Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Zwischenspiel

Ein schädlicher Mensch

        Ein schädlicher Mensch! Er hat Humor!
Er will mit kecken Gesängen
Den tiefberechtigten Trauerflor
Auf eine Weile verdrängen!
Was bildet denn der Herr sich ein?
Hat er denn einen Erlaubnisschein
Mit amtlich beglaubigten Stempeln?
Ihr wackeren Brüder, kommt heran!
Wir müssen den unverdaulichen Mann
Aus unserer Mitte rempeln.

Der Mensch benimmt sich grad so frei
In seiner Pseudodichtung,
Als gäb' es auf Erden keine Partei
Und keine richtige Richtung.
Er will auf eigenen Füßen stehn,
Er mag in keine Schule gehn,
Nennt unsre Prinzipien Faxen,
Und, denkt euch nur, wie flach, wie roh!
Was er empfindet, sagt er so,
Wie ihm der Schnabel gewachsen!

Wir stecken im Kampf bis übers Ohr
Bei kritischem Trommeldröhnen,
Und der da kommt uns mit Humor
Und will uns damit versöhnen!
»Ein einziges tränendes Auge nur,
In das ich eines Lächelns Spur
Für eine Sekunde lockte,
Ein Herz nur, dem ich Tröstung lieh,
Gilt mehr als alle Theorie.«
So faselt der Verstockte.

Er bildet sich ein, umsonst nicht sei
Die Freude zur Welt gekommen,
Die mächtige Göttin Fantasei
Könnt' auch dem Elend frommen,
Und wenn die Lebenskämpfer matt
Sich sammelten in der Lagerstatt
Mit sorgenumnachteter Seele,
Dann wär' es nicht allzu naseweis,
Daß einer tret' in ihren Kreis
Und ihnen was Hübsches erzähle.

So denkt der Mensch und redet uns vor,
Uns, die wir in Galle uns baden,
Ein bißchen sogenannter Humor
Könnt' keiner Richtung was schaden.
Wir schlagen mit Tinte blutigrot
Täglich sechs Ehrengreise tot,
Wir ärgern uns gelb und gelber,
Und diese schmähliche Halbnatur
Empfiehlt uns den Humor nicht nur,
Besitzt ihn gar noch selber!

Jung-Deutschland links, Alt-Deutschland rechts
Mit aufgesperrtem Rachen,
Und in der Hitze des Gefechts
Beginnt der Lump zu lachen!
Abseits vom aufgeregten Schwarm
Steigt er vergnüglich, wohlig-warm
Auf einen friedlichen Hügel
Und dichtet sich dort oben satt:
Ein Dichter, der Zeit zum Dichten hat –
Verdient der Kerl nicht Prügel?

In unserem engen Richtungszaun,
Den nie wir überschritten,
Ist zwischen dem Tragiker und dem Clown
Kein Platz für einen dritten.
Mit blutigem Ernste treten wir an,
Und wer nicht singen und schaffen kann,
Der tue mit Schreien sich gütlich:
Erst wenn vor unserem Kampfesring
Den deutschen Dichtern das Lachen verging,
Dann wird es wieder gemütlich.

 

 


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