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Sechsundreißigstes Kapitel.
Die Anklage

Der Besitzer von Georgesville und den Plantagen der Nachbarschaft, der reichste Mann von Kentucky, Mr. George Cleary, schritt anmuthsvoll in der Veranda auf und ab. Seine Stirn war« von Sorgen gefurcht, und seine Augen blickten düster auf den Boden.

Auf dem Lehnstuhle an der Brüstung der Veranda saß die behäbige Gestalt Seiner Ehrwürden des Pfarrers, Mr. Payne, der mit seinem wohlwollendsten Lächeln den Bewegungen Mr. Cleary's folgte, so oft dieser ihm aber den Rücken zukehrte, hätte man ein verschmitztes Blinzeln in seinen kleinen grauen Augen wahrnehmen können.

An der Thür stand die Negerin Janita, einen Säugling im Arm und schien der Befehle ihres Herrn zu warten. Sie hatte bereits mehrere Minuten vergeblich gewartet, ehe er sie anredete.

»Meine Frau ist ausgegangen?« fragte er endlich in barschem Tone.

»Ja, Massah,« antwortete die Negerin.

»Seine Ehrwürden wurde etwas unruhig. Zwar hielt der Pfarrer noch immer seine Hände über dem Wanst gefaltet und seine Züge verklärte noch immer das innigste Wohlwollen, aber die Daumen seiner dicken Hände bewegten sich ungeduldig, und um seinem lächelnden Mund prägte sich ein Zug von Verlegenheit aus.

»Wohin?« fuhr Mr. Cleary fort.

»Sie ging den Weg nach dem Pfarrhause hinunter, die Ulmenallee entlang,« antwortete die Negerin.

»Nach dem Pfarrhause?« wiederholte Mr. Cleary und blickte befremdet den Geistlichen an. – »Es ist gut, Janita, Du kannst gehen,« wandte er sich an die Negerin.

Mr. Payne rückte unruhig auf seinem Stuhle hin und her.

»Sie sagten mir nichts davon, Mr. Payne,« redete ihn Cleary an, als die Negerin hinausgegangen war. »Ist meine Frau nach der Pfarre gegangen, so muß sie Ihnen begegnet sein, Sir.«

»In der That, Sir, ich vergaß das zu erwähnen,« entschuldigte sich der ehrwürdige Herr verlegen. »Ja, allerdings begegnete ich der gnädigen Fran.«

Sie wußte also, daß Sie nicht zu Hause waren und ging doch nach Ihrer Wohnung?«

»Nein, Sir – ich glaube – ich hörte – daß sie nur einen Spaziergang in der Ulmenallee machen wolle.«

Er wischte sich den Schweiß von seiner Stirn, und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, denn er fühlte, daß die Lüge, die er eben gesagt hatte, geeignet sei, Mr. Cleary's Mißtrauen zu beseitigen und Verdacht von sich abzuwälzen.

In der That ließ Mr. Cleary dies Thema fallen und setzte seinen Gang durch die Veranda fort, während der Geistliche wieder seinen Bewegungen folgte; um aber ein Zurückkommen auf den für ihn etwas unangenehmen Gegenstand zu vermeiden, fand er es für gut die Aufmerksamkeit des Pflanzers auf ein anderes Feld zu leiten.

»Sie sind also bereit, Mr. Booth heute noch zu empfangen?« sagte er.

»Ja,« antwortete Cleary. »Ich wundere mich nur, daß Mr. Booth erst durch Sie anfragen läßt. Er weiß, daß ich für ihn immer zu sprechen bin. Wann kam er bei Ihnen an, Sir?«

»Heute früh.«

»Ich finde, daß er öfter in diesen Gegenden, als nöthig, ist. Die Zeit drängt, und er sollte sich beeilen, uns Resultate seiner Thätigkeit zu liefern.«

»Nun, diesmal wird er Sie sicherlich zufrieden stellen können, Mr. Cleary.«

»Hat er Ihnen über seine Thätigkeit bereits Mittheilungen gemacht?«

»Das nicht, aber ich habe zufällig ein Exemplar der gestrigen Nummer der New-Yorker Times erhalten, und darin finde ich einen Artikel, der, wenn ich mich in meiner Vermuthung nicht irre, jedenfalls mit der Thätigkeit unseres Freundes Mr. Booth in Verbindung steht. – Wollen Sie den Artikel hören?«

