Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechsundvierzigstes Kapitel.
Der Negerknabe

Nicht lange lag die Nacht auf Cleary's Augen.

Ein heftiger Stoß nach dem andern in seine Seite, der bei jeder Wiederholung fühlbarer ward, erweckte ihn. Er sah, daß es ein Neger war, der mit einer von der Dachbrüstung losgebrochenen Stange sich die Mühe gab, den unglücklichen Bewußtlosen durch Schläge und Stöße zur Erkenntniß seines unermeßlichen Elends zurückzurufen.

 

Er warf seine Blicke umher und hörte wiehernden Gelächter und sah, wie eine Anzahl Neger im geschlossenen Reigen einen Mann umtanzten, der knieend am Boden lag.

»Du wunderst Dich wohl, den hier zu sehen?« redete ihn einer der Neger an. – »Es ist Dein Freund, der heuchlerische Pfaffe. Er war pfiffiger als Du und wollte fliehen, aber seine Neger haben ihn ergriffen und hierhergebracht.«

Cleary antwortete nur durch ein Stöhnen.

»Geh jetzt,« fuhr der Neger fort, »hole den Arac, den Du in Deinem Keller hast, und der Pfaffe wird Schafe und Schweine herbeitreiben, daß wir sie zu einem Festschmause schlachten.«

Cleary warf todtenbleich sein Auge umher, um irgend ein Mitglied seiner zahlreichen Dienerschaft zu entdecken.

Aber der weite Hofraum war wie ausgestorben. Die Entfernung Mr. Payne's war das Zeichen der Flucht für Alle geworden, und statt eines hülfreichen Dieners sah der unglückliche Mann nur sein Kind, welches, von den Negern gehalten, ihm jammernd die Arme entgegenstreckte.

»Schont mein Kind!« schrie er, ich werde Euch bringen, was Ihr fordert!«

»Und er eilte, um selbst den Knechtedienst zu verrichten, den der Uebermuth seiner entfesselten Sklaven von ihm forderte.

Er taumelte seiner Wohnung zu. Nirgend begegnete ihm der Trost eines menschlichen Angesichts, seine Vögte, seine Diener – Alle waren aus Furcht vor den schrecklichen Kettenbrechern entflohen.

Keinen von Allen hatte die Liebe, die Dankbarkeit, zu seinem Beistande zurückgehalten.

Er war der einzige Mensch in diesem Tigerneste; und in den Klauen dieser Ungeheuer kämpfte sein einziges Kind vor seinen Augen den Todeskampf.

Es war ihm, als verfolgte Fanny's Wimmern ihn bis hierher; er horchte auf, und wirklich ertönte ein entsetzliches Aechzen in seiner Nähe.

Er suchte mit Angst nach dem unsichtbaren Mitträger seines Elends und entdeckte endlich, zwischen zwei Schranken zusammengeklemmt, die Gouvernante, welche, fast todesnah, von Allen verlassen, hier eine Zuflucht vor den Kanibalen gesucht hatte.

»Kommen Sie, um des Himmels willen, Miß Snobbs, helfen Sie mir,« flehte Cleary. »Die Nigger haben sich meines Kindes bemächtigt und werden es morden, wenn ich mich weigere, ihre Befehle zu erfüllen. – Kommen Sie, helfen Sie mir den Arac hintragen, oder helfen Sie Mr. Payne das Vieh treiben.

Er zog die Gouvernante aus ihrem Versteck hervor, aber diese umklammerte mit solcher Gewalt die Treppenpfeiler, daß er Verzicht auf ihren Beistand leisten und ohne ihre Unterstützung die schweren Fässer zu dem Ort der Versammlung bringen mußte.

Mr. Payne hatte inzwischen den Stall geöffnet; aber kaum war das geschehen, als die Schweine, wie von einer Ahnung der Schlachtbank, welche ihrer harrte, gescheucht, durch die geöffnete Thüre ins Freie eilten und den in seiner Corpulenz unbeholfenen Geistlichen selbst über den Haufen rannten.

