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Dreiundfünfzigstes Kapitel.
Die Vergeltung

Wie zwei wüthende Faustkämpfer selbst im Moment der tiefsten Erbitterung zuweilen inne zu halten gezwungen sind, um Athem zu schöpfen, so war auch zwischen den Partheien in dem blutigen Bürgerkriege eine solche Periode des Athemschöpfens eingetreten. Beide Partheien benutzten diese Zeit der Ruhe, sie verstärkten ihre Kräfte, um den nächsten Schlag mit desto größerem Erfolge zu thun.

In den Nordstaaten ließ Grant Aushebungen im größesten Maßstabe vornehmen, in der Conföderation hatte man die Armee bereits zu einer Stärke von 800,000 Mann gebracht. Von vier Seiten waren die Rebellen angegriffen: im Osten von der Potomacarmee, im Süden von der Flotte und den Armeen in Georgia und Florida, im Norden von den Armeen in Shenandoah und im Westen vom Staat Tennessee aus.

Der letztgenannte Theil des Unionsheeres stand unter dem Kommando der Generale Burnside und Rosenkranz, ihnen entgegen standen auf der Seite der Conföderation die Generale Johnston und Pries.

Während nun auf den übrigen Angriffspunkten jene schwüle Ruhe herrschte, welche die Erwartung großer Ereignisse erzeugt, und die Gegner sich gegenseitig beobachteten wie kämpfende Löwen, die sich erstniederlegen und eine Zeitlang einander mit grimmigen Blicken messen, ehe sie den verhängnißvollen Sprung thun, ließ Burnside, der jugendliche Held, dem Feinde nicht lange Zeit, sich zu sammeln. Sein kühner Muth und sein jugendliches Feuer ließen ihn nicht rasten. Zwar bedurfte auch er der Verstärkung und Kräftigung, allein er hielt sich doch bis zum Eintreffen derselben für stark genug, einen Coup auszuführen, welcher den besten Erfolg versprach.

Die Armee der Conföderirten stand zu beiden Seiten des Tennesse-Flußes, der rechte Flügel bei Nashville, der linke bei Deyersburg, und zwar so, daß der Fluß selbst diese beiden Theile der feindlichen Armee trennte.

Burnside rechnete nun darauf, daß es ihm gelingen werde, diese beiden Heeresabtheilungen zu trennen – dadurch, daß er, von Ost-Tennessee vorrückend, den Fluß überschritt.

In der Nacht vom 6. zum 7. September setzte er sich in Bewegung. Bei Cumberland berührte er das Lager Johnston's so nahe, daß sie die Bivouacfeuer deutlich von einander zu unterscheiden vermochten. Um aber den Uebergang über den Tennesseefluß bewerkstelligen zu können, mußte Burnside den Fluß hinaufrücken bis Reinoldsburg, denn erst hier befand sich eine Brücke über demselben. Er war also genöthigt, das feindliche Lager von der westlichen Seite zu umgehen. Ein mächtiger Wald, welcher sich von Cumberland südwärts erstreckt, begünstigte sein Unternehmen; mit Tagesanbruch sollte Johnston in seinen Verschanzungen angegriffen und zwar überrumpelt werden, denn in dem durchaus loyal gesinnten Tennessee brauchte man nicht zu fürchten, daß irgend ein Spion dem Feinde Nachricht geben könnte. Wie hätte auch Johnston etwas wissen sollen von der Absicht Burnside's? In dem Lager herrschte die größte Stille und eine Ruhe, welche nur völlige Sorglosigkeit zu geben vermag; die Wachtfeuer brannten und die Soldaten schliefen in ihren Zelten. –

Als der Tag anbrach, war Burnside, ohne bemerkt zu werden, mit der Avantgarde dem westlichen Theile des Lagers bis auf eine halbe Meile nahe. Dieser Theil des Lagers war, da man von dieser Seite her sicherlich keinen Angriff erwarten konnte, unverschanzt.

Es war bereits heller Tag, die Bivouacfeuer brannten noch und in den Zelten regte sich nichts. Burnside ordnete die Sturmcolonnen und gab das Zeichen zum Angriff.

