Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Bekenntnisse

Oft frag' ich: Sollte das ein Schlich sein
Der Schicksalshinterlist?
Warum denn mußt' es grade ich sein,
Der Ich geworden ist?

»Lernest du Falschheit nimmer durchschauen?
Wird dein Glaube nimmer gelähmt?«
Lieber zu viel als zu wenig vertrauen;
Lieber betrogen als beschämt.

Nein, ihr könnt mein Fühlen und Denken
Nimmer durch eure Parole beschränken,
Müßt mir die schnöde Willkür lassen,
Frei zu lieben und frei zu hassen;

Aber schweigende Würde zu höhnen
Und mit Kränzen aus Dorngesträuch
Das ergraute Verdienst zu bekrönen,
Das überlass' ich euch.

Wohl kann ich die Schönheit nicht missen;
Jedoch sie verbürgt mir kein Glück:
Oft spielt in den schönsten Kulissen
Das allertraurigste Stück.

Wann müssen wir uns eingestehn,
Die Jugend beginne hinwegzuwandern?
Wenn langsam, einer nach dem andern,
Die törichten Wünsche schlafen gehn.

Die herbste Pein, der tiefste Verdruß,
Sie können inmitten der Folter uns laben:
Es ist ein auserlesner Genuß,
So recht mit sich selber Mitleid zu haben.

Die Faulheit ist uns angeboren,
Der Fleiß nur ein erworbner Schmuck:
Damit er uns nicht geht verloren,
Braucht's täglich einen neuen Ruck.

Niemals wird mich der Spruch beschämen:
Geben ist seliger als Nehmen.
Aber den Zusatz müßt ihr verzeihen:
Schenken ist seliger als Verleihen.

All mein erzeugender Wille
Versinkt in des Grübelns tiefdämmrigem Schachte
Infolge der skeptischen Brille,
Mit der ich mich selbst unaufhörlich betrachte.

Allerhand Glück und allerhand Leid
Hab' ich genossen, gelitten;
Mancherlei Taten und mancherlei Streit
Hab' ich vollbracht und gestritten.
Jegliche Sorte von Tagen,
Die trüben und heitren, die leichten und schweren
Konnt' ich gelassen ertragen,
Nur nicht die inhaltsleeren.

Entsage dem, was du nicht hast:
O heitre Not und leichte Last!
Entsage dem, was du nicht bist:
O Qual und bittrer Seelenzwist!

 

 


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