»Geh', hilf ihm,« befahl ein Neger, dem es zu lange währte, das Mahl bereitet zu sehen. »Aber beeile Dich, Du weißer Henkersknecht, das rathe ich Dir.«

Das Bild seines jammernden Kindes gab Cleary Kraft, auch diesen Befehl auszuführen. Der Geistliche lag am Boden und regte sich nicht, und so blieb ihm die Arbeit allein zu verrichten.

Keuchenden Athems begann er den aus dem Hofe umherschnuppernden Thieren nachzujagen; aber die Wildheit der Neger schien sich auch auf das Vieh übertragen zu haben, und athemlos ließ der verzweifelte Sklave seiner Sklaven von seiner fruchtlosen Jagd ab, um bei den geduldigeren Opfern des Schlachtmessers, den Schafen, sein Heil zu versuchen.

Hier glückte es ihm. Er zog ein feistes Schaf mit sich fort, den hungrigen Negern zu, welche während seiner Abwesenheit einen Theil des Daches ihrer Hütte abgetragen hatten und mit den Latten und Sparren alle Oeffnungen derselben bis auf eine verrammelten.

Ein Theil der Schwarzen war nach der Zerstörung des Daches aus dem Gesims der Außenwände sitzen geblieben, und schien, von oben herabschauend, sich an dem Schauspiel der Jagd des gedemüthigten Gebieters belustigt zu haben.

»Wo hast Du die Schweine?« schrieen einige der wilden Rotte von ihrem Schaugerüst herab.

»Wo hast Du den übrigen Arac? fügten Andere hinzu.

»Fang' uns die Schweine, oder wir schlachten Dein Kind vor Deinen Augen!« riefen wieder andere.

»O Gott!« ächzte Cleary für sich – »wie elend bin ich – wie elend durch den Verrath eines Knaben, den ich wie einen Sohn hielt!«

»Vorwärts, thue wie Dir befohlen!« herrschten seine Peiniger ihn an.

»Habt Erbarmen mit mir!« stöhnte der Verzweifelnde. »Ich bin allein, alle meine Leute sind entflohen, ich vermag Euch das Vieh nicht zu greifen. Kommt herunter, nehmt Euch Alles, was ich besitze, allen Arac, allen Rum, alles Vieh aus meinen Ställen; nur gebt mir mein Kind und laßt mich gehen!«

»Ha, Du hinterlistiger Weißer!« brüllte Einer der Neger. »Du willst uns unsere Geißel ablocken und uns herausfordern aus unserer Veste und dann mit Deinen Vögten aus dem Hinterhalte über uns herfallen. – He? Habe ich Dich durchschaut?«

»Nein, nein!« schrie Cleary. »Beim heiligen Gott schwöre ich Euch, ich habe keine Vögte mehr! Keine Hinterlist droht Euch! Schickt Einige heraus und laßt Haus und Hof durchsuchen, ich will mich selbst in Euere Gewalt übergeben, bis Eure Späher zurückkommen!«

»Traut ihm nicht!« vernahm Cleary die Stimme Janita's aus dem Schuppen herauskreischend. »Sein Weib ist bereits aus und holt die Miliz, und der Pfaffe hat mir schon mit Folter und Scheiterhaufen gedroht.«

»Ha! Die Miliz wird zu thun haben, wenn sie kommt, um alle die Scheiterhaufen zu löschen, auf denen unsere Peiniger brennen sollen,« brüllte ein Neger, in die Ferne deutend. »Seht ihr da – da – überall!«

Cleary blickte empor und sah den Himmel von allen Seiten mit dicken Rauchwolken bedeckt.

Ein furchtbares Grausen ergriff seine Seele. Er erkannte, daß der Aufruhr allgemein und urplötzlich in dieser ganzen Gegend ausgebrochen sei, und daß er und sein Kind von aller menschlichen Hülfe rettungslos abgeschnitten seien.

