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Einundvierzigstes Kapitel.
Das Erkennen

Was an Luxus entfaltet werden kann, das hatte die Aristokratie des Südens geleistet in Bezug auf innere Ausstattung des Hauses, welches das Capitol des geheimen Bundes bildete. Alle Säle und Zimmer des Ritterhauses waren im reichsten Geschmack dekorirt. Die Wandleuchter von strahlendem Krystall, die Teppiche vom feinsten Gewebe, die Tapeten von schwerem Damast, die Möbel von seltenem Holz und die Fußböden vom kunstvollsten Parquet.

Alle Räume, mit Ausnahme des »Heiligthums des Brutus,« wie sie den Sitzungssaal nannten, waren im ersten und zweiten Stock für das Fest zur Verfügung gestellt, und überall sah man Gruppen phantastisch und elegant gekleideter mit Masken versehener Herren und Damen promeniren oder in dem traulichen Claire obscure einer Nische pokuliren, eine berauschende Musik spielte im großen Saale von einem unsichtbaren Orchester herab die schönsten Strauß'schen Compositionen, und im Banketsaal waren Tische zu einer gemeinsamen Tafel geordnet und mit Blumen und köstlichen Fruchtschaalen aus edlem Metalle dekorirt. Die Tafel war indessen nur spärlich besetzt, da die Meisten es vorgezogen, sich in kleineren Cirkeln um die zahlreichen Büffets in den Nebenzimmern zu gruppiren, oder im großen Concertsaale zu tanzen, oder in den entfernteren Gemächern die Einsamkeit aufzusuchen.

Zu diesen letztern gehörte Junius Brutus. Alle Damen hatten ihn sofort erkannt und überall, wo der schöne Jüngling sich sehen ließ, flüsterte man sich den Namen »Wilkes Booth« zu. Die braune

Toga, die er sich in malerischem Faltenwurf um die Schultern gehängt hatte, der entblößte schöne Hals, die geraden, apollinisch geformten Beine in fleischfarbenen Tricots – das Alles hob seine körperlichen Vorzüge so hervor, daß er von Seiten der Damen mit Elogen und vertraulich zärtlichen Zuflüsterungen fast überschüttet wurde.

Er athmete auf, als er endlich einmal einen Augenblick unbestürmt war, und nahm dann die Gelegenheit wahr, sich unbemerkt zurückzuziehen.

Er trat in ein entlegenes Zimmer, in welchem eben Niemand sich befand und warf sich dort gelangweilt in die Ecke des Sophas.

»Das hilft Ihnen nichts,« sagte der Gladiator grinsend, indem er seinen Kopf durch die Thür steckte, »Sie haben einmal die Frauenzimmer behext, und nun müssen Sie's ertragen, daß sie Ihnen auf Tritt und Schritt nachgehen. Sie haben mit Ihren fleischfarbenen Tricots das Unheil herauf beschworen, und nun können Sie desselben nicht mehr Herr werden. Glauben Sie nicht, daß Sie hier sicher sind, die spanische Tänzerin, welche Sie im Saale mit solchen Feuerblicken ansah, daß man ihre schwarzen Augen durch die Maske funkeln sah, hat bereits Ihren Zufluchtsort entdeckt und kommt geradewegs hierher.«

»Weise sie ab, Atzerott,« sagte Booth. »Sage ihr, mir sei nicht wohl.«

»Aber die Spanierin, Sie, ist ohne Zweifel die Schönste hier.«

»Gleichviel, weise sie ab.«

Atzerott hatte sich nicht getäuscht, die Dame in dem verlockenden Anzuge einer spanischen Tänzerin näherte sich der Thür. Das Wogen ihres vollen Busens verrieth ihre Aufregung, als sie zögernd inne hielt, da sie den Gladiator in der Thür stehen sah.

