Gustaf af Geijerstam
Das Buch vom Brüderchen
Gustaf af Geijerstam

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Fünftes Kapitel

Wie lange diese Zeit währte, kann ich mich nicht mit Bestimmtheit entsinnen. Ich weiß nur, daß ich mich ihrer wie eines einzigen entsetzlichen Winters ohne Schnee erinnere, eines langen, dunklen Strichs in unserem Leben, das mich leer und ohne Sinn dünkte. Nachher habe ich den Tod das Teuerste, was ich besaß, aus meinen Armen reißen sehen, ich sah Freunde sterben, ich habe mich von allem verlassen gefühlt, wofür ich geistig sterben oder leben wollte. Aber etwas, das sich mit diesem Winter vergleichen läßt, habe ich niemals erlebt, denn damals glaubte ich, daß Elsa im Begriffe stand, von mir fortzugleiten, und dieser Gedanke war mir furchtbarer als irgendetwas, das andere Menschen mir zufügen konnten oder das mich überhaupt im Leben zu treffen vermochte.

Diese Zeit war so bitter, weil ich damals das einzige Mal in meinem Leben in meinem Herzen hart gegen sie wurde, und ich wurde es, weil ich es nicht besser verstand. Ich kam schließlich dazu, mich in mich selbst zurückzuziehen so wie sie, denn der Gram beherrschte mich; endlich bekam der Gram Stimme, und die harten Worte zitterten in der Luft um uns.

Eines Tages fand ich sie in Tränen, und mit einer Stimme, die nicht mehr meine war, rief ich aus:

»Wie lange glaubst du, daß ich das aushalten werde?«

Im selben Augenblick, in dem ich es gesagt, bereute ich meine Worte, und niemals werde ich den Ausdruck des Schreckens vergessen, der ihr ganzes Antlitz versteinerte.

»Was meinst du?« sagte sie.

»Das, was ich sage.«

Es war, als hätte ein böser Geist, den ich nicht zügeln konnte, durch meinen Mund gesprochen. Alles, was ich gelitten, stieg in mir empor, als wolle es mich ersticken, und ich empfand es als einen Triumph, daß ich ihr wehe getan.

»Gehe doch,« sagte sie, »gehe von mir. Warum bist du je zu mir gekommen?«

Sie weinte nicht, als sie ging. Aber mitten durch meinen Zorn fühlte ich, daß ich ihr mit meinen unüberlegten Worten einen Schmerz zugefügt, so groß, daß ich selbst nie einen ähnlichen gefühlt hatte, noch fühlen werde. Aber ich schüttelte diesen Gedanken ab und verschanzte mich hinter dem beschränkten Hochmut, der den Menschen dazu bringt, ein Unglück nicht abzuwehren, sondern nachzurechnen, wessen Schuld es ist.

»Es ist ihre Schuld,« sagte ich zu mir selbst, »wenn unser Glück vorüber ist. Was habe ich getan, daß sie unglücklich sein und mich dadurch quälen muß, daß sie mir die Ursache nicht sagt? Sie liebt mich nicht mehr. Das ist ja der Lauf der Welt. Was schön ist, muß verunstaltet werden. Wer glücklich ist, darf es nicht lange bleiben.«

Hinter solchen Gedanken verbarg ich mein wirkliches Empfinden, das die ganze Zeit über von ihr erfüllt war. Ich glaubte, daß ich ein Recht zu grollen hätte, und ich fand, daß das, was ich gesagt, eine noch härtere Antwort erhalten hatte, als die Worte selbst verdient hatten.

 


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