Ein Neger schien seine Gedanken errathen zu haben. »Ja, ja,« sagte er. »Du bist ganz unserer Gnade anheimgegeben. Wir sind jetzt freie Männer und werden nach dem Norden gehen, wo wir Bürger des Staats und keine Sklaven sind, vorher aber wollen wir Euch heimzahlen, die Ihr uns so lange gequält habt. – Danke Gott, daß Rogue nicht hier ist, wäre er hier, so wärst Du und Dein Kind nicht mehr am Leben.«

Fanny's immer schwächeres Jammern schien ihn zu fragen:

»Vater, warum machst Du unserer Marter und unserem Leben nicht ein schnelles Ende?«

Schon drängte ihn die Verzweiflung zu dem schrecklichen Gedanken, einen Feuerbrand in dieses Schlangennest zu werfen und sich in dessen Gluth zu begraben; da hob der Vorredner der Schwarzen an, welcher sich reitend auf das Sparrenwerl des Giebels niedergesetzt hatte:

»Höre, Du weißer Henker, wir könnten Dich tödten, wenn wir wollten, und das würde, wie gesagt, schon geschehen sein, wenn Rogue hier wäre; aber wir wollen das nicht, sondern wollen einen Vergleich mit Dir abschließen: Du lieferst uns alle Deine Feuergewehre und das Pulver aus, und wir geben Dir Dein Kind zurück.«

»Gott soll mein Zeuge sein, das will ich!« rief Cleary, die Finger seiner Rechten zum Schwur erhebend, während seine Brust von neuer Lebenshoffnung aufathmete.

»So geh'!« brüllte der Neger herunter. Bringe Deine Waffen; aber fehlt auch nur ein Stück davon, so ist Dein Kind verloren!«

»Alles, was ich besitze, soll Euer sein,« betheuerte Cleary.

Er eilte in sein Haus, um alle seine Vertheidigungsmittel seinen Feinden auszuantworten.

Sein erster Blick, als er die Schwelle betrat, fiel auf Miß Snobbs, die im ängstlichen Gespräch mit einem Fremden begriffen war. –

Auf seinen fragenden Blick erklärte sie ihm:

»Es ist ein Bote von Sanders. Er mahnt Sie zur eiligen Flucht, denn auf dreizehn Plantagen ist der Aufruhr ausgebrochen und droht so riesige Dimensionen anzunehmen, daß mit dem Militair, welches sich in der Nähe befindet, wenig auszurichten sein wird.«

»Der Aufruhr ist ein völlig organisirter,« fügte der Bote hinzu; »er scheint geleitet zu werden von einem Quadroonen, der ein entlaufener Sklave des Kriegsministers ist, und von einem gewissen Rogue, einem ihrer Sklaven. Ich bitte Sie also dringend, dem Rathe des Mr. Sanders zu folgen.«

»Bleiben Sie noch zehn Minuten lang hier,« bat Cleary. Ich eile, um mein Kind zu befreien, und fliehe dann mit Ihnen.«

Er stürzte davon, eilte in sein Zimmer, belud sich mit seinen Flinten und seinem Pulvervorrathe, und leuchte, unter fester Bürde fast erliegend, dem harrenden Haufen zu, der jetzt fast insgesammt: Männer, Weiber und Kinder, die Giebel und das Gesims erklommen hatte, und dem verzweifelnden Träger entgegenstarrte.

»Er kommt! Er kommt, der Narr!« brüllte das wilde Volk.

Einer nach dem Andern verließ seinen Sitz und glitt in den innern Raum des halb abgetragenen Gebäudes hinab.

»Er kommt und bringt uns seine Flinten, seine Büchsen, seine Pistolen, sein Pulver!«

Mit größter Emsigkeit wurden jetzt die Versperrungen der Oeffnungen durchbrochen, und Cleary stand in der Mitte der jauchzenden Wüthriche, die ihm eine Waffe nach der andern aus den Händen und von den Schultern rissen und, in das Pulver und Blei sich theilend, frohlockend mit ihrem Raube umhertanzten.

»Ich habe Euch mein Wort gehalten,« rief Cleary, »jetzt haltet mir das Eurige: gebt mir mein Kind und laßt mich ziehen.«

Ein schallendes Gelächter antwortete ihm.