Atzerott betrachtete sie mit Entzücken. Die kurzen Kleider, welche die mit Tricots bekleideten Beine nicht ganz bis zum Knie bedeckten, ließen auf eine solche Fülle verführerischer Reize schließen, daß er nicht umhin konnte, sich zu wiederholen:

»Sie ist die Schönste hier. Bei Gott, hätte ich nicht schon eine Favoritin für Mr. Tucker besorgt, so müßte es diese sein!«

»Wollen Sie hier hinein, Sennora?« fragte er, als er sah, daß sich die Spanierin ein Herz faßte, um an ihm vorbei zu gehen.

Die Dame machte nur ein bejahendes Zeichen und wollte weiter gehen, Atzerott aber stellte sich ihr mitten in den Weg.

»Verzeihen Sie, schönste Sennora, aber mein Herr da, der edle Junius Brutus, ist krank, er hat Cäsar's Geist gesehen und hat davon das Fieber.«

Die Spanierin achtete nicht auf den Scherz, sondern wich ihm aus und setzte den Fuß auf die Schwelle. Atzerott aber, der sich durch einen Blick auf Booth überzeugt hatte, daß es diesem Ernst sei, allein zu bleiben, wagte noch einmal Widerstand zu leisten.

»Haben Sie Mitleid, Sennora, mit dem kranken Brutus. Lassen Sie ihn erst wieder Ruhe gewinnen, ehe Sie ihn der Gefahr aussetzen, im Feuer Ihrer Augen von neuem in Fieberhitze zu gerathen ...«

»Unausstehlicher Schwätzer, machen Sie Platz!« unterbrach ihn die Dame in ärgerlichem Tone. »Zurück da; ich will hinein.«

Die stolze Haltung und der entschiedene Ton der Dame wäre wohl geeignet gewesen, jeden Anderen zum Nachgeben zu zwingen; aber ohne Zweifel wäre ihr das bei Atzerott nicht gelungen, wenn nicht Booth beim Klang dieser Stimme emporgefahren wäre und nicht seinem Gefährten zugerufen hätte:

»Zurück, John, laß mich mit der Dame allein!«

Atzerott gehorchte, indem er bei sich dachte:

»Es war vorauszusehen, daß er dieser nicht widerstehen kann. Er mag das kälteste Herz haben, im Feuer dieser Augen schmilzt das Eis leicht.«

Sobald sie sich allein sahen, lagen Booth und die Spanierin einander in den Armen.

»Carlota!« rief er, »Du hier? – Und wie schön bist Du!«

»Ich bin hier, Wilkes, weil ich Dich hier vermuthete,« antwortete Mrs. Cleary. »Wie hätte ich zu Hause Ruhe finden können, wenn ich Dich den Liebespfeilen so vieler schöner Damen ausgesetzt weiß!«

»Aber, mein Gott, wenn Dein Gemahl –«

»Mein Gemahl hat von meiner Anwesenheit keine Ahnung, und er wird sich daher um uns nicht kümmern, sondern sich ganz den zügellosen Gelüsten überlassen, denen er hier zu frönen Gelegenheit hat.«

Sie ließ sich an Booth's Seite auf das Sopha nieder, die Maske, die ihren Lieblosungen hinderlich war, vom Gesicht nehmend.

Es war eine reizende Gruppe. Das üppige Weib mit ihren plastischen Formen, deren Reize die ohnehin schon kurzen Kleider, während sie saß, noch mehr unverhüllt ließen, schmiegte sich an die Brust des schönen Jünglings, dessen edles Gesicht mit der antiken Tracht vortrefflich harmonirte. – Inniger, immer inniger wurden ihre Liebkosungen, bis die Kreolin, auf seinem Schooße sitzend, alle Vorsicht vergaß, und auf den Eingang dieses Zimmer nicht weiter Acht hatte.

In diesem Eingange aber erschien die hagere Gestalt der Frau, in welcher Mr. Conover, noch ehe sie den Saal betrat, bereits Mrs. Slater erkannt hatte. Einen Blick nur warf sie auf die Gruppe, dann verschwand sie eben so geräuschlos, wie sie gekommen war.

Sie ging in den Saal zurück, wo Miß Surratt, offenbar Jemanden suchend, mißmuthig umherging.