Mit Hurrah drangen die Stürmenden vor. –

»Was? Weckte auch das Hurrah die Schläfer nicht? Kamen Sie nicht, Entsetzen in den Gesichtern aus ihren Zelten hervor, um sich in Schrecken und Verwirrung entweder zum Widerstande zu sammeln, oder ihr Heil in der Flucht zu versuchen? – Gaben die Vorposten kein Allarmsignal? ...

Nichts von alledem. – Das Lager war leer. In den Zelten schlief Niemand, und die Wachtfeuer hatten nicht die Bestimmung gehabt, Jemanden zu erwärmen, sondern nur die Angreifer zu täuschen.

Erschrocken machten die Sturmcolonnen Halt. – Die Officiere sahen einander bestürzt an.

»Der Angriff ist verrathen!« rief Einer.

»Wir sind in eine Falle gegangen!« fügte ein Anderer hinzu.

»Von welcher Seite haben wir sie denn nun zu erwarten?« sagte ein Dritter.

Sie sollten über diese Frage nicht lange im Zweifel sein; vom Tennesseeufer krachten aus den Gebüschen tausende von Musketenschüssen. Mit kreischendem Jubel stürzten die Feinde ihnen in die Flanken. Zwei Regimenter Cavallerie sprengten im Carriere auf die Sturmcolonnen ein; ein blutiges Gefecht entspann sich. Verwirrung und Verlust trieb endlich die Colonne zum eiligsten Rückzug zum Gros der Armee. Die Verfolger waren ihnen auf den Fersen.

Burnside stellte mit der ihm stets eigenen Umsicht und Geistesgegenwart schnell eine zweckmäßige Schlachtlinie her, und zwar so, daß nach seiner Berechnung der Angriff ihn im Centrum treffen mußte. Zwei Divisionen Infanterie rückten auch in der That gegen das Centrum vor und zwar mit dem verzweifelten Muthe und der Todesverachtung, welche die Truppen der Conföderirten bei allen Gelegenheiten gezeigt haben. Kein Feuer konnte sie aufhalten; die Erbitterung und der Haß trieben sie jeder Gefahr entgegen.

Der Kampf wurde wie alle anderen dieses Krieges ein blutiger; Burnside mußte siegen, denn seine ganze Armee war sonst verloren. – Johnston mußte siegen, denn wenn er unterlag, so gab er dem Feinde den Weg frei über den Tennessee-Fluß und setzte ihn in Stand, ihn von dem andern Theil der Conföderationstruppen zu trennen und seinen Angriff auf die südlichen Staaten zu richten.

Es blieb lange unentschieden, wohin sich bei diesem verzweifelten Kampfe der Sieg neigen würde. Das Centrum Burnsides begann zu weichen, und die linke Flanke war so hart bedrängt, daß sie nicht lange mehr Widerstand leisten konnte. Aber die rechte Flanke hatte in dem coupirten Terrain von Reynoldsbourg eine vorzügliche Position und schlug jeden Versuch, sie zu werfen, mit Glanz zurück.

Was war das? – Aus dem Walde, an welchem die rechte Flanke lehnte, krachten plötzlich Flintenschüsse – Gewehre blitzten, wildes Geschrei durchdrang die Luft – und in den Rücken der Armee fielen die Feinde ein.

Johnston's List war gelungen. Er hatte die Wachtfeuer anzünden und die Zelte stehen lassen, um die Angreifer zu täuschen; und hatte dann seine Truppen so vertheilt, daß er den Gegner von drei Seiten angreifen konnte. Ein Theil war in derselben Nacht, wo Burnside an der einen Seite des Waldes den Fluß hinaus marschirte, an der andern Seite den Fluß hinabgezogen, und dieser Theil war es, welcher jetzt durch seinen Angriff im Rücken des Feindes dem Kampf den Ausschlag gab.

Der rechte Flügel begann die Flucht, das Centrum folgte, nur der linke Flügel, den Burnside selbst kommandirte, hielt noch Stand.

Siehe da donnerten Kanonen von Knoxville her.

