Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Mai

Schwan kleb an

        Die Welt hat sich herausgeputzt; nun prangen
Die Fluren rings in bunter Sonntagstracht;
Jedoch dem König ist die Lust vergangen:
Sein einzig Kind hat nie gelacht.

Umsonst bemühten Sänger sich und Dichter,
Umsonst versuchte jeden Schwank der Narr;
Prinzeßchen zog verdrießliche Gesichter,
Und ihre Lippen blieben starr.

Doch eines Tags, da in der Staatskarosse
Vors Tor zu fahren gnädigst sie geruht,
Begegnet' ihr, von einem tollen Trosse
Schnurstracks gefolgt, ein junges Blut:

Ein Bursch, der einen Schwan am Zügel führte,
Und hinterdrein Gezappel und Getos;
Denn wer den Wandervogel leicht berührte,
Der klebte fest und kam nicht los.

In langer Reihe klebten fest die Toren
Von jeder Art, der Geiz, der Zorn, der Neid,
Die Wichtigmacherei, hochwohlgeboren,
Die Hoffart und die Eitelkeit.

Was ist ein künstlich Gaukelspiel, verglichen
Mit diesem, das der liebe Gott erfand?
Ja, vor dem unfreiwillig Lächerlichen
Hielt der Prinzessin Ernst nicht stand.

Weit hörte man ihr hell Gelächter schallen;
Dem König ward die Botschaft hinterbracht;
Erst jetzo schien am Hof es aufzufallen,
Daß draußen auch die Sonne lacht.

Die Hauptstadt lacht mit Straßen und mit Gäßchen,
Es lachen Berg und Tal und Strom und Hain;
Das weiland melancholische Prinzeßchen,
Gründlich genesen, stimmt mit ein.

 

 


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