»Ich habe ihn gefunden, den sie suchen,« flüsterte ihr Mrs. Slater zu. »Im einem einsamen Zimmer sitzt er.«

»Ist es der junge Römer, wie wir vermutheten?«

»Er ist es.«

»So lassen Sie mich zu ihm. Unter dem Schutze der Maske will ich ihn von den Gefühlen, die ich für ihn hege, unterrichten. Jetzt muß er es erfahren, daß ich ihn liebe; in deutlichen, klaren, Worten will ich es ihm sagen, denn die Andeutungen, die die Gesetze der Schicklichkeit mir bisher nur gestattete, hat er nicht verstanden. Führen Sie mich zu ihm, Mrs. Slater.«

»Warten Sie, Miß. Er ist nicht allein.«

»Hat er vielleicht eine geheime Conferenz mit den Politikern?«

»Eine geheime Conferenz hat er, aber nicht mit den Politikern. – Ich will Sie nicht täuschen,« fügte Mrs. Slater hinzu; »er ist Ihrer unwürdig, er sitzt in süßer Umarmung mit einer Dame.«

Die Furien der Eifersucht begannen in der Brust des Mädchens zu toben. Gewaltsam zog sie ihre Freundin mit sich fort. Wuth und Rache gegen das Weib, das ihr zuvorgekommen in der Eroberung seines Herzens, loderten in ihr. Sie mußte sie sehen, um sie zu vernichten.

Mrs. Slater führte sie an die Thür und forderte sie auf, vorsichtig hineinzusehen, um sich zu überzeugen, daß sie ihr wahr berichtet habe. Miß Surratt folgte dem Wink; was sie aber erblickte, raubte ihr alle Selbstbeherrschung. Da saßen sie eng umschlungen: sie so verführerisch, so wollustathmend, und er so schön. Ein Schrei der Wuth entfuhr der Eifersüchtigen.

Mrs. Cleary erwachte plötzlich aus ihrem Rausche, sie sprang empor und griff nach der Maske. – Zu spät; sie war erkannt worden.

Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß, während der Mann fast nie seinen Zorn gegen den Nebenbuhler richtet, der ihm die Geliebte verführt, sondern stets gegen die Treulose, das Weib stets am meisten die Nebenbuhlerin haßt und alle Wuth gegen sie ausläßt. Auch Miß Surratt's erster Gedanke war, die schöne Kreolin zu vernichten.

»Ich werde ihren Gemahl aufsuchen,« knirschte sie, »und ihm Alles sagen. Die Nichtswürdige soll es mir büßen! – Kommen Sie, Mrs. Slater, lassen Sie uns Mr. Cleary aufsuchen.«

Die letzten Worte hatte eine Maske in blauem Domino gehört, die bereits mehrmals auf- und abgegangen war in der Nähe des einsamen Zimmers. Der blaue Domino stand stille vor dem jungen Mädchen und sagte, die Arme kreuzend, in einem Tone, dem es ein feiner Beobachter wohl angehört hätte, daß seine Ruhe lediglich eine erzwungene sei:

»Zu welchem Zwecke wünschen Sie Mr. Cleary aufzusuchen, schöne Maske?«

Miß Surratt blickte den Fragenden von oben bis unten an, der Klang seiner Stimme mochte ihr bekannt vorkommen, deshalb antwortete sie:

»Weil ich ihm eine Mittheilung zu machen habe, die für ihn sehr wichtig ist. Sein Weib verräth ihn!«

»Was sagen Sie, Miß? Ich hoffe nicht, daß Sie es wagen, eine solche Frau, wie Mrs. Cleary zu beleidigen. – Sie thun wohl, Ihr Geheimniß für sich zu behalten, denn Mr. Cleary würde Ihnen nicht glauben; die Tugend der Frau, von welcher Sie sprechen, ist zu rein, als daß er auch nur den Schatten eines Verdachtes auf derselben dulden sollte. – Ich warne Sie, wagen Sie nicht Mr. Cleary das zu sagen, was Sie mir gesagt haben.«

»Wie?« rief die Dame entrüstet. »Sie glauben mir nicht. – Sie wissen nicht, wer ich bin, Sir. – Sie wissen nicht, daß Ihr Mißtrauen gegen meine Worte mich beleidigt.«

»Ich weiß nicht, wer Sie sind; aber ich rathe Ihnen doch, Ihre Vermuthungen für sich zu behalten.«

In diesem Augenblicke verließ die Spanierin am Arm des römischen Patriziers das Zimmer und ließ sich nach dem Ausgange geleiten.

