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Vierzigstes Kapitel.
Das Maskenfest im Ritterhause

Das Fest, welches die Ritter vom goldnen Cirkel zur Feier des ersten Erfolges ihres Emissärs veranstaltet hatten, war eine Maskerade, ein Vergnügen, unter welchem sie jene Art von Orgien verstanden, welche von den Aristokraten des Südens von Zeit zu Zeit veranstaltet wurden, um ihren unreinen Passionen frei die Zügel schießen zu lassen.

Die Yorktownstraße war an dem Abend des Festes belebter denn je. Vor all den Hotels, die in der Nähe der Villa des Mr. Berckley gelegen waren, sah man Equipagen halten, aus welchen Herren und Damen in den glänzendsten Maskenanzügen ausstiegen und über die Teppiche schnell in das Innere des Hauses huschten. Diener in Galalivreen, Farbige und Weiße empfingen die Gäste und geleiteten sie – nicht die Treppen hinauf, sondern auf versteckten, dunklen Parkwegen nach dem Hause, das, in dem Park des Mr. Berckley gelegen, dem Leser bereits als das »Ritterhaus« bekannt ist. Dasselbe war heute festlich erleuchtet, wovon freilich äußerlich nichts bemerkbar war, denn die dicht verschlossenen Läden wehrten jedem Lichtstrahl hinauszudringen, aber die mit Teppichen und Blumen geschmückte Vorhalle strahlte im Glanz der Flammen, die auf prächtig vergoldeten Wandleuchtern brannten.

Ein Theil der Gäste war bereits in den reichen Gemächern und Sälen des untern Stockwerks versammelt, andere wurden noch erwartet, da die Zeit zum Beginn des Festes noch nicht gekommen, welche auf eine Stunde vor Mitternacht angekündigt war.

Die Parkwege, welche zum Ritterhause führten, waren aus Rücksicht für die Damen mit Teppichen belegt, so daß man auch nicht das Geräusch der Tritte auf dem Kies hörte, die sich von allen Richtungen her näherten. Unter den Personen, welche in die Halle traten, ist gewiß mancher Bekannte, nur schade, Alles ist maskirt, daß es unmöglich ist, Einem in's Gesicht zu blicken. Doch wollen wir, indem wie uns am Eingang neben dem in einen langen schwarzen Domino gehüllten Portier aufstellen, versuchen, ob wir nicht doch den Einen oder Andern heraus erkennen.

Zwei Herren, ein Türke und ein Hellebardier, nähern sich. Vor der Eingangsthür stehen sie stille und sprechen mit einander.

»Sind die Niggerinnen alle hier?« fragte mit barschem Ton der Türke.

»So viel ich habe für Ihren Geschmack finden können, Sir,« antwortete der Andere mit einer dünnen Stimme, die ganz unverkennbar dem Haushofmeister Tucker's, dem Irländer O'Brien angehörte.

»Camilla auch?« fuhr der Türke fort.

Der Hellebardier bejahte die Frage.

»Esther war also nicht zu bewegen?«

»Nein, Sir, sie ist noch so halsstarrig wie immer. Ich fürchte ohne Anwendung von Zwangsmitteln wird sie ihren Trotz nicht ablegen.«

»Sie wird ihn ablegen und das noch heut. Gehen Sie zurück zum Venusschloß. Deborah soll dafür sorgen, daß ich nach Beendigung des Festes dort empfangen werde, wie ich es erwarte.«

Der Hellebardier verneigte sich und ging den Weg zurück, der nach Mr. Tucker's Park führt. Der Türke überreichte dem Portier eine Karte, die ihm zur Legitimation diente und die Eingangsthür zur Halle ward ihm geöffnet. Es war nicht schwer, aus dem Gespräch zu schließen, daß der Türke kein Anderer sei als Mr. Tucker.

Eine Dame nähert sich. Welch' herrlicher Wuchs, der durch das Costüm einer spanischen Tänzerin an Reiz noch unendlich gewinnt. Noch verbirgt zwar ein langer Mantel die verführerische Tracht, aber wir sehen doch genug, um vor Verlangen zu brennen, diese Schöne ohne denselben betrachten zu können.

