mit ihm zu sprechen. Ist der Präsident in Chorillos?«

»Ja, Señor.«

»Gut, melde mich nur deinem Offizier, oder warte, ich gehe lieber gleich mit hinein.«

»Das geht nicht, Señor, ich muß erst . . .«, wollte der Soldat einwenden.

»Ach, was«, rief der Arriero, »mich darfst du einlassen, ich gehöre mit ins Haus«, lachte er vor sich hin; »mach' nur keine Umstände, ich möchte mein Tier nicht gern da draußen so lange allein stehen lassen.« Ohne weiteres schritt der Mann auch in den Hofraum hinein, und seine ganze Erscheinung hatte so etwas Gediegenes und Zutrauen Erweckendes, daß ihn die Soldaten wirklich nicht hindern mochten. Ihr Offizier stand ja auch überdies mitten im Hof, und der Präsident war hineingegangen.

»Was wollt Ihr, Amigo?« redete ihn hier der Offizier ziemlich erstaunt an. »Konntet Ihr Eure Meldung nicht draußen machen?«

»Nein«, sagte der Arriero trocken, »ich wollte nur den Präsidenten sprechen, und der wird doch wohl nicht zu mir hinaus auf die Straße kommen.«

»Seine Exzellenz ist jetzt nicht zu sprechen«, wies ihn der Offizier ab. »Was Ihr von ihm wollt, könnt Ihr mir sagen, ich richte es schon aus.«

»Ja, das glaub' ich«, lachte der Mann, indem er seinen Fuß auf eine Bank stellte und den rechten, etwas locker gewordenen Sporn wieder fester schnallte; »aber damit ist mir und ihm nicht gedient. Doch wir wollen die Sache kurz machen; seid so gut und meldet mich nur Seiner Exzellenz, und wenn er dann sagt, daß er mich nicht sprechen will, nun gut, dann reite ich wieder meiner Wege.«

»Seine Exzellenz«, sagte der Offizier, ohne sich von der Stelle zu rühren, »hat jetzt eine Unterredung mit einem Caballero, in der er nicht gestört sein will. Er hat mir befohlen, indessen keinen Menschen vorzulassen.«

»Hm«, lachte der Arriero still vor sich hin, »wie sich doch die Zeiten ändern; es gab eine Zeit, wo – aber was tut's!« rief er, den Kopf zurückwerfend. »Und nun, mein lieber Herr Offizier, erlauben Sie mir nur die eine Bemerkung noch, ehe ich wieder gehe. Ich bitte Sie jetzt nochmals, mich Seiner Exzellenz zu melden; verweigern Sie es, so tun Sie das auf eigene Verantwortung, und was Ihnen nachher der alte Castilla für Carachos über den Hals schickt, denn er soll eben nicht besonders sparsam damit sein und war es nie, das ist dann Ihre Sache. Sie haben mich doch verstanden?«

»Caramba, Amigo«, lachte der junge Offizier, den das bestimmte Benehmen des Mautiertreibers amüsierte; »ich fürchte jetzt fast selber, daß ich eine schwere Verantwortung auf mich laden werde. Dürfte ich denn Euer Gnaden wohl um Ihren werten Namen bitten?«

»Der ist hier im Hause bekannt genug«, sagte der Arriero: »Castilla.«

»Alle! Wetter«, lachte der junge« Mann, »sogar ein Namensvetter Seiner Exzellenz! Wie sich der Herr freuen würde, das Vergnügen Ihrer Bekanntschaft zu haben; schade, daß er heute keine Zeit hat!«

»Gut denn«, sagte der Arriero, indem er sich zum Gehen wandte, denn daß der junge Mann seinen Spott mit ihm trieb, merkte er gut genug; »wenn Ihr hier nichts zu tun habt, als Maulaffen feilzuhalten, so ist das wenigstens nicht bei mir der Fall. Leider komme ich auch so bald nicht wieder hierher zurück; wenn also Euer Caballero fort ist, dann seid so gut und geht zum Präsidenten hinein und sagt ihm, sein Bruder Manuel wäre dagewesen, aber nicht vorgelassen worden. Er käme jetzt von Cuzco und ginge nach Huánaco, hätte ihm auch gern etwas von zu Hause erzählt, aber es – ging eben nicht. Also, Gott befohlen!«

Und ohne sich weiter um den Offizier zu kümmern, schritt er nach dem Tor zurück.

