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Fünfundvierzigstes Kapitel.
Der Sturm bricht los

Es war einige Tage nach dem Balle, als Mr. Cleary wieder in Georgesville eintraf. Auf seine Frage nach seiner Gemahlin, erfuhr er, daß dieselbe aus Furcht vor einem Aufstande, geflohen sei, und vorhabe, sich um die Zusendung einer Abtheilung Truppen persönlich an den Kriegsminister zu wenden.

Mr. Payne, der in seinem Hause anwesend war und Miß Snobbs, die Gouvernante, erzählten, daß sie so viel Verdacht und Furcht erregende Anzeichen gesehen, daß sie·es für ihre dringlichste Pflicht gehalten hätten, Mrs. Cleary zu dem Schritte zu überreden.

»Und Ihr Liebling, der Negerbube,« fügte der Geistliche hinzu, »ist der Schlimmste in dem Complott. Wir erhielten gestern von den Vögten Nachricht, daß ein Quadroone, ein junger Mann, dessen Signalement ziemlich genau auf das des entlaufenen Sklaven des Kriegsministers paßt, unter sehr verdächtigenden Umständen in der Nähe umherschleiche. Ich rieth den Vögten, auf unsere Neger wohl Acht zu haben, daß Niemand mit ihnen in Verbindung trete. Ich achtete dabei auf Noddy nicht, und was meinen Sie wohl, was geschehen ist?« –

»Nun?«

Der Nichtswürdige hat sich von Janita den kleinen Mulattenbuben, den Sie von Sanders als Zugabe erhielten, geben lassen, und hat denselben jenem spionirenden Quadroonen heimlich überbracht. Was meinen Sie nun? – habe ich nicht recht, daß der Nichtswürdige Sie verräth?«

»Nein, nein!« fiel Cleary mit Eifer ein. »Er nicht. Seit er mir gezeigt hat, daß er für mein Kind zu sterben bereit wäre, – wovon seine verstümmelte Hand Zeugniß giebt – seitdem schwöre ich auf seine Treue, er ist nicht mein Sklave, es ist meine Pflicht, daß ich ihn halte wie mein Kind.«

»Aber seine geheime Verbindung mit den Negern – er wird zu allen heimlichen Zusammenkünsten hinzugezogen – er sagt Ihnen keine Sylbe von dem, was unter ihnen verabredet wird. –«

»Das Alles geschieht um uns zu nützen, er kann uns nur dienen und rechtzeitig warnen, wenn er sich im Vertrauen der Neger befindet. – Nein, Sir, Noddy, der Neger, ist kein Verräther, ich wünschte nur, daß ich Alle, die Freundschaft gegen mich heucheln, so treu und ehrlich fände, wie ich ihn halte.«

Der Geistliche schien den Stich zu fühlen, denn er schielte mißtrauisch auf Cleary, dieser aber hatte sein Gesicht nach dem Fenster gewandt, so daß Mr. Payne den Ausdruck desselben nicht zu sehen vermochte. Er fuhr deshalb nach einer Pause fort:

»Der Bube ist seit gestern spurlos verschwunden.«

Cleary wandte sich betroffen um.

»Wie? Sollte ihm ein Unglück begegnet sein? – Lassen Sie sofort nach ihm suchen.«

Mr. Payne zuckte ironisch die Achsel.

»Das ist bereits geschehen, theuerster Mr. Cleary, aber es hat nichts genützt, wie es scheint, denn die Vögte, die ausgeschickt waren nach ihm, sind alle mit dem Bescheid heimgekehrt, nirgend eine Spur von ihm gefunden zu haben, nur Einer ist noch nicht zurück, aber ich erwarte ihn jeden Augenblick.«

Cleary schwieg beklommen eine Weile.

»Wo ist Fanny?« fragte er dann, als wollte er seinen trüben Gedanken eine andere Richtung geben.«

Die Gouvernante antwortete, daß Miß Fanny in ihrem Zimmer schlafe.

»Ich will zu ihr gehen,« sagte Cleary schwermüthig. »Sie ist mein letzter Trost, wenn mich Alles verläßt!«

Als er aber sich erhob um die Veranda zu verlassen, sah er einen Vogt an dieselbe herantreten.

»Das ist der Letzte, von dem wir Nachricht über Noddy zu erwarten haben,« sagte Mr. Payne. »Bleiben Sie einen Augenblick, Mr. Cleary. Sie werden sich sofort überzeugen, daß mein Verdacht begründet ist.«

»Was wissen Sie von Noddy?« fragte Cleary in hastigem Ton den Vogt.