»Nun ist keine Rettung mehr!« rief Burnside erbleichend. »Wir sind eingeschlossen, der Sieg ist verloren, laßt uns jetzt kämpfen für unser Leben!« –

Noch ehe auch von der dritten Seite her der Angriff ausgeführt wurde, brach die Dunkelheit herein und machte dem sechszehnstündigen blutigen Kampfe ein Ende. Was konnte dem tapfern Burnside der nächste Morgen bringen? – Seine Armee war eingeschlossen. Gefangenschaft oder Tod das war das Loos jedes Einzelnen. Die Nacht ward den ermüdeten Soldaten zur Ewigkeit; schrecklichste Gewißheit ist besser als die Todesqual banger Erwartung: –

Purpurn färbte sich der Himmel über den Apallachen, aber ehe die Sonne noch hinter den Bergen hervorleuchtete, hatte Burnside bereits seine Vorkehrungen zu dem letzten verzweifelten Kampfe getroffen.

»Die Rebellen werden uns vernichten,« sagte er; aber sie sollen diesen Sieg theuer bezahlen, die Opfer, die er ihnen kostet, sollen ihnen die Siegesfreude verbittern.«

Von allen drei Seiten geschah gleichzeitig der Angriff; den Truppen, welche bereits den vorigen Tag gefochten hatten und erschöpft waren, konnte leichter Widerstand geleistet werden, als der von Knoxville andringenden Heeresabtheilung, die frisch und siegesgewiß, den Kanonen Burnsides trotzend, unaufhaltsam vorrückte.

Diese Truppen marschirten völlig ungedeckt, denn zwischen ihnen und dem Schlachtterrain lag eine meilenweite mit fußhohem Grase bedeckte und nur von wenigen und niedrigen Hügeln unterbrochene Steppe. Burnside konnte die Ankunft dieser Truppen und somit den Moment seiner gänzlichen Vernichtung fast auf die Minute vorausberechnen. Mit klingendem Spiel und fast wie im Parademarsch marschirten sie vorwärts, die Geschosse, welche Burnside ihnen aus seinen Geschützen entgegenschickte, so wenig achtend, als wären es Federbälle.

Noch eine Viertelmeile hatten sie zurückzulegen und Burnside's Geschick war entschieden.

Wie kurzsichtig ist der Mensch, und was sind seine Berechnungen bei den tausend Wegen, die der Vorsehung zu Gebote stehen, dieselben zu nichte zu machen!

So sicher, wie Burnside seine Vernichtung voraussah, so sicher rechnete Johnston auf seinen Sieg. Nur noch zweitausend Schritte hatten seine Truppen zurückzulegen Was sind zweitausend Schritte? – Ach, zweitausend Schritte sind manchmal schwerer zurückzulegen, als 2000 Meilen, und die Minute ist oft inhaltschwerer als ein Jahrhundert.

Lustig marschirte General Price von Knoxville her vorwärts über die Steppe hin.

Was war es für eine schwarze Fläche, welche sich weit, weit vor der Truppenmasse ausbreitete? – War es Moorboden, auf welchem das Riedgras hie und da spärlich aufschoß? Hatte ein Steppenbrand den Boden schwarz gefärbt? – Der noch nicht ganz emporgestiegene Morgennebel ließ es nicht deutlich erkennen Jedenfalls aber lag vor ihnen fast so weit das Auge reichte, eine schwarze unebene Fläche.

Die Regimenter marschirten daran los.

Erst als sie nur noch zwei Schritte davon entfernt waren, erlaubte ihnen das hohe Gras und der Morgennebel zu erkennen, was es sei; aber noch ehe sie es erkannt hatten, da sprang aus der Mitte der weiten schwarzen Fläche ein Mann empor wie aus der Erde gezaubert.

Er feuerte einen Schuß seines Revolvers in die Luft und auf dies Zeichen erhob sich mit Blitzesschnelle die ganze schwarze Fläche auf einmal, wie durch Zauberei stand vor den entsetzten und überraschten Truppen der Rebellen eine Schaar von etwa 5000 Negern.

Die Soldaten prallten im ersten Schrecken zurück, die Neger aber stürzten sich mit wüthendem Gebrüll mitten in die Bataillone, Messer und Aexte schwingend.