»Da, Sir, sehen Sie!« rief Miß Surratt. »Ich versichere Sie, das ist Mrs. Cleary. O Gott, wo finde ich nur Mr. Cleary, damit er sich überzeugt, daß seine Frau hier ist.«

Der blaue Domino war, während sie sprach, den beiden Masken mit den Augen gefolgt, als er sah, daß sich die Spanierin am Ausgange von ihrem Begleiter verabschiedete, und daraus schloß, daß sie es vorgezogen hatte, sich so schnell, wie möglich, zurück zu ziehen, um eine Entdeckung zu vermeiden, wandte er sich an die aufgeregte Dame:

»Bemühen Sie sich nicht, Miß, den Mann aufzusuchen, dessen Gemahlin Sie so schmählig beleidigt haben, denn ich sage, daß Sie sie verleumdet haben.«

»Ich muß aber Mr. Cleary aufsuchen; ich habe Zeugen, hier, Mrs. Slater.«

Sie wollte davon eilen, der Fremde hielt sie zurück, und, seine Maske abnehmend, sagte er:

»Sehen Sie, Mr. Cleary steht vor Ihnen, und Mr. Cleary sagt Ihnen, daß seiner tugendhaften Gemahlin schmähliches Unrecht geschehen ist.«

»O Himmel, wie ist es möglich, daß Sie sich nicht überzeugen lassen wollen! Mrs. Slater, Sie sind meine Zeugin. Sprechen Sie, sahen Sie nicht auch Mrs. Cleary im Arme ...«

»Ich bedarf des Zeugnisses nicht, ich bleibe dabei, daß meine Gemahlin gar nicht einmal hier ist, geschweige denn sich des Verraths zu Schulden kommen ließ, dessen Sie sie anklagen.«

Eben kehrte Booth zurück, nachdem er sich von Mrs. Cleary verabschiedet hatte, und kam nahe an den Sprechenden vorüber.

»Fragen Sie ihn, Sir, ob ich die Wahrheit gesprochen habe. Ich bin überzeugt, er wird es nicht leugnen,« rief Miß Surratt erregt. – »He, Mr. Booth, reden Sie, ist es nicht wahr, daß Mrs. Cleary soeben mit Ihnen dort im Zimmer in größerer Vertraulichkeit saß, als für ein Weib schicklich ist? – Mr. Cleary leugnet, daß seine Gemahlin überhaupt hier war, und beschuldigt mich, die Unwahrheit gesprochen zu haben. Sprechen Sie, Sie sind ehrenhaft genug, eine Thatsache, die Mrs. Slater und ich mit unseren Augen sahen, nicht leugnen zu wollen.«

»Antworten Sie nicht, Mr. Booth,« fiel Cleary ein. »Ich kenne Sie und kenne meine Gemahlin und weiß, daß die Beschuldigungen erdichtet sind· Meine Carlota sitzt jetzt zu Hause am Krankenbette der kleinen Fanny. – Sprechen Sie nicht, Mr. Booth, es ist nicht nöthig, ich sehe es Ihnen an, wie sehr Sie erschrocken sind über diesen ungerechten Verdacht; ich erspare es Ihnen, sich gegen diese ungerechte Anschuldigung zu vertheidigen. – Meine Hand, Mr. Booth, – nehmen Sie sie zum Zeichen, daß ich keine Sylbe von dem glaube, was man mir Nachtheiliges von Ihnen sagte, nehmen Sie sie als ein Pfand unserer unverbrüchlichen Freundschaft.«