»Bitte, lesen Sie.«

Mr. Payne zog aus seiner Tasche ein Zeitungsblatt hervor, faltete es bedächtig auseinander und begann:

 

» New-York, den 24. August. Seit mehreren Tagen sind, namentlich in der oberen Stadt, mehrere Erkrankungen vorgekommen, und zwar unter so eigenthümlichen und einander gleichenden Symptomen, daß man das epidemische Auftreten irgend einer Seuche befürchtet. In dem westlichen Viertel zählte man vorgestern allein gegen 600 Krankheitsfälle, worunter heute bereits 200 mit dem Tode endigten. Die Symptome, die, wie gesagt, in allen Fällen dieselben waren, sind, nach dem Gutachten der Sanitätscomissaire, die einer mineralischen Vergiftung; man suchte die Ursache derselben in einem Miasma, das entweder in der Luft oder im Wasser verbreitet ist. Die bedeutendsten Chemiker in New-York sind bereits beschäftigt, diese beiden Elemente zu untersuchen. Eigenthümlich ist es, daß, während sonst derartige Seuchen stets die niederen Stadtgegenden am meisten heimsuchen, und die höher gelegenen gänzlich verschonen, ist es mit dieser ganz umgekehrt. Die Erkrankungen sind gerade an den höchsten Punkten am häufigsten und auch am gefährlichsten, während man in den untersten Stadtgegenden kaum etwas davon verspürt. In der Nähe des Wasserbassins, aus welchem New-York sein Wasser bezieht, waren alle Erkrankungen tödtlich.« –

 

»Das wäre allerdings etwas,« sagte Cleary, als der Geistliche seine Lectüre beendet hatte. »Jedenfalls steht Booth damit in Verbindung, denn er theilte mir bei seinem letzten Hiersein mit, daß er die Absicht habe, das Wasserreservoir zu vergiften. Ich bin wirklich gespannt auf die nächste Nummer der Times; ob die Chemiker die Ursache der Vergiftung herausfinden oder nicht, im ersten Falle wäre die Mühe vergebens gewesen.«

»Sorgen Sie nicht, Sir,« entgegnete Mr. Payne. »Booth ist ein kühner Jüngling, und wenn er nur erst an meinem Sohne Robert, der sich gegenwärtig leider noch in Elmira in der Gefangenschaft befindet, eine kräftige Stütze gefunden haben wird, so wird er den heimlichen Kampf gegen die Union so wirksam führen, wie Lee den offenen. Er hat der Union bis jetzt zwar erst eine Wunde beigebracht, aber er wird ihr mehr und größere beibringen, an denen sie verbluten muß. Wie ein unsichtbarer Feind wird er für uns die Waffen schwingen und den Norden da treffen, wo er am verwundbarsten ist; und es wird geschehen, wie geschrieben steht: Ich will Dich krönen mit Sieg und Deine Feinde legen zum Schemel Deiner Füße.«

Cleary schien aber doch die Zukunft nicht in dem rosenfarbigen Lichte zu sehen, denn feine Stirn entwölkte sich nicht. Nachdem er wieder eine Weile sinnend auf- und abgeschritten war, sagte er:

»Was wird es uns aber helfen, wenn die Niederlage des Nordens nicht bald erfolgt? – Während wir den Feind nach Außen hin bekämpfen, bereitet sich das Verderben bei uns im Innern.«

»Sie fürchten die Sklavenaufstände, Sir?«

»Gewiß. – Sie halten nächtliche Zusammenkünfte, in welchen sie eine allgemeine Emeute förmlich organisiren. Ich fürchte, wenn wir nicht bald Mittel finden, dem vorzubeugen, so können wir schließlich froh sein, wenn wir nur das nackte Leben gerettet haben. Ich kann die Sicherheit von Breckenridge und Sanders nicht theilen, die da meinen, daß sich die Gefahr nur durch doppelte Strenge abwenden läßt. Ich darf es gar nicht wagen, auf eigene Hand eine milderere Behandlung der Sklaven anzuordnen, denn kommt es wirklich zum Aufstand, so würde man mir die Schuld beimessen und sagen: daß, wenn ich weniger human gewesen wäre, es nicht dahin gekommen sein würde.«