»Alle Teufel«, murmelte der junge Soldat erschrocken vor sich hin, »des Präsidenten Bruder – und der strikte Befehl des Alten – was ist da zu machen?« Er hatte wohl schon früher davon gehört, daß Castilla »unten im Süden« einen Bruder habe, der Arriero sei und unter keiner Bedingung sein Gewerbe aufgeben wolle; aber ob der Präsident auf gutem Fuß mit ihm stand, davon wußte er kein Wort. Sollte er jetzt die Verantwortung auf sich nehmen, den leiblichen Bruder seines Herrn wie einen Bettler von der Tür geschickt zu haben? – Das ging unmöglich an! Heruntermachen konnte ihn der Alte auch nicht, weil er seinen Bruder anmeldete, das durfte er schon der Leute wegen nicht tun. Nein, fortlassen durfte er den auf keinen Fall, was auch nachher daraus entstand!

»Señor!« rief er hinter ihm drein, als der Arriero eben wieder an den Soldaten vorüber wollte.

»Amigo?« rief jetzt der alte Maultiertreiber mit einem eigenen, drolligen Zug um den Mund zurück, indem er stehenblieb und den Kopf halb über die Schulter drehte.

»Warten Sie einen Augenblick!«

»Tut mir leid; habe Ihnen schon gesagt, daß ich nicht kann.«

»Ich werde Sie melden.«

»Ah, das ist etwas anderes«, sagte der alte Arriero, indem er sich auf seinem Absatz herumdrehte und langsam in den Hof zurückschritt; »bitte, Señor, sagen Sie weiter nichts, als ›Manuel sei da‹, und dann kommen Sie wieder heraus und melden mir: Seine Exzellenz würden sich ungemein freuen, mich begrüßen zu können – wie?«

Der Offizier hatte sich schon abgedreht und schritt in das Portal hinein.

Drinnen im Zimmer an dem langen, abgerundeten Tisch, der schon für den heutigen Abend gedeckt war, stand Castilla neben Rafael, den Brief Desterres' in der Hand und die Schriftzüge mit einem anderen Dokument vergleichend, das er selber von dem genannten Herrn besaß.

»Und Sie wissen genau, Aguila, daß der Kaufkontrakt ein drei Tage jüngeres Datum trägt?«

»Ich bin erbötig, meine Versicherung eidlich zu erhärten. Exzellenz können sich aber leicht selber davon überzeugen, wenn Sie jenem Herrn nur einmal befehlen, Ihnen den Kaufkontrakt vorzulegen. Ich vertraue Ihnen indessen gern dieses Papier an.«

»Hm, ja, das ginge. Fernando!« rief er dann rasch entschlossen, wie er immer war, und ein junger, etwas bleich aussehender Mann erschien nach einiger Zeit in der Tür.

»Ein Telegramm nach Lima«, rief ihm der Präsident entgegen.

Der junge Mann hatte sich an den nächsten Tisch gesetzt, auf dem ein Tintenfaß stand, und hielt die Feder in der Hand.

»Señor Desterres«, diktierte der Präsident, »bringen Sie den Kaufbrief über Aguilas Hacienda mit. Castilla. Augenblicklich zu befördern.«

Der junge Mann stand auf, verbeugte sich und verschwand durch die Tür, und Castilla wandte sich wieder freundlich gegen Rafael:

»Wie ich höre, haben wir es Ihrem Eifer auch zu verdanken, daß wir auf die Spur der Diebesbande kommen, die damals der jungen Sängerin . . .«

In diesem Augenblick erschien der Offizier auf der Schwelle, und während Castilla rasch den Kopf nach ihm drehte und ihn finster ansah, berichtete er, die Hand an der Mütze:

»Exzellenz, ein Señor ist draußen, der sich Manuel Castilla nennt und verlangt, Euer Exzellenz gemeldet zu werden.«

»Manuel?« rief der Präsident, rasch emporfahrend. »Caramba, wo kommt der wieder einmal her? Soll hereinkommen! Hat er Euch denn nicht gesagt, daß er mein Bruder ist? Manuel, Manuel!« Der alte Herr hatte in der Tat in dem Augenblick vergessen, daß noch ein Fremder bei ihm war, und zu der Tür tretend, rief er dem Arriero schon von weitem zu: »Na, was stehst du da draußen, Alter, weißt du den Weg denn noch nicht? Wie geht's Manuel?«

»Quien sabe?« antwortete mit dem charakteristischen Achselzucken dieser Leute der alte Arriero, indem er den Hut abnahm, auf den Präsidenten zuging und ihm derb die Hand schüttelte. »Aber dir geht's gut, nicht wahr, Exzellenz?«

»Exzellenz – Esel!« sagte der Präsident; »weißt du nicht mehr, wie ich heiße? Ich habe dich für vernünftiger gehalten!«

»Das war stets dein Fehler, Exzellenz«, sagte der Arriero, der etwas Störrisches wohl von dem steten Umgang mit seinen Maultieren angenommen hatte; »deshalb habe ich's auch nie weiter als bis zum Maultiertreiber gebracht.«

»Und wessen Schuld ist das, he?« rief Castilla in gutmütigem Zorn. »Hab' ich dir nicht wieder und wieder angeboten, zu mir zu kommen? Hab' ich dich nicht geradezu gebeten, dem rauhen Leben zu entsagen und dich nicht länger in Hitze und Staub auf der Landstraße umherzutreiben? Gott bewahre, es war alles vergebens!«

Der Arriero lachte still vor sich hin und sagte dann nickend:

»Wir sind beide unverbesserlich, Exzellenz, du und ich, und müssen nun wohl schon so aufgebraucht werden.«

»Und wie geht es zu Hause?«

»Exzellenz«, sagte Rafael, dem es peinlich wurde, Zeuge dieses Zusammentreffens zu sein, noch dazu, da sich jetzt das Gespräch auf Familienangelegenheiten wenden sollte, »ich bedaure sehr, Sie durch meine Gegenwart zu stören. Wenn Sie mir gestatten, entferne ich mich jetzt.«

»Nun gut, mein lieber Aguila«, lächelte der alte Herr, augenscheinlich durch die Erinnerungen, die die Erscheinung seines Bruders von alter Zeit geweckt, viel weicher gestimmt, »Sie werden mich entschuldigen. Ich habe meinen Bruder lange nicht gesehen, und es freut mich herzlich, daß er mich wieder einmal aufsucht.«

»Wollte Gott, ich hätte einen Bruder, Exzellenz, ich würde Hunderte von Leguas wandern, um ihn aufzusuchen!«

»Ich glaub' es Ihnen, Aguila; also auf Wiedersehen heute abend!«

»Du hast wohl heute abend große Gesellschaft?« fragte der Arriero, der den Blick über die lange, für viele Personen gedeckte Tafel warf.

»Allerdings, und wenn du mir eine Freude machen willst, bleibst du da!« rief der Präsident.

»So?« lachte sein Bruder, indem er auf seinen Anzug deutete.

»Warum nicht? Wen kümmert's, wenn ich damit einverstanden bin?«

»Das verstehst du nicht, Exzellenz«, sagte der Arriero trocken, »und da ich einige Jahre älter bin als du, muß ich wohl der Vernünftigere sein. Nur deiner Frau möchte ich noch vorher guten Tag sagen und dir die Grüße von daheim ausrichten; nachher geh' ich wieder meiner Wege. Mein Maultier wird mir auch sonst da draußen ungeduldig.«

Rafael hatte sich der Tür zugewandt, grüßte die beiden Männer achtungsvoll und verließ den Saal.

 


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