Ihre Maske bedeckt fast das ganze Gesicht, doch nicht das runde Kinn, dessen matte Färbung sie sofort als eine Quadroone oder Kreolin erkennen läßt. Sie blickt sich scheu um, als fürchtete sie verfolgt zu werden, giebt dann ihre Karte ab und schlüpft schnell in die Vorhalle.

Sie hatte Ursache sich zu fürchten, denn sie ward in der That verfolgt; unmittelbar, nachdem sie durch die Thür gegangen, trat der Mann im blauen Domino, der hinter dem Gebüsch auf der Lauer gestanden, hervor und folgte ihr. Seine Hand zittert, während er dem Portier die Karte giebt, und indem er hineingeht, hören wir ihn vor sich hin murmeln:

»Er soll sie haben, ihre Hand! ...«

Da kommen zwei Männer. Ein schön gewachsener Jüngling mit braunem Haar in der Kleidung eines Römers aus Cäsars Zeit. Die braune Toga um seine Schultern ist nach den Regeln der Kunst gefaltet, sein Gang ist würdevoll, seine Haltung edel; sein dunkles Auge blitzt durch die Oeffnungen seiner Maske und seine Hand erfaßt den Dolch in seinem Gürtel. – Wir kennen diesen Römer, wir sahen ihn in derselben Toga mit demselben Dolche auf der Bühne zu Richmond den Cäsar ermorden, wir sahen diesen Junius Brutus damals von der hingerissenen Menge bewundert, vergöttert. Wie es scheint rührt er auch heute die Herzen der Damen, denn unmittelbar hinter ihm und seinem Begleiter, einem römischen Gladiator, kommen zwei Damen, die sich durch einen Ueberfluß an Luxus der Kleidung und einen entschiedenen Mangel an Rundung der Formen auszeichnen, und deren eine mit einem tiefen Seufzer ihren Gefühlen in den Worten Luft macht:

»O mein Gott, wie schön ist er!«

Der Begleiter des jungen Römers, ein starkknochiger Mann mit röthlichem Haar und Bart, der sich neben dem schönen Jüngling ziemlich ungünstig ausnahm, schien den Seufzer und die Worte, die ihn begleiteten, gehört zu haben, denn er flüsterte seinem Begleiter zu:

»Die fleischfarbenen Tricots an Ihren Beinen machen schon hier Furore, wo man noch wenig davon sieht, wie wird es erst drinnen im Schimmer der Kronleuchter sein?«

»Still, John,« entgegnete Brutus. »Ich kenne die Damen, wenigstens die Eine, die lange, und weiß, daß Du Dich irrst; sie ist nicht im Besitz eines Herzens, welches für solche Gefühle zugänglich ist.« –

Die beiden Damen wurden auch noch von zwei andern Herren erkannt, welche aus einem andern Wege kommend, mit ihnen vor dem Ritterhause zusammen trafen. Der eine groß, hager und vollbärtig, der andere viel kleiner von hübscher Figur und bartlos, der erstere in der Tracht eines Dominikaners, der andere im Costüm eines Venetianischen Nobile.

»Ich wette,« sagte der Dominikaner, »daß ich die Damen kenne. Lassen Sie uns warten, Miß – Mister Parker oder Borton oder wie Sie sonst heißen wollen, bis sie hinein sind, es wäre möglich, daß ein Zufall beim Ablegen des Mantels uns ihnen kenntlich macht.«

Sie traten zur Seite in das Dunkel des Akaziengebüsches und ließen die beiden Damen vorüber.

Die ältere und größere dieser Damen trug ein langes Kleid von gelber Seide und einen schwarzen Domino, die andere war im Costüm der Maria Stuart.

»Die beiden Damen haben wohlgethan,«· bemerkte der Dominikaner zu seinem Freunde, »lange Kleider anzuziehen, ihr knochiger Hals und die übrigen abstracten Reize würden sich neben der Concurrenz, die ihnen bei solchem Feste geboten wird, traurig genug ausnehmen.«

»Daß Mrs. Slater bei solchem Fest zugegen ist, das finde ich in der Ordnung, da sie jedenfalls nur als Ehrenwächterin der ausgetrockneten Maria Smart hier ist, was aber Miß Surrat veranlaßt ...«

»Das begreifen Sie nicht? – Der Komödiant Booth, den Sie im Hause des Präsidenten kennen lernten, das ist der Magnet,« versetzte der Dominicaner.