Er schüttelte dem Jüngling herzlich die Hand und verließ die Gruppe, die betroffen und versteinert wie angewurzelt dastand und ihm nachblickte. –

»Unglaublich!« begann Miß Surratt. »Jeder andere Mann an seiner Stelle würde, wo der Beweis so leicht war, sofort in Flammen gerathen sein und Alles daran gesetzt haben, Gewißheit zu erlangen. Ich begreife das Benehmen von Mr. Cleary nicht!«

Booth hörte diese letzten Worte nicht mehr, sondern schritt gedankenvoll dem Saale zu. Da kam ihm eine Person entgegen, an welcher er Anfangs ohne sie zu beachten vorübergehen wollte, allein die Aeußerung dieser Hebe am Arm eines muskulösen Schatten veranlaßte ihn, stille zu stehen.

»Ich müßte mich sehr irren, oder dieser Brutus ist niemand Anderes als Wilkes,« sagte sie so laut, daß Booth einen Augenblick stehen blieb. – »Oh,« fuhr sie fort; »wem könnte diese schlanke Taille, dieser kraftvolle Wuchs, diese klassische Attitüde sonst gehören? – Komm her, edler Römer, Du Sprosse des Apollo, laß Dir von der Hebe den Becher der Wonne kredenzen!«

Mit diesen· Worten schob sie ihre Hand unter Booth's Arm, ohne aber mit der andern Hand den Arm des Schatten fahren zu lassen.

»Nicht doch, mein Fuchsjäger!« rief sie, als Edward diese Gelegenheit benutzen wollte, sich von ihr frei zu machen. »Du trinkst ein Glas Sellery mit uns. Willst Du nicht, schlanker Debardeur, jene Damen dort, die in ihren langen schwarzen Domino's so trübselig aussehen, ausserdem, ein Glas mit uns zu trinken? ... Hier, Sohn des Apollo, hier ist es gut sein, ein Winkelchen zum traulichen Gelage wie gemacht. Hier wollen wir bleiben ... Sellery, Du Sproß von Guinea!«

Diese letzten Worte von Belle Boyd galten dem Neger, der mit einem Service, das allerlei Erfrischungen enthielt, umherging.

Das Zimmer, welches die Spionin ausgewählt hatte, war dasselbe, in welchem Booth's tête-à tête mit Mrs. Cleary gestört worden war.

 

Frederic Seward hätte unter andern Umständen gewiß einen Vorwand gesucht, sich von der Verpflichtung, die beiden Damen einzuladen, frei zu machen, indessen, konnte nicht Eine von ihnen gerade diejenige sein, die er zu finden so sehnsuchtsvoll wünschte und die er doch vergebens gesucht hatte?

Miß Surratt und Mrs. Slater nahmen die Einladung um so lieber an, als sie der Ersteren Gelegenheit gab, sich mit Booth auszusöhnen und einen neuen Versuch auf sein Herz zu machen.

Belle Boyd war in der besten Laune.

»Nimm die Maske herunter, Brutus, wie ich es thue. Laß mich Dein Gesicht sehen, es ist lange, lange her, daß ich mich an dem Anblick Deines schönen Auges erquickt habe, Wilkes ... Sei nicht eifersüchtig, Du schweigsamer Fuchsjäger, wenn Du meinst, mit ihm den Vergleich aushalten zu können, so demaskire Dich ... Und Du, Pasquill von einem Debardeur, wo ist Deine Lustigkeit? Trink Deinen Damen zu, daß sie so lustig werden wie ich, und bleiben sie dennoch kalt, so nimm Deine Maske ab, daß der Glanz Deines Auges sie belebe und in Gluth setze mehr als es der feurige Wein vermag.«

Sie vermochte es indessen nicht, mit ihrer lustigen Laune eine wahrhaft fröhliche Stimmung in die Gesellschaft zu bringen, auf Jedem schien ein geheimer Druck zu lasten, und die Versuche, die Frederic und Edward machten, unbefangen und heiter zu scheinen, mißglückten so vollständig, daß endlich Belle Boyd erklärte, sie sehe sich genöthigt, die Gesellschaft so unausstehlich langweiliger Cavaliere und schweigsamer Damen zu verlassen und lustigere Gesellschaft aufzusuchen.