»Du weißer Narr!« brüllte ein hohnlachender Neger ihn an. »Hast Du noch nicht gewußt, wie Deine Cumpane Wort halten, wenn sie mit den Schwarzen handeln auf Guinea? – Wir haben von Euch gelernt, wie es bei Euch Sitte ist, Wort zu halten, und Du sollst es von uns lernen!«

In dem Augenblicke fühlte Cleary sich von hinten ergriffen. Er ward niedergeschleudert, ein Neger riß ihm das Tuch vom Halse und knüpfte ihm die Hände zusammen, ein zweiter fesselte ihm mit seinem Schnupftuche die Füße, und triumphirend schleppten die Ungeheuer ihr Opfer auf einen freien Platz vor der Hütte.

»Was wollt Ihr mit ihm beginnen?« schrie Janita«.

Fanny auf dem Arm haltend, die, schon heiser von ihrem Hilfeschrei, mit unverständlichem Jammerlaut ihre Arme nach dem gebundenen Vater ausstreckte, stürzte sie auch aus dem Hause heraus, die Gruppe der Neger durchbrechend.

»Was wir mit ihm beginnen wollen?« erwiderte der wilde, schwarze Wortführer. »Unsere Fahne wollen wir färben mit seinem Blute! – Gebt ein Messer her, wer hat ein Messer?«

»Was brauchen wir Messer?« brüllte ein Anderer. »Haben wir denn schon unsere Gewehre versucht? –Bindet ihn dort an den Pfahl! Er soll unser Ziel sein auf hundert und fünfzig Schritt!«

»Laßt ihn, laßt ihn!« ermahnte Janita in einer Anwandlung von Dankbarkeitsgefühl. »Hättet ihn fest, aber mordet ihn nicht. Er hat uns kein Leides gethan!«

»Kein Leides?« schrie der Eine. »Hat er mich nicht foltern lassen, und Deinen Rogue und Andere? und hat er uns nicht an Klötze schließen lassen?«

»Aber gemordet hat er Euch doch nicht!« schrie Janita. »Hat er nicht Noddy wie seinen Sohn gehalten und das Kind Massah Edward's ebenfalls?«

»Gut, so soll er leben1« donnerte die Schaar. – »Aber einen Klotz soll er schleppen, bis unser Führer kommen wird, Gericht zu halten über ihn. – Bringt einen Klotz her, so schwer wie der, den Rogue getragen hat.«

Der Klotz wurde gebracht und an Cleary's Fuße befestigt.

»Nun komm mit, Jäger, nun sollst Du Schweine jagen,« schrie der Eine, Cleary mit sich schleifend.

Ein Anderer aber riß ihn wieder zurück und brüllte:

»Nein, der Arac geht vor! – Kommt, er soll uns die Keller aufschließen!«

Zusammensinkend unter der Last seines Elends, und durch die Stöße der Neger zu einem schwankenden Gang gezwungen, stolperte der Unglückliche vorwärts.

Der Anblick der Rum- und Arac-Tonnen begeisterte die Schwarzen. Unter ihren Schlägen zersprangen die Reifen einiger Fässer, und im Augenblick fing der Keller an, einem unterirdischen Teiche zu gleichen.

Jauchzend warfen sich die Schwarzen nieder, tauchten unter und löschten mit gewaltigen Zügen ihren viehischen Durst, während die Weiber ein Schwein nach dem andern fingen und metzelnd Anstalten zu dem bevorstehenden Nachtfeste trafen.

Endlich war die erste Gier der Durstigen gestillt, und nun begannen sie, die Fässer dem großen Feuer entgegen zu rollen, welches, durch das Holz der zerstörten Hütte genährt, weit und breit die schaurige Abendscene beleuchtete. Dem kommenden Haufen voran schritt der Wortführer mit dem Gebrüll:

»Ich bringe die Fahne! Ich bringe die Freiheitsfahne!«

Er schwang eine in Cleary's Wohnung gefundene weiße Decke über seinem Haupt.