»Booth!«·wiederholte der Venetianer mit einem Seufzer. – »Glauben Sie, daß er hier sein wird, Mr. Conover?«

»Sicherlich. Er ist ja jetzt das Schooßkind der Aristokratie. Ich möchte nur wissen, was das für einen Grund hat, vielleicht erfahren wir es heute. Sollte man, wie ich fast vermuthe, ihn zum Werkzeug benutzen wollen, unter den Demokraten des Nordens gegen die Union zu agitiren, so wird Ihr Besuch hier für den Norden von größestem Nutzen sein.«

Als Conover und George Borton ihre Karten abgegeben und eingetreten waren, lugte hinter dem Gebüsch das malitiöse Gesicht des Negers Jim hervor.

»Sie sind fort!« flüsterte er Jemand zu, der wahrscheinlich hinter ihm war. »Die Lust ist rein. Jetzt können wir sie hineinbringen.«

Alsbald traten leise aus einem Seitenwege zwei Neger, die eine Sänfte trugen, gefolgt von einem Weißen ohne Maske, in dem wir leicht O'Laughlin, den Verwalter von Whites-House erkennen.

Die Vorhänge der Sänfte sind dicht zugezogen, so daß es unmöglich ist, einen Blick hinein zu thun, und das ist um so bedauernswerther, als es sich jedenfalls verlohnte, die Personen zu sehen, welche auf diese Weise in's Ritterhaus gebracht wurden.

Die Neger schlugen, unter O'Laughlin's Anführung, mit ihrer Bürde nicht den Weg zum Haupteingange ein, sondern hielten vor einem kleinen Seitenpförtchen an.

Auf den vorsichtigen Schall des Klopfers öffnete sich die Thür, der Kopf eines Individuums mit einer echten Verbrecherphysiognomie schob sich hinaus und fragte:

»Wer ist da?«

»Wir bringen das Dessert zum Festmahl,« grins'te O'Laughlin, »im Auftrage des Festcomité's angeschafft; ein äußerst delikates Gericht in zwei Portionen.«

Der Mann, welcher geöffnet hatte, verzog sein häßliches Gesicht zu einem gemeinen Lachen.

»So bringt herauf, was Ihr da habt, ich werde die Delikatessen aufbewahren, bis man sie braucht.«

Die Thür der Portchaise ward geöffnet, und Jim beugte sich mit dem Oberkörper hinein; als er wieder hervortauchte, hielt er auf seinen Armen – ein Mädchen; ein schönes blondlockiges junges Mädchen mit bleichen, unschuldsvollem kindlichen Zügen. Ihr Kopf hing aus des Negers Schulter herab, und ihre Augen waren geschlossen. Sie schlief.

Von der Thüre führte unmittelbar eine Treppe aufwärts. Der Portier machte zur Seite Platz und ließ Jim mit seiner Bürde hinaufsteigen.

Inzwischen hatte auch O'Laughlin seinen Oberkörper in der Thüre der Portchaise verschwinden lassen, und wie der Neger, so tauchte auch er daraus hervor mit einem eben so jungen, eben so schönen, eben so lieblichen Mädchen auf dem Arme. Auch diese schlief. –

Er folgte Jim die Treppe hinaus.

»Ihr könnt gehen!« rief der Portier den beiden Negern zu, welche die Sänfte getragen hatten, und schloß hinter sich die Thür.

