Gustaf af Geijerstam
Das Buch vom Brüderchen
Gustaf af Geijerstam

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Fünfzehntes Kapitel

Wie wundersam, voll Hoffnung, Unruhe, Verzweiflung und Befürchtungen war nicht die Zeit, die nun folgte! Der Doktor hatte uns eine lange Kränklichkeitsperiode prophezeit, wir bereiteten uns daher, in Geduld zu warten, und wir versuchten auch, diese Tugend zu üben. In zwei langen Wochen, die nun folgten, fügte sich Svens Krankheit in die täglichen Gewohnheiten unseres Alltagslebens ein, so wie die Krankheit es immer tut, wenn sie für länger in einem Hause einkehrt. Ich schrieb darum jeden Vormittag, ohne mich stören zu lassen, an meinem Buch, und meine Frau ging jeden Tag zwischen ihm und mir hin und her, saß in Svens Zimmer, der ruhig wurde, wenn er ihre Nähe fühlte, und schlich sich hinaus, wenn er schlief, um frische Luft zu schöpfen und mir von all den guten Zeichen zu erzählen, die ihr aufmerksames Auge stets zu entdecken glaubte. Svante ging einsam und stumm umher und fuhr über die Bucht und erzählte seinen Freundinnen, den kleinen Mädchen, daß das kleine Brüderchen schwer krank lag und daß daheim alles so still geworden war.

Wir hatten eine Pflegerin nehmen müssen, damit meine Frau sich nachts ausruhen konnte. Das geschah nicht ohne vieles Sträuben von Elsas Seite. Denn sie war so eifersüchtig auf den Kleinen, daß sie niemand anderen duldete, den er um Hilfe bat oder der ihm solche angedeihen ließ. Und erst als sie merkte, daß die Kräfte sie verließen, gab sie mit Tränen in den Augen ihre Einwilligung und fügte sich in das Unvermeidliche.

Ein paar Stunden, nachdem die Pflegerin eingetroffen war, kam jedoch meine Frau zu mir und erzählte mit strahlenden Augen, daß Sven großes Gefallen an seiner neuen Freundin gefunden.

»Von dir lasse ich mir gerne helfen. Denn du bist lieb«, hatte er gesagt.

Und damit schloß er seine Augen und lag stille, wie er zu liegen pflegte, mit der Eisblase auf seinem Kopfe, der immer schmerzte, die kleinen mageren Hände auf der Decke.

Eines Tages wurden wir plötzlich durch Leierkastenmusik draußen auf dem Hofe gestört, und da Sven gerade an diesem Tage gegessen und geplaudert hatte und sehr munter aussah, fragten wir ihn, ob er sich nicht heraustragen lassen wollte, um einen Affen anzusehen.

Sonst war Sven immer derjenige gewesen, der herbeigestürzt kam, wenn ein Leierkastenmann im Anzuge war. Ganz atemlos pflegte er zu Papa zu kommen und um Kleingeld zu bitten. Es war seine Freude, geben zu können, und wenn er mit seinen Münzen angerückt kam und strahlend glücklich aussah, als wüßte er, was es für einen armen Musikanten bedeutete, Geld für Essen zu bekommen, da brachte er manches schwarzbraune Gesicht dazu, mit weißen Zähnen zu lachen, und dunkelglänzende Augen strahlten seine blauen an.

Aber jetzt hing er so müde und klein an Papas Arm. Vorsichtig in eine Decke gewickelt war er, und Strümpfe hatte er an den Füßen. So wurde er hinausgetragen, und Papa hielt ihn auf der Veranda in seinen Armen, von wo er auf den sonnenbeleuchteten Hof hinuntersehen konnte, wo die munteren Weisen des Leierkastens Sven entgegentönten. Müde und fremd blickte er hinab auf die Bäume und den Hof, auf das Rudel Kinder, die dort im Sonnenschein standen, und sein Blick war die ganze Zeit wundersam, als grübelte er nach, warum all dies nicht schön sei wie sonst. Er versuchte den Mund zu verziehen, als er den Affen erblickte, der das Lustigste war, was er kannte, und der auf dem Leierkasten auf und ab hüpfte, mit seiner kleinen Kette rasselnd, und komische Grimassen schnitt, wenn er versuchte, eine Nuß zu knacken.

Aber Sven vermochte es nicht, all das anzusehen. Er wurde nur immer ernster und ernster. Immer schwerer und schwerer saß er auf Papas Arm. Es war, als wäre er weit fort und sähe hinab auf alles, was die Erde Schönes und Fröhliches hatte, und sehnte sich danach und fühlte, daß all dies nicht mehr für ihn da war. Er lehnte nur seinen Kopf an Papas Schulter, und dann wurde er wieder in sein Bettchen getragen.

Mama legte ihn hinein und strich ihm die Kissen zurecht:

»War es nicht hübsch, Sven?«

»O ja, ich konnte nur noch nicht recht. Aber ich werde schon bald gesund.«

Da beugte Mama sich hinab und streichelte das Haar des kleinen Brüderchens, aber ohne daß er es sah, streckte sie ihre andere Hand aus und suchte die meine, die sie krampfhaft drückte.

 


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