»Nichts, Sir,« war dessen Antwort. »Es haben ihn Einige mit dem Quadroonen, der gestern das Kind gestohlen hat, den Fluß hinaufgehen sehen. Außer ihm werden noch die achtundvierzig Sklaven vermißt, deren Hütte abgesondert von den andern Sklavenwohnungen in der Nähe des Packhauses liegt.

Fast besinnungslos taumelte Cleary in sein Zimmer. Boshaft lächelnd blickte ihm der Geistliche nach.

» »Sie werden Dich todtschlagen,« murmelte er, »und dann wird Dein Weib Deine Reichthümer mit mir theilen müssen. – Wohin da, Schwarze?«

Diese Worte waren an Janita gerichtet, welche eben im Begriff war, an ihm vorüberzuschlüpfen.

»Ich will in's Haus, wie Sie sehen,« antwortete das Weib keck.

»Weißt Du, daß Noddy vermißt wird?« fragte der Geistliche.

»Ich weiß es,« erwiderte sie, und ihr Auge glänzte in unverhehlter Freude.

»Und Du lachst noch bei dem Verlust Mr. Cleary's?« fuhr Mr. Payne auf.

»Der Verlust ist ja nicht mein,« versetzte sie. »Warum soll denn ein Neger sich nicht freuen, wenn Einer von seinen Stammgenossen die Freiheit erlangt?«

»Wenn er aber die Freiheit nicht erlangt hat, sondern wenn ihm ein Unglück widerfahren ist?« fragte Mr. Payne mit schlauem Forscherblick.

»Fürchte nichts für Noddy,« antwortete Janita. »Noddy's Freunde wissen ihn schon zu schützen. Ihm droht nur von den Weißen Unglück, zumal wenn sie so viel Frömmigkeit und christliche Tugend besitzen, wie Sie, Ehrwürden.«

»Schweig, Du gottverfluchte schwarze Hexe!« schrie der Geistliche. »Du sollst Deine Lästerung büßen! Die erste sollst Du sein von Noddy's Verführern, die mit glühenden Zangen gezwickt, zwischen Brettern zersägt, auf dem Scheiterhaufen zu Asche verbrannt und zu ewiger Höllenqual hinabgesandt werden wird zu den Teufeln da unten!«

Der überlaute Eifer des Geistlichen war zu Cleary's Ohren gedrungen und hatte diesen herbeigerufen.

»Sehen Sie nun ein, daß ich Recht hatte?« schrie Mr. Payne dem Kommenden entgegen. »Noddy ist ein Verräther. – Oh, über einen so gottvergessenen Heuchler!«

Cleary machte eine abwehrende Bewegung.

»Ich vertraue ihm, Sir. – Noddy ist ein solcher Teufel nicht, wie Sie denken. Ich weiß, daß er mit dem größten Eifer unsere Flucht vorbereitet hat; und er hat mich – dessen bin ich überzeugt – nur in der festen Absicht verlassen, für mich zu sterben, und – o Himmel – er ist vielleicht schon für mich gestorben. Wie ist es möglich, an ihm zu zweifeln, wenn man bedenkt, welche Beweise er mir von seiner Aufrichtigkeit gegeben hat!«

»Gilt Ihnen mein Rath noch etwas,« sagte der Priester kopfschüttelnd, »so thun Sie, wie es David that, als er zittern mußte vor seinem Sohne Absalon. – Sie hatten ja ohnehin sich entschlossen, zu fliehen. Wohlan, fliehen Sie. Packen Sie ein, was der Herr Ihnen gelassen hat an beweglichen Gütern, Ihre Barren, Ihre Juwelen; dann schütteln wir den Staub von unsern Füßen und wandeln nach Virginier und warten dort bis man den letzten dieser meuterischen Canaillen aufgespießt hat.«

»Ja, wir wollen fliehen!« seufzte Cleary und verstohlen rannte über sein Gesicht eine Thräne. – »Ich will meine Barren einschiffen, sein Sie mir bei dem Geschäft behülflich.«

Er holte seine Schlüssel, schloß das Gewölbe auf und starrte sprachlos zurück, auf die erbrochenen leeren Kisten deutend.

» »Das war kein Andrer als Noddy!« rief der Geistliche voll Ingrimm. »Oh, dieser heuchlerische Bube. Ich bin überzeugt, daß er mit meinen Sklaven auch im Complott steckt, und Ihr Gold unter sie vertheilt. – Ermannen Sie sich, Sir. Nehmen Sie Ihr Kind auf den Arm, wir wollen dieser Mördergrube Valet sagen, bevor dieser hochverrätherische Bube zurückkehrt an der Spitze seiner Gesellen und die Hand aufhebt zum Priestermord und Vatermord und Schwestermord!«

»Ja, kommen Sie! Wir wollen retten, was noch zu retten ist: mein Kind! – O, ich habe noch viel behalten!« flüsterte Cleary, und ging, um seine Fanny aufzusuchen.