Die Treppe war nur matt erleuchtet; sie führte auf einen kleinen Korridor. Hier öffnete der Portier eine Thür, die mit dickem Wollenstoff beschlagen war, Jim und O'Laughlin mit ihrer Bürde traten in ein Gemach, welches so eigenthümlich in seiner Einrichtung war, daß es unzweifelhaft nur einem bestimmten Zwecke diente. –

Die Tapeten waren von dunkelrothem Damast, und hatten das Eigenthümliche, daß sie einem leichten Drucke nachgaben, als ob sich hinter ihnen ein Polster von Wolle oder Baumwolle befände. Von Fenstern war keine Spur zu sehen, ihre Stellen vertraten vielmehr Spiegel, welche das Bild, das sie empfingen, hundertfältig zurückgaben. Rings an den Wänden waren Nischen angebracht, in deren jeder eine Chaiselonge sich befand mit dunkelrothem Sammt bezogen und auf vergoldeten Sphinxen ruhend. Von Consolen über denselben hingen aus krystallenen Gefäßen üppige Rankengewächse herab und zu beiden Enden der Chaiselonges waren Palmen aufgestellt, die ihre breiten Blätter über dieselben herabsenkten und sie zu einem duftigen Himmelbett umzuschaffen schienen. Die Nischen waren zwar offen, konnten jedoch durch Vorhänge zugezogen werden, und es drang in diesem Falle nur matt von oben das Licht hinein, welches, von einer in der Mitte des Zimmers hängenden dunkelrothen Ampel herrührend, ohnehin nicht große Helle zu verbreiten im Stande war.

Jim und O'Laughlin legten ihre Bürde Jeder auf eines der Sophas in den Nischen.

Da lagen die schönen schlafenden Mädchen, so lieblich, so engelgleich, ein Lächeln um die unschuldsvollen Lippen, als ob ein süßer Traum ihren Schlaf umspielte.

Der Portier zog die Vorhänge vor den beiden Nischen zu, und machte dadurch den Bemerkungen O'Laughlin's ein Ende, die sich in frivolen Scherzen auf das »Dessert« bezogen.

»Lassen wir das,« sagte der Hüter dieses Zimmers; »sprechen wir jetzt vom Geschäft.«

»Leise, Freund,« unterbrach ihn O'Laughlin; »daß uns Niemand belauscht.«

»Oh,« lachte der Andere, »hier hast Du nicht nöthig, so leise zu sprechen. Dies Zimmer« – er machte mit seiner Hand eine Bewegung gegen die Wände – »ist so eingerichtet, daß es den Laut der Stimme nicht hinausläßt. – Gesetzt, diese beiden Schätzchen dort hinter den Vorhängen stimmten unisono ein Zetergeschrei an, was sich zuweilen wohl hier ereignet, so würdest Du davon nichts hören, selbst wenn Du unmittelbar draußen an der Thür ständest und die Ohren an das Schloß legtest.«

»Sehr praktisch!« bemerkte O'Laughlin; »also von Geschäften. Die Summe, die ich erhalten habe, beträgt fünfhundert Dollars.«

»Ich weiß; also her mit meinem Antheil!«

O'Laughlin zog eine Brieftasche aus seiner Rocktasche und war im Begriff das Geld aufzuzählen.

»Halt!« rief Jim, und faßte ihn am Arme. »Wo ist denn mein Antheil?«

»Dein Antheil?« wiederholte der Portier spöttisch.

»Ja mein Antheil. Ich habe eben so viel zu fordern, wie Jeder von Euch; ja eigentlich noch mehr, denn ohne mich hättet Ihr die jungen Mädchen nicht bekommen können, – ich habe ihnen den Schlaftrunk beigebracht, und wachend sollte es Euch doch schwer geworden sein, sie auch nur bis zur Sänfte zu bringen, geschweige denn hier hinein.«

»Das bestreite ich nicht; aber das Geld ist nicht für Dienstleistungen, sondern es ist um unsere Verschwiegenheit zu sichern.«

»So? Kommt denn auf meine Verschwiegenheit nichts an? Wenn es auch nur die Töchter eines Anhängers der Union sind, so ist doch ihr Vater ein angesehener Mann, und würde sich nicht durch das Ansehen der vornehmen Verführer seiner Tochter abschrecken lassen, sie gerichtlich zu verfolgen.«

»Dummkopf, Du vergißt, daß ein Nigger gegen einen Weißen nicht zeugen darf. Nur auf unser Zeugniß käme es an, auf das Deinige gar nicht.«