Sie machte diese Drohung sofort wahr, indem sie nach ihrer Maske griff und hinaushüpfte. Keinem der Zurückbleibenden schien dies unangenehm und namentlich waren Edward und Frederic froh, einen Vorwand gefunden zu haben, um ungestört ihre Forschungen fortsetzen zu können. Schon waren sie im Begriff, sich von ihren Sitzen zu erheben, als das Gespräch, welches Miß Surratt mit Booth anknüpfte, sie von Neuem fesselte.

»Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, Sir,« begann sie. »Ich habe nicht beabsichtigt, Ihnen Uebles zu thun, sondern nur jener Person die verdiente Züchtigung zukommen zu lassen. – Ich muß übrigens sehr bewundern, Mr. Booth,« fügte sie schnippisch hinzu, »daß ein Mann von Ihren Vorzügen nicht Anstand nimmt, mit einem Geschöpf zu harmoniren, dessen Abstammung für jeden wahren Gentlemen, gelinde ausgedrückt, sehr anstößig sein muß.«

»Wen meinen Sie damit, werthe Maske?«

»Wen anders als die Dame, die ich mit Ihnen in so traulicher Umarmung sah, Sie wissen ohne Zweifel nicht, daß sie eine Kreolin ist, also von Negern abstammt.« –

»Ich weiß es, Miß, und weiß, daß sie ein Engel ist und an Schönheit Alle ihres Geschlechts übertrifft,« antwortete Booth verstimmt.

»Aber manches Mädchen von reinem Blute, das Sie liebt, wird darin keine Entschuldigung für Sie finden.«

»Ich will auch keine Entschuldigung.«

»Sie sprechen von Esther!« flüsterte Frederic beklommen seinem Freunde in's Ohr.

»Unmöglich!« erwiederte Edward eben so leise. »Da kennen Sie Esther wenig. Doch will ich Sie überzeugen.« – Er wandte sich an Booth: »Sie sprechen von einer sehr schönen Quadroone, die ich kenne? – Ist dem so, so gebe ich Ihnen vollständig recht, sie übertrifft an Schönheit Alle ihres Geschlechts.«

»Ich spreche nicht von einer Quadroone, Sir, sondern von einer Kreolin,« antwortete Booth – Frederics Brust erleichterte sich durch einen tiefen Seufzer. – »Wenn Sie aber die Freigelassene des Kriegsministers meinen, so gebe ich Ihnen zu, daß sie die Einzige ist, welche ich ihr, was Schönheit betrifft, an die Seite stellen könnte.«

»Die Freigelassene, sagten Sie?« widerholte Edward aufhorchend.

»Nun ja, Breckenridge hat sie freigelassen auf Verwendung seiner Mündel Miß Brown. Sie ist auch, so viel ich weiß, nicht mehr hier, sondern bereits nach dem Norden gegangen.

Edward unterdrückte nur mit Mühe einen Ausruf der Freude, er mußte sich begnügen, mit Frederic einen Blick auszutauschen, der die Gefühle ihres Herzens bei der Nachricht von Esther's Freilassung ausdrückte. Aber wo war sie? – Nach dem Norden, wie Booth meinte, war sie nicht gegangen. War sie wirklich, wie der Neger Joë versichert hatte, in der Gewalt Mr. Tucker's?

Frederic wollte darauf bezügliche Fragen thun, wurde aber durch das Eintreten der Courtisane daran verhindert, die, an jeder Hand einen Cavalier, wieder eintrat.