Ein fürchterliches Ringen, Mann an Mann fand jetzt statt, es war kein Kampf, es war ein stummes Morden, es war keine Schlacht, es war ein Schlachten. Der ganze durch so lange Jahre aufgesammelte Haß der Neger gegen ihre Peiniger machte sich in diesem Gemetzel Luft. Obgleich die Gegner ihnen an Zahl dreifach überlegen und wohl bewaffnet waren, brachte ihre Wuth und Todesverachtung sie nicht nur zum Weichen, sondern trieb sie in die größte Verwirrung und zur wildesten Flucht. –

Es war die Schaar der Neger, welche Edward Brown um sich versammelt hatte, sie hatten sich von Kentucky aus nach Süden gewandt, um mit Scherman's Armee zusammenzutreffen Mit dem ihnen eigenen Scharfblick hatten sie Burnsides Manöver durchschaut und hatten durch die sorgfältigste Spionage herausgebracht, welche Gegenmaßregeln Johnston getroffen Sie hatten wohl erkannt, während sie sich in den Wäldern von Cumberland verborgen hielten, daß Burnside überlistet und unrettbar verloren sei, und daß die Entscheidung dieses Kampfes das Corps Price's herbeiführen würde, welches von Knoxville aus anrücken sollte.

In der Mitte der Nacht verließ Edward mit seinen Negern die Schlupfwinkel. Geräuschlos und schlau wußte er die Steppe über welche Price kommen mußte, zu erreichen. Dort legten sich Alle platt auf die Erde so daß ihre nackten schwarzen Rücken, oder ihre dunkle Kleidung – denn die hellen Kleider hatten Alle ablegen müssen – jene dunkle Decke bildeten, welche das Aussehen eines Bodens hatte, aus welchem ein Steppenbrand stattgefunden.

Ueber 6000 Todte bedeckten dies Feld, auf welchem die Neger den Sieg über die Truppen der Sklavenhalter erfochten hatten. Jubelnd kehrten sie von der Verfolgung des Feindes um, um sich nun dem im Centrum angreifenden Corps der Feinde entgegen zu werfen.

Die unerwartete Hülfe und die Flucht des gefahrdrohendsten Angreifers gaben den Soldaten Burnsides neuen Muth. Wie wüthende Tiger griffen die Neger an und ihrem Beispiel folgten die Soldaten.

Die Sonne stand noch nicht im Mittage, da war der Sieg bereits entschieden, Johnston in die Flucht eschlagen und Burnside im Stande, seinen Plan, den Tennessee-Fluß zu überschreiten, in's Werk zu setzen. Aus jeder Stadt, aus jedem Dorfe, das er auf seinem Marsche berührte, flohen die Feinde vor ihnen her. Tausende von Gefangenen fielen in seine Hände, und Munition und Geschütze wurden in Menge erbeutet.

In Camdon machte Burnside Halt. Dort schlug er bis auf Weiteres sein Hauptquartier auf.

Es war am Tage nach der Schlacht. Die ganze Stadt war in freudiger Aufregung. Deputationen begrüßten den siegreichen Feldherrn und die Straßen waren mit Blumen bestreut, als er hinausritt, die Gefangenen zu besichtigen. Jungfrauen warfen ihm Kränze zu und die Cheers wollten kein Ende nehmen.

Die Offiziere, welche ihn erwarteten, grüßte er mit Rührung und Herzlichkeit, Einen wie den andern.

Sein Auge aber suchte Jemanden, den es hier nicht fand; und den er mit Unmuth zu vermissen schien.

Der Oberst Weitzel, welcher neben ihm ritt, schien zu errathen, was ihn verstimmte.

»Sie suchen den tapfern Anführer der Neger, Sir, der uns so brav geholfen bei dem Siege,« sagte er.

»Dem allein wir den Sieg zu danken haben, wollen Sie sagen, lieber Oberst,« antwortete Burnside.

»Nun ja, offen gestanden, ich bin Ihrer Ansicht,« antwortete Weitzel mit ihm eigner treuherziger Offenheit. »Ich meinerseits habe nicht umhin können, den heldenmüthigen Quadroonen wie einen Bruder an mein Herz zu schließen, und seinen wackern Leuten die schwarzen Hände zu schütteln.«

»Sie fürchten nicht, daß diese Ihre Herablassung gegen die verachtete und so weit unter uns stehende Race bei den übrigen Offizieren Mißbilligung finden werde?« fragte Burnside.

»Nein,« antwortete Weitzel, zwar zögernd, aber doch bestimmt. »Ich weiß zwar, daß man selbst bei uns noch Leute findet, die den Nigger verachten, aber ich weiß nicht, ob ich daran Unrecht thue, ich kann mir nicht helfen, wo ich das Verdienst finde, da fühle ich mich verpflichtet, es zu ehren und wäre es auch bei einem Nigger oder Hottentotten.