»Ich weiß wohl, daß ich nicht zeugen darf gegen einen Weißen, aber vielleicht bezahlt mir Einer das Geheimniß des Ritterhauses und dieses Gemaches doch so, daß ich ihm auch außer meinem eigenen Zeugniß Beweismittel schaffen könnte.«

O'Laughlin und der Portier blickten sich eine Weile bedenklich an, worauf der Erstere dann den Vorschlag machte:

»Jim hat Recht, er kann auch einen Theil des Geldes fordern, zumal er noch behüflich sein muß, die Frauenzimmer wieder wegzuschaffen, wenn man sie hier nicht mehr haben will. Wir wollen ihm hundert Dollars geben, dann behalten wir noch Jeder zweihundert. Bist Du nun zufrieden?«

Der Portier gab nach einigem Zögern seine Einwilligung, worauf O'Laughlin das Geld in der vorgeschlagenen Weise theilte.

Darauf ließ der Portier sie hinaus. Als sie bereits die Treppe hinabgestiegen waren, rief jener ihm nach:

»Noch eine Frage, Jim!«

»Was denn?«

»Wie lange wird die Portion Opium vorhalten, die sie bekommen haben?«

»Ich denke, da sie nicht sehr starke Nerven haben, werden sie 3 bis 4 Stunden fortträumen.«

»Das ist gut. Haltet Euch nur bereit, daß ich Euch rufen lassen kann, wenn es gewünscht wird, daß die Mädchen schon diese Nacht fortgeschafft werden sollen.«

»Du findest mich im Hotel des Kriegsministers,« antwortete Jim; »also kaum dreihundert Schritte von hier!« – –

Während dies an der Hinterpforte des Ritterhauses vorging, näherten sich zwei Gäste dem Hauptportal, welche die Veranstalter des Festes gewiß am wenigsten dort erwartet hatten. Es waren zwei junge Männer, kräftig, elastisch, rasch und sicher in ihren Bewegungen. So viel von ihrem Gesichte die Maske frei ließ, konnte man an der Farbe erkennen, daß der Eine ein Quadroone; der Andere ein Weißer sei, der Letztere in der Maske eines Debardeurs mit einem spanischen Mantel um seine Schultern, der Quadroone im Kostüm eines schottischen Hochländers. Ein Neger ging ihnen vorsichtig voran, bis sie das Ritterhaus sehen konnten.

»Jetzt brauche ich Sie nicht weiter zu führen,« flüsterte der Neger stillstehend. »Das da ist das Haus, in welchem das Fest stattfinden wird.«

»Du meinst, Joë, daß wir sie dort finden werden?« fragte der Debardeur den Neger.

»Ich vermuthe es nur, Massah,« erwiderte Joë. »Der Wagen, in dem sie saß, und in welchem ich sie bis an den Wald von Sandersford fahren wollte, wo sie mit Ihnen zusammen treffen konnte, ist auf Mr. Tucker's Befehl nach Richmond gefahren. Ich selbst wurde in einen andern Wagen gesperrt und nach Sandersford gefahren. Was aus ihr geworden ist, weiß ich nicht.«

»Aber Du vermuthest,« sagte der Schotte, daß sie sich in der Gewalt Tucker's befindet?«

»Ich vermuthe das ganz bestimmt, Massah Edward,« war die Antwort des Negers. »Denn ich weiß, daß Tucker hier in seiner Villa junge Mädchen verbirgt, die sein Haushofmeister O'Brien ihm herbeischafft. Ist sie in der Gewalt Tucker's, so wird er sie auch wahrscheinlich mit hierher genommen haben.«

Die beiden jungen Männer wechselten einen bedeutungsvollen Blick miteinander.

»Wehe ihm«, wenn es wahr ist!« knirschte der junge Quadroone.

Sein Begleiter stieß einen Seufzer aus.