»Da kommen sie mit dem Rum und mit der Siegesfahne!« kreischten die Weiber. – »Aber eine Inschrift muß die Fahne haben, der Name unsers Feldherrn muß darauf stehen!«

»Hier – Fanny kann schreiben!« schrieen Andere, »gebt her die Fahne, sie soll den Namen daran schreiben. – Hier, Du weiße Tochter eines Sklavenzüchters, Du sollst nicht vergebens die Milch einer Schwarzen getrunken haben und mit dem Stempel der Neger gekennzeichnet sein! – Hier, tauche Deinen Finger in das Schweineblut und schreib auf die Fahne: » Edward und Freiheit

»Edward und Freiheit!« jauchzte der rasende Troß.

Die Decke ward ausgebreitet, Fanny's Hand in das rauchende Blut getaucht, und mit Entzücken folgten die Augen der Ungeheuer den blutrothen Zügen, welche der Finger des zitternden Kindes auf der Leinewand höchst unleserlich zurückließ.

»Größer, größer!« schrie einer der Rädelsführer.

Ein Anderer sprach die Besorgniß aus, die Schrift möchte, wenn sie auch noch so groß ausfiele, bei Nacht doch nicht zu lesen sein.

»Er hat Recht!« schrie ein Dritter. »Laßt die Weiße mit glühenden Kohlen schreiben! – Hier faß an!«

Er riß eine funkelndrothe Kohle aus dem Scheiterhaufen und drückte sie in des Kindes Hand.

Da überstieg Cleary's Vaterschmerz den Zwang seiner Fassung. Fanny's Wehgeschrei waffnete seinen gesunkenen Muth; er ergriff einen gewaltigen Feuerbrand und ließ ihn auf das Antlitz des Gewaltthäters herabsausen; derselbe bedeckte schnell sein Gesicht mit beiden Händen, indem er in das Geschrei ausbrach:

»Meine Augen, meine Augen! – Ich bin blind!«

»Jetzt muß er sterben!« brüllte die Menge um Cleary her und riß ihn nieder.

»Vater, mein Vater!« schrie Fanny.

Einige der Neger hatten Cleary ergriffen, und hoben ihn empor, um ihn auf den Scheiterhaufen zu werfen.

Da aber erschallt plötzlich eine bis dahin noch nicht gehörte Stimme in der Nähe:

»Ungeheuer, was treibt Ihr hier?«

Zugleich trat eine hohe Gestalt in den Kreis, der sich um Cleary gebildet hatte.

Alle Neger starrten sprachlos die überraschende Erscheinung an, und auch Cleary, obgleich fast dem Tode nahe, richtete seine Augen hoffnungsvoll empor. Doch entmuthigt von dem düstern, gebieterischen Aussehn des Jünglings, der vor ihm stand, unversöhnlichen Haß in seinen Mienen, ließ er das Auge wieder sinken.

Der Fremde trug einen Degen an der Seite und Messer und Pistolen im Gürtel; ein Hut mit einer Feder war tief in sein Gesicht gedrückt, und um seine Schultern hing ein weiter Mantel. Er sah mit seinem finstern Blicke und in dieser Rüstung nicht eben ermuthigend aus, doch Fanny sah im Scheine des Feuers neben ihm stehend den Negerknaben.

In ihrem Auge fing an ein Hoffnungsstrahl zu glänzen und ihrer Brust entfloh der Freudenschrei:

»Noddy!«

»Noddy!« jauchzte auch Janita und drückte den Knaben an ihr Herz. »Noddy, unser schlauer Spion, Du bist zwar kein reines Niggerblut, aber Du bist der schlaueste Bursche in ganz Kentucky!«

»Edward, unser Anführer!« jubelte die Menge, vom Aracrausch und der wilden Freude trunken.

Das Uebermaaß des Entzückens auszudrücken, lagerten sie um das Feuer herum und ließen die Luft von Freudenschüssen erdröhnen.

»Jetzt wird's ein Blutgericht geben!« schrieen Mehrere. – »Jetzt werdet Ihr sehen, wie ein Sklavenzüchter verbrannt wird. – Es lebe Edward, der Befreier der Nigger!«

»Schnell bringe ihn in Sicherheit, ehe die Blutlust der Trunkenen sich noch höher steigert,« flüsterte Edward dem Negerknaben zu.

»Hast Du ein Messer?« fragte Noddy in leisem Tone Janita.