Burnside sah seinen tapfern Offizier eine Weile fest und prüfend an.

Weitzel hielt diesen Blick für einen vorwurfsvollen und fuhr fort:

»Ich fürchte, Sie tadeln mich deshalb, weil auch Sie einer aristokratischen Familie angehören, welche von der Gleichstellung der Nigger nichts wissen will, aber da Sie mich fragten, so mußte ich Ihnen meine Denkungsweise offen bekennen. Ja ich will auf die Gefahr hin, in Ihrer guten Meinung noch mehr zu sinken, sogar noch hinzufügen, daß ich stolz sein würde, an der Spitze eines Regiments von solchen Kriegern zu stehen, wie sie dieser Quadroone kommandirt.«

Burnside ergriff die Hand des Obersten.

»Sie meinen, ich würde Sie tadeln?« sagte er mit bewegter Stimme. »Nein, Weitzel, Sie stehen seit diesem Augenblick in meiner Achtung höher als je. Was Sie eben offenherzig bekannten, das ist auch die Gesinnung meines Herzens. Es giebt viele Philanthropen unter unsern Staatsmännern, welche von Menschenrechten und Menschenwürde der Neger sehr schön sprechen, sich aber scheuen, im Omnibus neben einem Schwarzen Platz zu nehmen. Lassen Sie uns zu denen gehören, welche auch durch die That beweisen, daß die Humanitäts-Bestrebungen uns Ernst und Herzenssache sind. Sie sollen, was Sie so eben wünschten, ein Regiment der Schwarzen unter Ihrem Befehl haben, und diese sollen in keiner Weise gegen die übrigen Truppen zurückgesetzt werden.«

Weitzel dankte dem Befehlshaber mit Rührung und Wärme.

»Aber wo ist denn der Quadroone, warum entzieht er sich meinem Danke? Warum sehe ich ihn nicht unter meinen Offizieren?« fuhr Burnside fort. »

»Weil er eben so bescheiden ist, als er sich tapfer gezeigt hat,« antwortete Weitzel. »Ich habe ihn aufgefordert, sich Ihrem Gefolge anzuschließen, allein er lehnte diese Aufforderung aufs bestimmteste ab und erklärte, daß dies eine Anmaßung seinerseits sein würde.«

Die Reihen der Gefangenen bedeckten einen weiten Platz vor der Stadt.

Die Uniform der gefangenen Soldaten war zerlumpt und abgetragen, die der Offiziere aber meist glänzend, eine Erscheinung, die sich leicht daraus erklärt, daß in den Sklavenstaaten eigentlich kein Mittelstand existirt, sondern nur eine arme abhängige Bevölkerung und reiche Besitzer.

Unter den Offizieren fiel Burnside ein Mann auf, der Civilkleidung trug. Auf seine Frage wurde ihm geantwortet, daß er sich im Gefolge Johnstons befunden habe, und mit den übrigen Offizieren gefangen sei.

»Ihr Name, Sir?« fragte Burnside den Gefangenen.

Der Gefangene schien mit der Antwort zu zögern. Erst auf wiederholtes Fragen antwortete er:

»George Cleary.«

» »Ah!« rief Burnside, »Cleary! – das ist ein Gefangener, der uns mehr werth ist, als alle übrigen zusammen.« Dann wandte er sich an einen seiner Adjutanten: »Der Gefangene wird unter ganz besonderer Eskorte nach Washington gebracht. Sie haften mir für ihn, Lieutenant Wagner. Behandeln Sie ihn seinem Stande gemäß, aber bewachen Sie ihn mit Strenge.«

Er wandte eben sein Pferd, um weiter zu reiten, als Oberst Weitzel sich ihm näherte mit den Worten:

»Sie wünschten den jungen Quadroonen, den Anführer der Neger zu sehen, Sir, ich sah ihn soeben auf dem Platze mit einem seiner Freunde, der ein Unteranführer zu sein scheint, und erlaube mir Ihnen die beiden Tapferen vorzustellen.«

»Sie erfreuen mich mit dieser Nachricht,« antwortete Burnside, »wo sind sie, daß ich ihnen meinen Dank ausspreche?«

Weitzel wandte sein Pferd ein wenig zur Seite und deutete mit der Hand auf zwei Männer, welche neben ihm standen; der Eine, ein schöner Jüngling von stolzer, edler Haltung, fast weiß, und nur einige Spuren seiner Abstammung von den Schwarzen an sich tragend; der Andere ein Neger von riesenmäßiger Statut mit wilden, trotzigen Zügen.