»Ich bescheide mich zwar stets und beuge mich unter Ihrer Einsicht, Mr. Cleary,« versetzte der Geistliche; »allein ich glaube in diesem Punkt haben jene Herren, von denen Sie sprachen, Recht. Denn der Neger ist eben kein Mensch, sondern nur eine Uebergangsstufe zum menschlichen Geschlecht. Man kann ein Thier und namentlich ein Thier, das man nur mit Mühe gezähmt hat, nur zum Gehorsam zwingen, wenn man es jeden Augenblick seine Uebermacht fühlen läßt. – Sie, Mr. Cleary, sind – verzeihen Sie mir den Tadel – ein wenig zu weichherzig. Sie sind viel zu sehr geneigt, den Neger für etwas Besseres zu halten, wie Ihre Pferde oder Ihre Schweißhunde. Das vergiebt Ihnen den Respect bei den Negern. Sie nehmen sich da z. B. des Kindes an, welches das Weib vorhin auf dem Arme hielt ...«

»Ich wollte das Kind, namentlich ein so hübsches Kind, nicht umkommen lassen. Sanders hatte die Mutter todtpeitschen lassen,« unterbrach ihn Cleary, sich entschuldigend.

»Nun, ich sage nichts darüber,« fuhr der Geistliche fort, »daß Sie das Kind mitnahmen, wenn es gedeiht, so können Sie später eine hübsche Summe dafür fordern; ich tadle es nur, daß Sie das Kind in Ihrem Hause und nicht in den Niggerhütten erziehen lassen. Glauben Sie, daß Sie sich bei irgend Einem Dank erwerben?«

Mr. Cleary wußte recht gut, daß des Geistlichen Ansicht diejenige war, die alle seine Freunde theilten, und wagte daher nicht, zu widersprechen.

»Sie werden sich keinen Dank dadurch erwerben,« beantwortete Payne selbst seine Frage; »eben so wenig, wie es Ihnen der Bube, der Noddy, dankt, daß Sie ihn fast wie einen Sohn behandelt haben. Der Junge ist falsch und tückisch wie alle Nigger.«

»Noddy? – Nein, Mr. Payne, das glaube ich nicht, er ist mir treu ergeben, daß ich darauf schwören möchte, er ließe sein Leben für mich.«

»Schwören Sie nicht, Mr. Cleary. Haben Sie vergessen, daß er kürzlich bei dem Nigger-Meeting im Walde zugegen war?«

»Er ist verleitet, aber falsch ist er nicht.«

»Sie werden es erleben, Sir. Wo ist er z. B. in diesem Augenblick?«

»Ich weiß es in der That nicht, aber ich denke, er wird Fanny spazieren fahren; ich werde sogleich Janita fragen.«

»Lassen Sie es, Sir,« versetzte der Geistliche, ihm in den Arm fallend, als er nach der Klingel griff; »ich werde selbst nachsehen und Ihnen über sein Beginnen Auskunft geben. Bei Miß Fanny ist er nicht, das weiß ich bestimmt, denn ich traf, als ich kam, die junge Dame allein im Garten. Ich bin überzeugt, daß er irgendwo mit den Niggern conspirirt.«

Mr. Payne schlich sich mit einer Behutsamkeit durch den Garten, die um so mehr anzuerkennen war, als bei seiner Corpulenz seine Bewegungen ziemlich ungeschickt waren. Vorsichtig spähte er durch das Gebüsch bis er an den Rand des Parkes kam, dort zog sich ein Canal hinter dem Pavillon vorbei nach dem Flusse hin. Hier gewahrte er den Knaben und sah, wie derselbe mit aller Kraftanstrengung ein schweres Boot den Kanal hinauf bis hinter den Pavillon zog. Payne stellte sich hinter ein Weidengesträuch und beobachtete ihn. Als der Knabe eben das Boot in der Nähe des Pavillons an einen Pfahl gebunden hatte, trat Janita aus dem Park, das Quadroonenkind auf dem Arme.

»Was machst Du da, mein lieber Noddy?« redete sie ihn an. »Komm her, ich habe Dir etwas Wichtiges mitzutheilen. Du hast sie neulich im Walde Alle gerettet, und mein Mann Rogue hält große Stücke auf Dich ... Sie haben wieder eine Zusammenkunft, und zwar ...«

Hier schlossen sich ihre Lippen, denn sie hatte den Geistlichen bemerkt, so sehr er sich auch bemühte, seine kolossale Figur zu verstecken.