Als er zu dem Zwecke die Treppe hinauszusteigen im Begriffe war, kam ihm Miß Snobbs bereits entgegen.

»Ist Fanny noch oben in ihrem Zimmer?« fragte er sie.

Miß Snobbs blickte ihn verwundert an:

»Sie war oben, Sir; aber Sie haben sie ja hinunterrufen lassen.«

»Ich?«

»Nun ja, Janita kam hinauf und sagte, daß sie von Ihnen Befehl habe, das Kind hinunter zu bringen.«

»Befehl, von mir?« stammelte Cleary mit der Stimme eines Vernichteten, die aber trotz ihrer Schwäche das ganze Haus in Bewegung setzte.

Nach vielem hin und her fragen gab endlich ein alter Diener die Auskunft, daß man gesehen habe, wie Janita die noch halbschlafende Fanny den Negerhütten zugetragen habe.

»Dachte ich mir's doch!« schrie der Geistliche. »Diese Janita steckt mit im Complott; und hat sich das Weib des Kindes wirklich bemächtigt, so ist das auch Noddy's Werk. – Kommt mit mir« – wandte er sich an die weiße Dienerschaft des Hauses – »begleitet mich; ich will mich hinschleichen zu der Hütte, und will versuchen zu erspähen, ob das höllische Heidengezücht es gewagt hat, seine Hand an ein weißes Kind zu legen.«

Er ging, von der gesammten Dienerschaft begleitet und Cleary blieb mit der jammernden Bonne zurück, das Haupt auf den vor ihm stehenden Tisch gesenkt.

Nach kurzer Zeit kehrte der Geistliche, jedoch allein, zurück.

» »Meine Vermuthung war leider gegründet,« sagte er. »Das Kind ist gefangen! – Fassen Sie sich! Wir wollen es befreien und die Verrätherei des heimtückischen Buben vereiteln. – Ich kann nicht länger hier bleiben, nicht wegen meiner Sicherheit bin ich besorgt, ich gehe nur, um schnell Hilfe herbeizuholen, noch bevor die Nacht einbricht, habe ich Miliz requirirt, verlassen Sie sich darauf. Sie wollen hier bleiben? Sie wollen mich nicht begleiten? – Ich bitte, entscheiden Sie sich schnell, Sie werden einsehen, daß ich mich beeilen muß, von hier fortzukommen, wenn ich noch rechtzeitig Miliz herbeischaffen soll,«

Bis zu diesem Augenblick hatte der unglückliche Cleary noch nicht völlig den Glauben an Noddy's Verruchtheit fassen können, und selbst für dessen unleugbaren Abfall hatte seine Liebe zu dem Knaben eine Entschuldigung in seiner Jugend und Verblendung gefunden. Jetzt aber, seit Fanny durch Janita geraubt und Noddy's Einverständniß mit diesem Weibe zweifellos geworden war, jetzt stand der Knabe, der bis dahin ein Liebling seiner Seele gewesen als ein entsetzliches Scheusal vor seinen Augen, als ein listiges, giftiges Ungeheuer, das sich lediglich in seine Liebe· und in sein Wohlwollen eingeschlichen hatte, um ihn und sein Kind desto sicherer zu verderben.

»Ich gehe nicht mit Ihnen!« schrie er dem Geistlichen zu. »Ich bleibe bei meinem Kinde. Mein Kind will ich retten, oder mit ihm sterben! – Senden Sie Hülfe, wenn Sie können. Ich verlasse ohne mein Kind diese Mördergrube nicht!«

Er flog davon den Sklavenwohnungen zu, und der Geistliche verließ mit langen Schritten den Park.

Schon aus der Ferne scholl Cleary ein wüthendes Gebrüll entgegen, welches. aus dem langen niedern Gebäude hervorbrach. Er beflügelte seinen Lauf und blickte jetzt durch die Lücken der Wände in das Innere dieses weitläufigen Vierecks.