Beide hatten ihre Blicke, freilich mit verschiedenem Ausdruck, auf den Gefangenen gerichtet, von welchem Burnside soeben gesprochen hatte, als Weitzel sie anredete:

»Treten Sie näher, wackre Freunde, und gewähren Sie dem General das Vergnügen, Ihnen die Hand zu drücken. – Hier, dieser Jüngling ist Mr. Edward Brown,« wandte er sich an den General, »der Anführer der tapfern Neger; den Namen seines Gefährten habe ich nicht erfahren.«

»Mein Name ist Rogue,« antwortete der gigantische Schwarze. »Die Sklavenzüchter von Kentucky kennen meinen Namen sehr wohl, und sein bloßer Klang erfüllt sie mit Schrecken.«

»Sicherlich nicht mehr als künftig Ihr Name die Bataillone der Rebellen mit Schrecken erfüllen wird,« entgegnete Burnside. – »Ich reiche Ihnen Beiden, meine Freunde, zum Zeichen meines Dankes und meiner Bewunderung die Hand. Lassen Sie uns Freunde bleiben und wie Freunde die Lorbeern dieses Sieges theilen. – Ich wollte,« fügte er zu Edward gewandt hinzu, »Sie hätten mir irgend eine Bitte, einen Wunsch vorzutragen, durch dessen Erfüllung ich Sie von der Aufrichtigkeit meiner Anerkennung und Freundschaft überzeugen könnte. Aber ich fürchte, Sie werden solche Gelegenheit, Ihnen die Wahrheit meiner Worte zu beweisen nicht geben ...«

»Doch, doch, Sir!« fiel Edward schnell ein, »Ich habe in der That einen Wunsch, und war im Begriff, Sie um die Erfüllung desselben zu bitten.«

»Sprechen Sie Mr. Brown – Sie wünschen eine Offiziersstelle in unserer Armee? Sie sollen sich selbst den Posten wählen, der Ihnen zusagt. Oder sollte, was ich indessen weniger glaube, ein klingender Gewinn höhern Reiz für Sie haben? Nennen Sie die Summe ...«

Edward machte eine abwehrende Handbewegung und mit verächtlicher Miene versetzte er:

»Nein, Sir, uns Alle bewog nicht die Begierde nach Gewinn in den Kampf zu ziehen. Uns trieb nichts als das Verlangen, das unwürdige Joch abzuschütteln, das uns und unsere Stammgenossen drückt. Die Liebe zur Freiheit führte uns in den Kampf, und der Freiheit allein sind wir gewillt unser Leben zum Opfer zu bringen.«

»So sprechen Sie aus, was verlangen Sie?«

»Sie versichern mir im Voraus die Gewährung meiner Bitte?«

»Ich thue es, denn kein Lohn ist zu hoch für den Dienst, den Sie uns geleistet.«

»So bitte ich um die Freilassung dieses Gefangenen.«

»Was, Cleary frei?« rief Rogue. »Sind Sie toll? Nimmermehr darf das geschehn!«

»Diesen Gefangenen?« wiederholte Burnside betroffen. »Sie wissen ohne Zweifel nicht, wie wichtig uns seine Person ist.« –

»Ich weiß es, Herr General. Er ist einer der Führer der Rebellen,« antwortete Edward, »seine Person ist Ihnen von größerer Wichtigkeit als die eines anderen Gefangenen, – aber ich habe Ihr Wort!« –

Die Offiziere blickten einander theils verlegen an, theils mit Mißbilligung auf den Sprecher.

Es entstand eine Pause, welche Keiner unterbrechen mochte. War Burnside und seine Offiziere durch diese Bitte des Jünglings überrascht, so war es der Gefangene, den sie betraf, noch viel mehr.

