Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Kunst

Als deine Sonne soll dein Werk dir lachen;
So kannst den Werktag du zum Sonntag machen.

Wer einmal der Kunst ins Auge geschaut,
Den hält sie fest, die grausame Braut;
Er kann wohl stöhnen, er kann wohl fluchen,
Doch nie einen anderen Bund versuchen.

Ideen kommen zur Welt abstrakt,
Will sagen: splitterfasernackt;
Die Künstler als gefällige Schneider
Verfertigen ihnen konkrete Kleider.

Wenn der Genius ein Goldkorn traf,
Nur die Arbeit lehrt's vertausendfachen:
Manchen gibt's der liebe Gott im Schlaf;
Aber nehmen müssen sie's im Wachen.

Wahrheiten wechseln und Ideen schwanken;
Nur das geschaffne Leben lebt und schafft;
Drum laß Gestalten werden die Gedanken;
Gib ihnen Form, so gibst du ihnen Kraft.

Kann, wer als Sternbild soll die Welt verklären,
Euch Zeitvertreiber sein zur gleichen Frist?
Verübelt ihr's etwa dem Großen Bären,
Daß er nicht auch ein Tanzbär ist?

Dichter und Bildner, nimm dich in acht!
Du bist und bleibst ein großes Kind
Und hast aus dem Leben ein Spiel gemacht:
Spielsachen gar leicht zerbrechlich sind.

Wann wird die Schülerhand zur Meisterhand?
Am Tage, wo zum erstenmal
Ihr ein Gelingen Mühe schafft und Qual,
Das früher sich von selbst verstand.

Der Meister schwärmt für seinen Schüler,
Befördert ihn mit Wort und Schrift,
Und seine Liebe wird erst kühler,
Sobald ihn jener übertrifft.

Raube dem neuen Frühling den Wahn,
Kein voriger hab's ihm gleich getan,
So raubst du ihm die Stärke
Zu seinem beglückenden Werke.

Nicht immer hat ein Heuriger,
So wild er auch gegärt,
Das Jahr darauf als Feuriger
Im Fasse sich bewährt.

Nichts lernen zu müssen von einem Meister,
Darin mag wohl das Genie bestehn;
Doch Rangen, die hinter die Schule gehn,
Sind deshalb noch keine führenden Geister.

Ach, bliebe doch allem Echten fern
Der dunstige Qualm der Weihrauchaltäre!
Gar oft erstickt ein neuer Stern
In seiner eigenen Atmosphäre.

Ruhm und Erfolge gleichen Lotterielosen,
Solang wir nicht mit einer Koterie kosen.

Mancher vermag uns mit grellen Geräuschen
Einen Tag lang fesselnd zu täuschen;
Aber die Wahrheit wird sich zeigen,
Wenn am Abend die Trommeln schweigen.

Ihr mögt dem Natürlichen stets auf der Spur sein,
Was hilft's, wenn ihr selbst naturlose Schemen?
Wollt ihr das große Geheimnis vernehmen?
Der Künstler muß selber eine Natur sein.

Hat im Gestrüpp ein Schwarm sich verrannt,
Hilflos spähend nach einer Lichtung,
Früher hat man es Holzweg genannt;
Heute heißt man's: Die neueste Richtung.

Strebt deine Kunst nach Sensation,
So wird sie bald sich erschöpfen,
Und deinen Ruhm bestreitet dir schon
Das erste Kalb mit zwei Köpfen.

Hoffe nicht, du könnest schildern,
Was du nicht erlebt,
Wenn es auch in reichen Bildern
Dir vorüberschwebt.
Nur wer als beglückter Freier
In das Herz ihr schaut,
Dem entwirkt sich aus dem Schleier
Die verschämte Braut.

Er gab zuerst sein Herzblut hin;
Das bracht' ihm Ansehn und Gewinn.
Nun spart er sich den Aderlaß
Und zapft ein Surrogat vom Faß.

(Stoßgebet)

Bewahr' uns, lieber Herre Gott,
Vor Pestilenz und Kriegesnot,
Vor Mißwachs, Hagel, Feuersbrunst
Und vor der offiziellen Kunst.

Auf jeden Deutschen, der etwas geschaffen,
Kommen ein Dutzend nachstümpernder Affen,
Zwanzig blind verhimmelnde Pfaffen,
Fünfzig Empörte mit zornigen Waffen,
Hundert ästhetisierende Laffen,
Tausend, die es gelangweilt begaffen,
Und zwei oder drei,
Die sich freuen dabei.

Weltbürgertum sollt ihr im Denken zeigen;
Doch einem Volk gehört ihr, wenn ihr schafft:
Der Baum, der weithin ragt mit seinen Zweigen,
Aus enger Scholle saugt er seine Kraft.

Mancher hätte wohl lieber das Geld,
Mit dem man sein Denkmal hergestellt,
Schon als lebendiger Mensch besessen,
Um ganz bescheiden sich satt zu essen.

Der Kunst, die über Bestien triumphierte,
Darf Orpheus bei den Menschen nicht vertrauen:
Verworfene kann sie vielleicht erbauen,
Doch nie und nimmermehr Blasierte.

Warum hat er den dicken Band
Wohl »Grundriß deutscher Kunst« genannt?
Weil er darin mit schalem Besserwissen
Die deutsche Kunst zu Grund gerissen.

Weiß nicht, was echte Künstler sollen
Mit eurem theoret'schen Schwulst!
»Kunst« kommt von Können, nicht von Wollen;
Sonst hieß' es »Wulst«!

Lang Ersonnenes
Lähmt die Hände;
Frisch Begonnenes
Drängt zum Ende.

(Wahrheit und Schönheit)

Wär' mir genau bekannt, was wahr,
Ich macht' es allen Menschen klar,
Und fänd' ich wo das ewig Schöne,
Ich brächt's in Farben, Wort' und Töne.
Jedoch bei so gelehrtem Streit
Da geht der Künstler still beiseit,
Schafft, was er muß und was er kann,
Und wem's gefällt, der freut sich dran.

(Sinn und Form)

Der Sinn soll herrschen ohne Herrschermienen,
Die Form soll mit erhobnem Haupte dienen,
Und wem ihr heimlicher Vertrag nicht klar,
Der halte beide für ein liebend Paar.

Diebstahl ist nicht zu empfehlen;
Dennoch darf ein kühner Mann
Einmal silberne Löffel stehlen,
Wenn er Gold draus machen kann.

Bescheidnes Können wird gar leicht umgarnt
Und irrgeführt beim Anblick fremder Stärke;
Drum sollte stehn auf jedem Meisterwerke;
»Vor Nachahmungen wird gewarnt.«

 

 


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