Gustaf af Geijerstam
Das Buch vom Brüderchen
Gustaf af Geijerstam

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Achtzehntes Kapitel

Wir hatten das Bett des kleinen Sven in das Verandazimmer gestellt, damit er durch die geöffneten Türen die Vögel singen und die Winde rauschen hören könnte. Da lag er nun auf seinem weißen Bettchen, und wenn er aufsah, war es in der Erwartung, geküßt zu werden, oder er bewegte auch sachte die kleinen, schwachen Händchen, und dann beugten wir uns über ihn, weil wir wußten, daß er uns liebkosen wollte.

Svante ging auf den Zehen in das Krankenzimmer, und sein Herz war erfüllt von dem Unbegreiflichen, daß das kleine Brüderchen sterben sollte. Lange stand er stille und betrachtete ihn oder beugte sich hinab und küßte seine Wange. Aber als Mama aus ihrer Betäubung erwacht war, da ging er auf sie zu, als sie hereinkam, und legte seine beiden Arme um ihren Hals.

Nie werde ich den Blick unsäglicher Verzweiflung vergessen, mit der sie den Knaben umarmte und ihm in die Augen sah.

»Hast du Olof telegraphiert?« sagte sie zu mir.

Ich nickte, und wieder sah ich, wie sie sich über Svante beugte und ihn an sich drückte. Von einem plötzlichen Instinkt getrieben, erhob ich mich und ging hinaus, meine Frau mit dem gesunden Kinde und dem sterbenden allein lassend. Als ich mich in der Tür umwendete, sah ich meine Frau Svante zu dem Bette des kleinen Brüderchens führen. Da setzte sie sich auf die eine Seite und ließ den Knaben auf der anderen Platz nehmen. Dann beugte sie sich hinab über Sven. Aber die ganze Zeit hielt sie Svantes Hand fest, und ich sah, daß sie beide Kinder liebkoste, ohne irgendeinen Unterschied zu machen.

Als Svante schließlich herauskam, ging ich hinein und nahm seinen Platz gegenüber meiner Frau ein. Da reichte sie mir über das sterbende Kind ihre Hand und sagte:

»Ob es zum Glück oder zum Unglück ausschlägt, weiß ich nicht. Aber ich werde bei dir bleiben. Denn ich glaube jetzt, daß Gott es will.«

Und nach einem Augenblick fügte sie hinzu:

»Sven will es auch. Ich habe mit ihm gesprochen.«

Ohne antworten zu können, beugte ich mich hinab und küßte ihre Hand. Und in dieser Stunde wußte keiner von uns, was Glück und was Unglück war.

 


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