»Hier ist es, was willst Du machen?«

»Gieb her!«

Er nahm das Messer, und in weniger als einer Minute waren die Fesseln Cleary's durchschnitten.

Zugleich schwang der Knabe Fanny, welche die Negerin einen Augenblick unbewacht ließ, auf seinen Arm, riß Cleary, der betäubt, fast unfähig war, sich zu erheben, vom Boden auf und zog ihn mit sich fort.

»Wohin, Noddy – Wohin?« schrie ein Neger, ihm den Weg vertretend.

»Er nimmt uns unsere Gefangenen fort!« brüllten Andere, »unsere Geißeln! – Wohin, Noddy, mit unseren Gefangenen?«

»Er sperrt sie in den Keller, bis Rogue kommt, der sein Haupt-Ankläger ist,« antwortete Edward. »Zurück da, – daß Keiner ihm folgt, ich befehle es!«

Edward's gebieterische Miene und sein entschiedenes Auftreten machte solchen Eindruck auf die Schwarzen, daß ihm Niemand zu widersprechen wagte.

»Bleibt hier beim Feuer!« fuhr er fort, und bereitet das Mahl und schmückt Euch, um Eure siegreichen Brüder zu begeistern, die sich hier aus dem ganzen Staat versammeln werden!«

Ein wildverworrener Stimmenlärm ließ sich vernehmen, aus dem nur die Worte verständlich waren:

»Edward – siegreiche Brüder!«

Der Lärm donnerte hinter Noddy her, welcher mit jedem Schritte, der den Raum zwischen ihm und den Negern erweiterte, stärker auszuschreiten begann, und jetzt, da er dem Bereich ihrer Schritte entkommen war, von seinem Pfade abwich und, statt nach dem Hause zu gehen, den Weg nach dem Garten einschlug.

Fanny hatte ihre Arme um seinen Nacken geschlungen, und Cleary, mehr fortgerissen, als selbständig gehend, taumelte, unempfindlich für die Schrecken der Furcht, wie für die freudigen Mahnungen der Hoffnung, hinter seinem Retter her.

Sie erreichten die Stelle, wo Noddy das große Boot befestigt hatte, das er, längst diese Katastrophe ahnend, und die Rettung seines Wohlthäters vorbereitend, mit so vieler Anstrengung den Fluß hinaufgezogen hatte.

Noddy hob erst Cleary, dann Fanny hinein. Er selbst aber blieb am Ufer.

»Warten Sie noch eine Weile auf mich,« sagte er, »ich bin gleich wieder bei Ihnen.«

Er entfernte sich einige Schritte vom Ufer, nahm aus einem Gebüsch einen Spaten und grub an einer Stelle in der Erde, aus welcher er eine schwere Kiste hervorhob, dann auf einer andern Stelle eben so und. auf einer dritten Stelle wieder. Mit aller Kraftanstrengung hob er die drei Kisten in das Boot.

»Es sind Ihre Goldbarren, Mr. Cleary,« erklärte er. »Ich brachte sie in Ihrer Abwesenheit in Sicherheit.«

Mr. Cleary schien von Allem, was mit ihm vorging, kein Bewußtsein zu haben, stumpf blickte er vor sich hin.

Noddy stieß das Boot ab, und der Strom ergriff das Fahrzeug, welches, wie im pfeilschnellen Lauf, in dein abschüssigen Wogenbette dahinflog.

Immer dumpfer, immer unvernehmbarer ward das Wogengetöse, immer matter leuchtete die glühende Wolke, welche im Rücken der Flüchtlinge am schwarzen Nachthimmel aufstieg auf dem Wasserspiegel wieder, den das fliegende Boot durchschnitt.

Erst jetzt erwachte Cleary zum Bewußtsein seines Daseins und seiner und seines Kindes Rettung.

»Noddy, Noddy!« ächzte er.

Ein Thränenstrom entstürzte seinen Augen; er konnte nicht reden und umfaßte und drückte den Knaben mit einer Innigkeit an sein Herz, welche mehr und deutlicher sprachen, als es Worte vermocht hatten.


 << zurück weiter >>