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Den ganzen Vormittag war Krag damit beschäftigt, seine persönlichen Angelegenheiten zu ordnen, um sich ganz der Affäre Nelson widmen zu können. Gegen abend hatte er eine Unterredung mit dem Agenten, der von ihm mit der Ueberwachung des Engländers beauftragt war. Ein anderer hatte ihn abgelöst. Zweierlei konnte ihm sein Agent erzählen, worüber er sehr erstaunt war.
»Die Herrschaften begaben sich nach Nelsons Wohnung am Parkweg,« erzählte der Agent, »wohin etwa eine Stunde nach ihrer Ankunft einige Speisen und etwas Wein gebracht wurden.«
»Sahen Sie den Herrn und die Dame, als sie den Wagen verließen?« fragte Krag.
»Ja. Sie schienen nicht gerade von ihrer Lage entzückt zu sein. Soviel ich bemerken konnte, machte Nelson der Dame wegen ihres Verhaltens Vorwürfe. Allem Anschein nach wäre er lieber ins Zuchthaus gewandert, als daß sie sich bloßstellte. Diese Engländer haben wirklich merkwürdige Ansichten. Im Nationaltheater habe ich einmal einen Engländer gesehen, der direkt vom Angeln kam. Nachdem er seine Angeln in die Ecke vor der Bühne gestellt hatte, nahm er im Orchestersitz Platz. – Ich hatte den Eindruck, daß die Dame total zusammengebrochen war – sie ging wie eine Schlafwandlerin – während Nelson verdrießlich und ärgerlich schien, als hätte er geschäftlichen Verlust gehabt. Um drei Uhr erschien Besuch.«
»Wer?«
»Ich kannte den Betreffenden nicht. Ein junger, ziemlich eleganter Herr von etwa fünfunddreißig Jahren. Er schien Ausländer zu sein, vielleicht ein Franzose. Ich habe ihn noch nie gesehen, und dabei meine ich, doch die meisten Gesichter der Boulevards zu kennen.«
»Woher wissen Sie denn, daß der Besuch Nelson galt?«
»Ich horchte auf seine Schritte, als er die Treppe hinaufstieg.«
»Das ist kein sicherer Beweis.«
»Nelson begleitete ihn selbst zur Tür, als der Besuch nach etwa einer halben Stunde das Haus wieder verließ. Zwischen dem Fremden und Nelson schien ein recht freundschaftliches Verhältnis zu bestehen, denn beim Abschied reichten sie sich herzlich die Hand.«
»Sind Sie dessen gewiß, daß der Abschied sehr herzlich war?«
Der Polizeiagent überlegte. »Nun, ich kann es auch höflich nennen, von beiden Seiten übermäßig höflich. Selten habe ich zwei Männer sich verabschieden sehen, wobei die gegenseitige Hochachtung so zum Ausdruck gebracht wurde.«
»Was machten Sie dann?«
»Ich weiß, was Sie jetzt denken,« antwortete der Agent. »Ja, ich bin dem Fremden nachgegangen.«
»Und die Bewachung des Hauses?«
»Halvorsen war ja da. Während der Fremde sich in Nelsons Wohnung aufhielt, überlegte ich mir, daß es wohl notwendig sei, ihm zu folgen; daher rief ich Halvorsen telephonisch herbei. Im Hause war ein Zigarrengeschäft; dort telephonierte ich. Er kam auch sofort. Er war in Zivil.«
»Ausgezeichnet!« rief Krag. »Wohin ging denn der Unbekannte?«
»Können Sie das nicht erraten?«
»Zu Sir Cyrus Holmes?«
»Jawohl, zu Sir Cyrus Holmes. Diese Engländer sind doch sonderbare Menschen! Habe ich nicht recht?«