»Hier bringe ich Leute, welche es verstehen, fidel zu sein!« rief Belle Boyd. »Unter der Kutte dieses Dominikaners steckt mehr Humor als jemals in einem Mönchlein entwickelt wurde, und dieser Venetianer brennt vor Begierde, ein Glas mit unserm Brutus zu leeren ... Mehr Champagner, Guineageborner! ... Auf das Gelingen Deines nächsten Planes, Wilkes; nimm Dein Glas, und daß Dir's nicht wieder so geht, wie bei dem allerersten Versuch, Du weißt im Lager M'Clellan's, he?«

»Gut, Beile Boyd, laß uns anstoßen!« antwortete Booth, und die Gläser erklangen.

»Dein letztes Unternehmen in New-York ist besser geglückt, wie ich höre,« fuhr die Courtisane fort. »Aber hüte Dich nur, daß Du mir bei Deinen künftigen Wagnissen nicht verunglückst; Du würdest nicht leicht wieder so unerwartet einen Retter finden, wie damals, als Dir der Strick schon an der Kehle saß ...«

»Belle Boyd, der Wein macht Dich schwatzhaft,« entgegnete Booth verdrießlich. »Willst Du uns nicht erst die Gesellschaft vorstellen, ehe wir über Dinge sprechen, die nicht für Jedermanns Ohren sind?«

»Ah, das ist hübsch von Dir, Wilkes,« erwiderte sie lachend. »Du bist vorsichtig. Gut, zur Lustigkeit passen die Masken nicht, wir sind unter uns und machen keinen Verstoß gegen die Festordnung, wenn wir schon jetzt die Masken abnehmen. Ich bin wirklich gespannt, meinen Schotten und den schweigsamen Debardeur kennen zu lernen.«

Niemand hatte Lust, der Aufforderung zu folgen. Dadurch aber ließ sich Belle Boyd durchaus nicht abhalten, auf ihre Forderung zu bestehen. Frederic saß ihr zunächst. Sie stürzte sich auf ihn, schlang ihm einen ihrer Arme um den Hals und mit der andern Hand riß sie ihm die Maske vom Gesicht.

»Ah,« rief sie. »Hätte ich doch wahrlich nicht geglaubt, ein so hübsches Gesicht hinter dieser Maske anzutreffen. Warum in aller Welt zierten Sie sich denn so, die Maske abzunehmen ...?«

Sie stockte und blickte Frederic aufmerksam ins Gesicht. Ein Glück für den Venetianer, daß in diesem Augenblick Niemand auf ihn achtete, denn er taumelte vor Ueberraschung einen Schritt zurück als er das Gesicht Frederic Seward's erblickte.

»Ei, Freund,« begann Belle Boyd, nachdem sie eine Weile schweigend dagesessen und nachdenkend den Finger aus die Stirn gelegt hatte – »sollten wir uns nicht kennen?«

Ueber des jungen Mannes Gesicht flog eine schnelle Röthe. Sein Athem ging hastiger, er war verloren, wenn man ihn erkannte, und Esther war es auch. Edward erhob sich und forderte seinen Freund auf, mit ihm zu kommen. Aber Belle Boyd stellte sich ihnen in den Weg.

»Diesen Gentleman hier, habe ich das Vergnügen zu kennen, sagte sie, »nun lassen Sie mich auch Ihr Gesicht sehen, vielleicht kenne ich es auch. Ich fordere die Herren auf,« wandte sie sich an Conover und George Borton, »mir beizustehen. Sie werden meine Aufforderung billigen, wenn ich Ihnen hernach den Grund sage.

Conover wechselte mit seinem Freund einen Blick, dann sagte er, indem er einen möglichst unbefangenen Ton anschlug:

»Wir können nicht verlangen, daß sich die Herren demaskiren, wenn wir es nicht selbst thun, also meine Damen,« fügte er zu Mrs. Slater und Miß Surratt gewandt hinzu, »folgen Sie unserm Beispiel.«

Er nahm ohne Umstände die Maske ab, und George Borton that ein Gleiches.

»Sie sind es!« rief Miß Surratt, erfreut, intimere Bekannte hier zu treffen und nahm nun auch ihrerseits nicht Anstand, sich zu demastiren.