»Der Spürhund,« flüsterte sie. »Warte, an ihn kommt auch die Reihe!«

Mr. Payne beeilte sich, das, was er gesehen und gehört hatte, Mr. Cleary mitzutheilen.

»Sagte ich es Ihnen nicht, Sir, der Bube verräth Sie? – Ich habe ihm seine Schurkerei schon längst angesehen, sein Gesicht sieht für einen Nigger zu klug aus. Schon seit längerer Zeit hintergeht er Sie, darauf können Sie sich verlassen.«

Mr. Cleary war auf's Höchste erschrocken. Jetzt entsann er sich, daß ihm die Verstörtheit des Knaben schon öfter aufgefallen sei, und daß sein Verkehr mit den Sklaven jetzt häufiger und vertraulicher sei, als früher. Er zitterte fast.

»Noch eins fällt mir ein,« fügte er hinzu; »als ich kürzlich in seiner Gegenwart gegen meine Frau äußerte, es sei wohl gerathen, meine Goldbarren in Sicherheit zu bringen, rieth er mir mit wahrer Bestürzung und mit einem Eifer, der mich befremdete, davon ab.«

»Seht erklärlich, entweder er hat die Goldbarren schon gestohlen, oder er ist im Begriff sie zu stehlen,« antwortete der Geistliche.

»Gerechter Gott!« rief Cleary. »Der Bube bringt mich ins Elend. Bestellen Sie meinen Vögten, sie sollen den Knaben greifen und herbringen.«

Diese letzten Worte hörte Fanny mit an, die eben eintrat. Sie hob verwundert ihre Augen zu dem geängstigten Vater auf.

»Die Vögte sollen Noddy greifen?« fragte sie. »Schicke mich, Vater, ich will ihn rufen. Noddy thut uns kein Leid, er hat uns sehr lieb.«

Ein gewisses Verlegensein röthete seine Wangen. Noddy's liebevolles, keiner Verstellung fähiges Herz lag vor seinen Blicken, er wiederholte sich die hunderte von Beweisen der treuesten, hingebendsten Liebe des Knaben und empfand Reue wegen seines Verdachts.

» – Nein,« sagte er. »Noddy ist kein Verräther, Fanny hat recht, er liebt·uns.«

Der Geistliche schüttelte bedenklich den Kopf.

»Der Bube ist über seine Jahre klug. Obgleich er erst 13 Jahre zählt, nimmt er es an Schlauheit mit all seinen Stammgenossen auf. Er täuscht Sie, glauben Sie mir. Wenn ich Ihnen freundschaftlich rathen kann, so hüten Sie sich und haben Sie Acht auf Ihre Goldbarren.«

Damit griff Mr. Payne nach seinem Hut und empfahl sich.

Während der letzten Worte des Geistlichen hatte sich Fanny unbemerkt hinausgeschlichen und kehrte, als jener eben das Zimmer verließ an Noddy's Hand zurück mit den Worten:

»Da bring ich Noddy. Ich habe ihn gerufen, und er ist gleich gekommen«

»Du bist ja so durchnäßt, wo bist Du gewesen?« fragte Mr. Cleary den betretenen Knaben.

. »Am Wasser,«.« antwortete dieser etwas zögernd.

»Und was hast Du am Wasser begonnen?«

Noddy verstummte.

»Du scheinst Dich nicht besinnen zu können. Ich will Deiner Erinnerung zu Hilfe kommen. Du sprachst mit Janita über eine nächtliche Zusammenkunft – Mein Sohn, hüte Dich; wir haben Deinen geheimen Verkehr mit den Negern bemerkt, und Mr. Payne hat Dich in starkem Verdacht der Treulosigkeit. Ich will jedoch Deine Jugend berücksichtigen und Dich nur für einen Verführten halten, wenn Du ein offenes Bekenntniß ablegst über die Plane Deiner Stammgenossen.«

Da brach Noddy in heftiges Weinen aus.

»Treulos–ich?« schluchzte er zu Cleary's Füßen niedersinkend. »Ja,« – fügte er nach einer Pause hinzu – »treulos habe ich werden wollen, aber nur an dem Volke meines Blutes, nicht an meinem Wohlthäter! Nicht an Fanny!«

»Noddy, sieh mich an,« sagte Cleary gütig.