Sämmtliche Neger und Negerinnen sprangen mit schauerlichem Thiergeheul und grausiger Tanzweise um Janita herum, welche Fanny im Arme hielt, und vergebens versuchte, das Kind zu beruhigen. – –

Wer wagt es, den Stab über die unglücklichen Geschöpfe zu brechen, wenn sie im Drange ihrer ungezügelten wilden Leidenschaft Dinge begingen, die menschlicher Wesen unwürdig sind? – Wundert Ihr Euch, Ihr Herren Junker der Sklavenstaaten über die Bestialität der Schwarzen bei ihren Aufständen? Habt Ihr nicht Alles gethan, die Menschlichkeit von ihnen abzustreifen und sie zu Bestien zu machen? – Habt Ihr ihnen nicht das Beispiel der Unmenschlichkeit und der Rohheit gegeben? – O, benutzt jene Excesse, die von den Negern verübt sind, nicht als Beweismittel, daß Eure Maxime die rechte sei, gesteht der Wahrheit gemäß, daß solche Frevel vielmehr Eure eigne Schuld sind, und als Waffen gegen Euch und Eure Maximen gelten müssen!

Das Sprichwort, daß man die kleinen Diebe hängt, die großen aber laufen läßt, bestätigt sich nicht bloß im Alltagsleben, nein, mehr als einmal ist es durch große historische Thatsachen bestätigt und hat sich auch bewahrheitet in den zahlreichen Sklavenaufständen, welche während des Krieges in Virginien, Kentucky und Carolina stattfanden; am meisten und am härtesten wurden davon gerade Diejenigen betroffen, welche es von Allen noch am wenigsten verdienten, während die schlimmsten Sklavenhalter von solchen Heimsuchungen verschont blieben.

Mr. Cleary gehörte gewiß nicht zu den grausamsten und unmenschlichsten Sklavenhaltern, vielmehr hatte er mehr als einmal bewiesen, daß in seiner Brust ein fühlendes Herz für die Schwarzen schlug, und doch war er der Erste, den das Schicksal einer Sklavenemeute traf.

Als er die wilde Aufregung der Neger und sein Kind in deren Mitte sah, packte ihn Grausen.

»Mein Kind, mein Kindl« schrie der verzweifelnde Vater, indem er vergebens Eintritt in die verrammelte Hauptthür suchte. – »Ungeheuer, gebt mir mein Kind!«

Da lös'te sich plötzlich der verschlungene Reigen der Neger auf; das wilde Geheul ward zu wieherndem Gelächter.

Ein kleiner zähnefletschender Kerl riß Janita's verkrüppelten Buben, das Kind, das durch Mrs. Cleary's Fußtritt zum Krüppel geworden war, empor, hielt es seinem Herrn entgegen und schrie:

»Siehe her, Du weißer Satan! Wie heut Deine Angst um Dein Kind brüllt, so hat Rogue's Schmerz geras't in seinen Adern, als Dein Weib diesen seinen Erstgebornen mit Füßen trat! – Und wie dieser unter den Fußtritten Deines Weibes, so soll Dein Kind verkrüppeln unter unsern Fäusten, wenn Du es wagst, oder wenn irgend Einer von Euch Sklavenzüchtern und Euren Kreaturen es wagt, nur mit einem giftigen Blick in unsere Hütte zu schauen.«

»O, Himmel – seht Ihr nicht meine Verzweiflung?« rief er angstvoll.

Ein Gelächter antwortete ihm.

»Ah,« rief derselbe Neger. »Ihr werdet noch vielmehr verzweifeln, Ihr Niggerhenker. Heute geht der Tanz los in ganz Kentucky, wer von Deinen Cumpanen nicht rechtzeitig das Weite gesucht hat, wird Dein Schicksal theilen. Wir warten nur auf die Ankunft unseres Führers. – Bleib nur da stehen auf der Schwelle und halte Wacht, bis unser Anführer mit unsern Brüdern kommt und Dich ablöst, um ein Gericht zu halten über Dich.«

»Mäßigt Euch,« warnte ihn Cleary; »bedenkt, daß jeden Augenblick die Miliz hier sein kann, und je zügelloser Ihr Euch betragen habt, desto härter muß Eure Strafe ausfallen. Kehrt zur Ordnung zurück, gebt mir mein Kind heraus, und ich will Euch Alles verzeihen!«

Wildes Gelächter erscholl.

»Du drohst uns mit der Miliz?« höhnte der Kleine. »Dazu sollst Du ja Wache an der Thür stehen« Läßt Du die Miliz die Grenze Deiner Plantage überschreiten, so fliegt ein zerstückeltes Glied Deiner Tochter nach dem andern und zuletzt ihr Rumpf vor Deine Füße!«

Jetzt brachen dem Vater die Knie. Er sank bewußtlos zu Boden, und mit verdoppeltem Geheul setzten die Ungeheuer ihr unterbrochenes Tanzfest fort.


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