Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Das Mondbad

(Ein Zukunftsbild)

        Wer sagt, was all noch möglich werde,
Da das Unmögliche getan?
Den Mond verbindet mit der Erde
Jetzt endlich eine Drahtseilbahn.
Man saust hinauf mit Windesschnelle;
Selbst an dem Sternschnupp-Urweltbrei,
Der fahrplanmäß'gen Haltestelle,
Fährt der Kurierzug stracks vorbei.
Mit diesem Zug hinaufzugleiten,
Nicht Schrecken bringt es, noch Gefahr,
Und ist man für Bequemlichkeiten,
So nimmt man einen Sleeping-Car.

In vierzehn Tagen ist die Stätte
Erreicht; welch eine kurze Zeit!
Doch haben die Retourbillette
Ein volles Jahr lang Gültigkeit.
Die wunderbare Bahn zu bauen,
Hat lang das Reichsbudget beschwert;
Den Mond-Zentralbahnhof zu schauen,
Ist schon allein die Reise wert.
Stets überfüllt sind alle Wagen,
Die längsten Züge sind zu knapp;
Baedekers »Mond in dreißig Tagen«
Geht fast wie warme Semmeln ab.

Die dünne Luft nimmt Atemmühen
Und Kopfbeschwerden spurlos fort;
Deshalb begann dort aufzublühen
Ein komfortabler Luftkurort.
Er liegt, geschützt von mächt'gen Kratern,
Allwo der Windzug nicht zu stark,
Mit Kursaal, Prachthotels, Theatern
Und künstlich angelegtem Park.
Die Zimmer in den meisten Fällen
Sind so zur Hauptsaison begehrt,
Daß telegraph'sches Vorbestellen
Meist nötig, immer wünschenswert.

Wer hohe Preise nicht gewohnt ist,
Dem bleibt ein Gruseln schwerlich fern;
Doch weil man wirklich auf dem Mond ist,
Zahlt man die größte Rechnung gern.
Man treibt dort vielen Luxus leider;
Man putzt sich nach dem neusten Schnitt:
Hat man auf Erden schöne Kleider,
So nimmt man sie natürlich mit.
Die beste Küche wird geboten;
Drum hält begeistert alt und jung
An Kilometer-Tabled'hoten
Drei Stunden lange Fütterung.
Auch Tanzvergnügen sind erlabend;
Drum schließt man sich in dichten Reih'n
Am allerschönsten Sommerabend
In einen heißen Ballsaal ein.
Stets trifft man Freunde und Verwandte;
Man unterhält sich virtuos,
Und wen man auf der Erde kannte,
Wird man dort oben auch nicht los.
Man spricht vom neuesten Skandälchen,
Vom Kursblatt, das man heiß ersehnt,
Man macht ein Spielchen, trinkt ein Schälchen,
Man liest die Zeitung oder gähnt.

Und weiß man sonst nichts Intressantres,
Auch die Natur hat großen Reiz;
Die Mondlandschaft ist doch was andres
Als die so abgegraste Schweiz.
Auf jedes Randgebirges Spitzen,
Von dem man gut herniederschaut,
Sind Aussichtstürme nebst Hospizen
Vom Mond-Touristenklub erbaut.
Der Durst kann sich auch dort entzünden;
Drum laden – könnt' es anders sein? –
Schon in der Krater kühlen Schlünden
Bierkeller menschenfreundlich ein.

Nichts aber gleicht dem Zeitvertreibe,
Als wenn in stiller Majestät
Gleich einer goldnen Riesenscheibe
Die Erde auf- und untergeht.
Daß man sich nicht durch Schlaf verspätet,
Wird einige Minuten lang
In sämtlichen Hotels trompetet
Vor jedem nächt'gen Erdaufgang.
Verschlafen oder blaugefroren
Erfüllt man die Bewundrungspflicht,
Die Zipfelmütze übern Ohren,
Den Operngucker vorm Gesicht.
Europas zackge Silhouette,
Kaum faustgroß, sieht man staunend an;
Dann legt man wieder sich zu Bette
Und schläft noch einmal, wenn man kann.

Doch wer die heimliche Gebärde
Der goldnen Scheibe recht besieht,
Der findet, daß die alte Erde
Zum Lachen das Gesicht verzieht.
Sie denkt: »So recht! In alle Ferne
Laß ich euch ziehen ohne Scheu;
Reist nur umher auf jedem Sterne,
Ihr bleibt der ird'schen Heimat treu.
Ich dreh' mich mit geduld'gem Harren
Um mich herum nach altem Brauch;
Denn seid ihr schon hier unten Narren,
Im letzten Fixstern seid ihr's auch.«

 

 


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