Während Mr. Conover durch ein angelegentliches Gespräch mit den Damen die Aufmerksamkeit von Edward und seinem Gefährten abzulenken suchte, sah man Booth George Borton fest ins Gesicht blicken. Dann sprang der erstere plötzlich auf und erfaßte die Hand des Jünglings.

»Sie sind es, Sir!« rief er. »Ich kann mich nicht täuschen ...«

Borton legte bedeutungsvoll seinen Finger an die Lippen.

»Lassen Sie mich Ihnen danken, Sir,« fuhr Booth trotz dieser Warnung fort. »Ich habe Ihnen eine Schuld zu bezahlen, welche –«

»Danken Sie mir nicht,« flüsterte Borton ihm in's Ohr. »Lassen Sie es Niemand wissen, wollen Sie mir dankbar sein, so beweisen Sie es mir dadurch, daß Sie die beiden jungen Männer von ihrer Inquirentin befreien.«

»Sie kennen die beiden Herren und bürgen für sie?«

»Ich bürge für sie.«

»Belle Boyd täuscht sich sonst selten, Sir; sind Sie auch völlig sicher, daß Sie sich in ihnen nicht irren?«

»Ob ich sie kenne, werden Sie sofort sehen.«

George, der bisher so gesessen, daß Frederic sein Gesicht nicht sehen konnte, wandte sich jetzt nach diesem um. Frederic wechselte die Farbe und starrte ihn einige Sekunden sprachlos an, dann sprang er auf und schloß den Freund in seine Arme, ohne daß er Worte finden konnte, seine Freude und Ueberraschung auszudrücken. George benutzte diese Umarmung, um ihm zuzuflüstern, daß er hier nicht seinen Namen nenne, und daß er völlig unbesorgt sein möge wegen seiner Sicherheit.

»Sie haben jetzt hoffentlich nichts dawider,« wandte er sich darauf an Booth, »wenn ich Sie bitte, gegen meine Freunde nicht weiter mißtrauisch zu sein.«

»Nicht im Mindesten, Mr. Parker. – Belle Boyd, wenn die Herren uns verlassen wollen, so belästige sie nicht mit Deinem Uebermuth.«

»Aber der Schotte hat uns ja noch nicht sein Gesicht gezeigt.«

»Still, Belle Boyd,« flüsterte Conover ihr ins Ohr. »Der junge Mann sieht nicht schön aus, er ist pockennarbig und fürchtet, Du möchtest in Deiner Voraussetzung er sei hübsch, Dich allzusehr getäuscht finden.«

Da George diese Bemerkung bestätigte und Booth gegen die Freunde seines Retters nicht das geringste Mißtrauen hegte, so wandte Keiner etwas ein, als sich Edward und Frederic aus der Gesellschaft entfernten, nachdem Letzterer von George ein Zeichen erhalten hatte, daß er ihn später allein sprechen wolle.

Die Unterhaltung der Zurückbleibenden wollte jetzt ebensowenig wie vorher den lustigen Fortgang nehmen, den Belle Boyd so dringend wünschte, wozu nicht wenig die Verstimmung der beiden andern Damen beitrug. Namentlich heftete Mrs. Slater sehr finstere und mißtrauische Blicke auf George Borton.

»Ich glaube, wir haben doch eine Unvorsichtigkeit begangen, daß wir sie fortließen,« sagte sie nach einer Weile, den jungen Mann scharf betrachtend. »Freilich, Mr. Booth und Mr. Parker müssen ihre Gründe haben, sie für unverdächtig zu halten, was aber mich betrifft, so hege ich dennoch Zweifel, wenigstens habe ich von den Pockennarben, von welchen Mr. Conover sprach, nichts zu entdecken vermocht, im Gegentheil, er schien mir ein sehr hübsches und sehr glattes Gesicht zu haben und ist seiner Farbe nach kein Weißen von reinem Blut.«

»Ha!« rief Belle Boyd, »das muß ich heraus haben, und wehe ihnen, wenn sich Mrs. Slater's Verdacht bestätigt.«

Damit eilte sie hinaus und ging den Beiden nach.


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