Noddy erhob das bethränte Auge zu seinem Wohlthäter, und dieser fuhr fort:

»Ich mißtraue Dir nicht, und will Dir glauben, was Du mir sagen wirst; entdecke mir ohne Rückhalt: gährt es unter meinen Sklaven?«

»Ihre Sklaven ersehnen, was alle Gefesselten auf Erden wünschen, die Freiheit,« versetzte Noddy. »Noch haben Sie nichts zu fürchten, um Ihnen aber in dem geeigneten Augenblick Hilfe leisten zu können, darum setzte ich mich in genauere Verbindung mit meinen Blutsfreunden. – Aber noch droht Ihnen keine Gefahr, von dieser Seite nicht.«

Cleary sah den Knaben forschend an, als derselbe plötzlich stockte.

»Du verbirgst mir etwas, Noddy, Du hast noch ein Geheimniß vor mir.«

Des Knaben Augen füllten sich von Neuem mit Thränen. Er umklammerte die Knie seines Wohlthäters und schluchzte laut, ehe er sprechen konnte.

»Ja, Massah, ich habe ein Geheimniß, aber ich weiß nicht, ob ich recht thue, wenn ich es Ihnen offenbare. Es brennt mir auf dem Gewissen, aber ich habs doch im Herzen behalten, weil ich mich fürchtete, Ihnen wehe zu thun.«

»Sprich, Noddy, ich befehle es Dir, Dein Benehmen beunruhigt mich. – Auf der Stelle sage, welches ist das Geheimniß.«

Der Knabe blickte sich um nach dem Platz, wo Fanny gesessen hats, diese aber war hinausgegangen; das schien ihm Muth zu machen.

»Massah,« rief er, »Sie sind verrathen! – Mrs. Cleary, Ihre Gemahlin, verräth Sie!«

Cleary sprang empor. Seine Augen rollten wild.

»Bube, was wagst Du auszusprechen!« schrie er. »Nichtswürdiger, weißt Du, daß Dir diese Lüge das Leben kosten wird?«

»O, Massah, ich würde das Leben gern verlieren,« erwiderte der Knabe unter Thränen, »wenn ich damit ungeschehen machen könnte, was ich gesehen habe.«

»Was hast Du gesehen?«

»Ich habe mehr als einmal Mrs. Cleary im Arm eines Mannes gesehen, und ich weiß, daß sie in diesem Augenblick mit ihm zusammen ist.«

Cleary vermochte vor Wuth und Aufregung nicht zu sprechen, aber seine Lippen bebten und bewegten sich, um eine Frage zu thun. Noddy verstand ihn und fuhr unaufgefordert fort:

»Jedes Mal, wenn Mr. Booth in der Pfarre ankommt, erhält Mrs. Cleary einen Brief durch einen Sklaven Mr. Payne's.

Dann geht sie auf die Pfarre, und Mr. Payne geht aus und läßt sie Beide allein. Ich bin, um sie zu begleiten und zu beschützen, ihr oft nachgegangen und habe es gesehen. Mr. Payne weiß, daß ich es gesehen habe, und er hat mir seit der Zeit verboten, auf die Pfarre zu kommen. Heute früh hat Mrs. Cleary auch einen Brief durch den Sklaven Mr. Payne's erhalten, sie ist hingegangen und ist mit Booth allein gewesen, so lange Mr. Payne hier war.«

Cleary rang gewaltsam nach Fassung; aber es gelang ihm nicht, dieselbe zu gewinnen. Mit beiden Händen packte er den Knaben bei den Schultern und schüttelte ihn.

»Höre, Bube!« rief er mit vor Wuth erstickter Stimme. »Ich will mir Gewißheit verschaffen. Sprachst Du die Wahrheit, so will ich Dir danken und will Dich lieben wie meinen Sohn. Hast Du mich aber belogen, so erwürge ich Dich mit diesen meinen Händen!«

»So setzen Sie sich schnell zu Pferde,« versetzte Noddy. »Reiten Sie um den Hügel herum, aber reiten Sie schnell, dann werden Sie früher ankommen als Mr. Payne, der die Ulmenallee hinabgegangen ist, und ich will sterben, wenn Sie nicht sehen, daß ich die Wahrheit sprach.«

Kaum zwei Minuten später ward Mr. Cleary's Pferd vorgeführt. Mit verstörtem Gesicht sprang er hinauf, drückte dem Thier die Sporen in den Leib und jagte in wüthendem Galopp den Hügel hinab nach dem Hause des Pfarrers.


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