»O Esther, so hat das Loos, dem Du entfliehen wolltest, Dich doch ereilt – und ich – ich allein bin schuld an Deinem entsetzlichen Schicksal!«

»Komm Frederic, laß uns hineingehen,« sagte Edward ihn am Arm nehmend. Vielleicht kann sie noch gerettet werden; ich kenne sie und weiß, daß sie ihre Tugend mit dem Leben vertheidigen wird. Komm! – Es ist gut, Joë,« wandte er sich an den Neger – »Du kannst jetzt gehen, nimm meinen Dank!«

»Warten Sie, Massah Edward, Sie haben ja noch nicht die Einlaßkarten,« rief Joë den davon Eilenden nach. – »Hier sind sie, es ist die Karte von meinem Herrn, Mr. Sanders, die ich ihm entwendet habe, weil ich wußte, daß er nicht an dem Fest Theil nehmen würde. – Gute Nacht, Sir, viel Vergnügen auf dem Fest!«

»Viel Vergnügen auf dem Fest?« wiederholte hinter ihnen eine helle Mädchenstimme lachend. »Dann wird es nicht fehlen, die Herren Junker des Südens verstehen es, ein Fest pikant zu machen – habe ich Recht, mein lustiger Debardeur und Sie, mein fuchsjagender Schotte? Sollten Sie heute Abend die Absicht haben auf angenehmeres Wild, als garstige rothharige Füchse zu jagen, so sein Sie versichert, daß ich mit Vergnügen auf eine Stunde ihr Wild sein möchte. – Ha, ha, ha!«

Das Mädchen, als Hebe verkleidet, eine hübsch gewachsene Brünette, hing sich ohne Weiteres an Edward's Arm, Edward wollte sich verdrießlich losmachen, doch gebot ihm die eigenthümliche Situation und die Gefahr seiner Lage, wenn er sich irgendwie durch ausfälliges Benehmen verriethe, Mäßigung, er sagte deshalb in einem Tone, der eben so gut wie Scherz als wie eine ernste Klage klang:

»Mein Herz ist durch die Evastöchter schon so oft verwundet, Miß, daß ich es fürchte, mich diesen dornigen Rosen zu nahen. Ich bin in meinem Gefühle ein Greis; die Göttin der ewigen Jugend paßt deshalb schlecht an meiner Seite.«

»Der Kontrast wird sich zu einem angenehmen Mittelding zwischen Frühling und Winter ausgleichen,« sagte sie. »Fliehen Sie die Rosen nicht, weil sie stechen, mein tapferer Fuchsjäger. Man muß bei der ersten Niederlage nicht gleich verzagen, wie die Yankee-Offiziere nach der Schlacht von Bull-Run sagten.«

»Ich muß Ihnen gestehen,« hob Edward wieder an, dem die Gesellschaft der leichtfertigen Person im höchsten Grade zuwider war, »daß ich es ein für alle Mal aufgegeben habe, auf das Herz einer Dame einen Sturm zu versuchen. Der Feind ist mir zu gewandt und zu mächtig, ich ziehe mich deshalb resignirt zurück.«

Er versuchte sanft seinen Arm los zu machen; aber weit gefehlt, die schalkhafte Hebe ließ ihn nicht los.

»O so leicht entfliehen Sie mir nicht, mein blöder Fuchsjäger,« lachte sie. »Legen Sie nur Ihre schottische Schüchternheit ab, nehmen Sie in der Liebe Unterricht bei dem schlanken Debardeur da, ich bin überzeugt, er würde es anders verstehen, ein Herz zu erobern wie Sie. In der Liebe muß man es machen wie Grant im Felde: nicht rechts nicht links operiren, sondern grade durch bis ins Herz des Feindes.«

Frederic Seward hatte bereits beim ersten Ton dieser Stimme die Sprecherin aufmerksam angeschaut; die Maske hinderte ihn aber, seiner Erinnerung auf die rechte Bahn zu helfen. Die Art ihrer Unterhaltung aber ließ ihn keinen Augenblick zweifeln, daß die Hebe Niemand Anders sei, als die schöne Belle Boyd, die Courtisane im Lager M'Clellan's.

»Sie hat also Verbindung mit dem Süden,« dachte. er, »ist also eine Spionin – eine wichtige Entdeckung!«

Er flüsterte Edward einige Worte in's Ohr, worauf dieser ihn verwundert anschaute und dann ein Zeichen des Einverständnisses gab. Er machte jetzt keinen Versuch mehr, die Begleitung der Hebe abzulehnen, sondern betrat mit ihr am Arm die Vorhalle des Ritterhauses.


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