»Wie?« dachte er, »Der Anführer der meuterischen Neger verwendet sich für mich? – Was hat das zu bedeuten? – Ist nicht der Zweck des Aufstandes die Vernichtung und der Tod aller Besitzer des Südens, und ihm gilt meine Freilassung höher als jeder andere Lohn?« –

Rogue unterbrach zuerst das Schweigen.

»Schlagen Sie es ihm ab, Sir!« redete er Burnside an. »Eine solche Bitte von ihm ist ein Verrath gegen die Sache der Nigger. Weigert er Ihnen seine fernere Hülfe – was thut's? Ich und meine Anhänger wir stehen nur desto fester zu Ihnen. Ein solcher Verrath, wie ihn diese Bitte für das Leben und die Freiheit eines Sklavenhalters bekundet, macht ihn ohnehin unwürdig, der Führer der Nigger zu sein. Mehr als die Hälfte von den Unsern werden ihn deshalb verlassen und sich unter meine Fahne begeben. Schlagen Sie es ihm ab, Sir!«

Die Art, wie Rogue diese Worte sprach, obgleich sie im Sinne der meisten Offiziere gesprochen wurden, machte indessen keinen günstigen Eindruck, der Oberst Weitzel blickte ihn sogar vorwurfsvoll und finster an und entgegnete:

»Den Jüngling des Verraths zu beschuldigen, dazu liegt in seiner Bitte kein Grund. Seine Tapferkeit muß Euch gezeigt haben, daß er Eurer Führerschaft nicht unwürdig ist. Besteht er trotz Eures Hasses gegen die Sklavenhalter auf die Freilassung dieses Mannes, so wird er seine Gründe dazu haben, welche, so viel ich von seinem Charakter kenne, nur edle sein können. – Herr General, ich unterstütze die Bitte des Jünglings und halte Sie zur Gewährung derselben schon deshalb verpflichtet, weil Sie Ihr Wort gegeben haben.«

Burnside mußte ihm beistimmen und nach kurzem Zögern erklärte er:

»Es geschehe! Ich werde Mr. Cleary auswechseln gegen einen unserer Gefangenen, und ihn unter sicherer Bedeckung bis an die Vorpostenlinie des Price'schen Corps bringen lassen.«

Cleary stürzte auf den jungen Quadroonen zu mit freudeglänzenden Augen ihm seine Hand entgegenstreckend. Edward jedoch wandte sich mit Kälte ab.

»Keinen Dank!« sagte er. »Was ich that, gebot mir die Pflicht der Dankbarkeit. Ich vergelte nur, was Sie einem Negerkinde thaten. Sie haben einem Negerkinde das Leben gerettet und menschlich gegen dasselbe gehandelt. Mein Dank dafür ist hiermit abgetragen. Begegnen wir uns wieder, so begegnen wir uns als Feinde!« –

Als der Zug der Offiziere in die Stadt zurückkehrte, erneute sich der Jubel der Bevölkerung. Kränze und Blumen regneten hernieder auf die Helden des Sieges und neben dem Namen Burnsides hörte man den Edwards mit Begeisterung rufen, und mehr als eine Schöne blickte lange den beiden jugendlichen gelben nach, mit Blicken, welche mehr ausdrückten, als die Bewunderung ihrer Tapferkeit.

Rogue hatte richtig prophezeit Es war ihm gelungen, die Neger unter einander zu entzweien. Ein großer Theil sagte sich los von Edward und folgte dem Befehle des Negers. Acht Tage später waren zwei Negerregimenter organisirt. Das eine stand unter dem Befehl des Oberst Weitzel, unter welchem Edward Brown die Stelle eines Oberlieutenants bekleidete, das andere, bei welchem Rogue diente, marschirte unter dem Befehl anderer Offiziere in mehreren Abtheilungen nach dem Norden zur Besetzung der nördlichen Forts, welche den unablässigen Angriffen der Guerillas preisgegeben waren.

Diese beiden Abtheilungen des Negerheeres haben in diesem Krieg eine unvergeßliche Berühmtheit erlangt. Der Verlauf unserer Geschichte wird uns sowohl zu dem Theile, welcher die Forts besetzte, als auch zu dem Regiment des Oberst Weitzel zurückführen. Die größten Gräuelscenen dieses Krieges und die größten Heldenthaten knüpfen sich an diese Truppentheile des Negerheeres.


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