Berthold Auerbach
Das Landhaus am Rhein / Band IV
Berthold Auerbach

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Neuntes Capitel.

Was thut man am Morgen eines Tages, wenn man weiß, daß man Abends eine Huldigung empfängt?

Sonnenkamp wußte, daß heute die Schiffer, für die er eine Wittwenkasse gestiftet, ihm feierlichen Dank darbringen. Er sah nach dem Barometer. Es hatte geregnet, jetzt ist der Barometer bereits gestiegen, es hellt sich wieder auf, das Fest wird einen schönen Fortgang nehmen.

Wenn man nur die Anrede wüßte, die am Abend gehalten wird, man könnte sich auf entsprechende Antwort vorbereiten. Die Fürsten haben es gut, eine Anrede, die an sie gehalten werden soll, wird ihnen vorher vorgelegt. Sonnenkamp hatte indeß die Zuversicht, daß ihm der Augenblick schon das Angemessene eingeben werde. Er hatte nie auf die Ehre von Menschen geachtet, er selbst gab sich alle Ehre, so weit überhaupt Ehre ein Bedürfniß ist. Sollte er nun abhängig sein? Und mit was war diese Ehre erworben?

Mit Geld!

Hätte er es nicht im Uebermaß, sie schauten nicht nach ihm um.

Er ritt zur gewohnten Stunde aus, aber er ritt nicht den gewohnten Weg, er schaute freundlich zu den Menschen, die ihm begegneten; es waltete ein neues Wohlgefühl in ihm. Er ritt nach der Burg.

Nicht weit davon bog er ab in den Wald, denn er sah über der Bekrönung des einzigen bereits fertig gestellten Thurmes eine große Fahne flattern und nirgends waren Männer zu sehen. Im Walde ging er lange hin und her und führte sein Pferd am Zügel.

Auf dem Rückwege nahm er den Major mit, er mußte bei ihm bleiben. Der Major hatte heut die Art eines Brautführers, der Alles zur Hochzeit gerüstet hat und nun sich mit dem Bräutigam ins stille Gemach zurückzieht, bis man mit voller Musik abgeholt wird.

Am Nachmittage fand sich die Familie des Cabinetsraths, der Landrichter mit seiner Frau und der Doctor ein. Der Major, der sich auf eine kurze Stunde entfernt hatte, erschien nun wieder mit allen seinen Orden. Viele Andere kamen und sogar die junge Wittwe, die Tochter des Herrn von Endlich; sie hatte sich für einige Sommerwochen aufs Land begeben. Prancken hatte die Gesellschaft der Umgegend geladen, er wußte, daß Herrn Sonnenkamp diese Ausbreitung seines Ruhmes sehr angenehm war. Alle kamen indeß nur wie zufällig und Sonnenkamp ließ sich diese gesellschaftliche Lüge gefallen.

Prancken war besonders aufmerksam gegen die schöne junge Wittwe. Er freute sich, als er einmal einen Blick Manna's sah; sie sollte erkennen, welche Versuchungen und Anreizungen sich ihm böten.

Prancken hatte Befehle gegeben, daß große Braten und Flaschen geringen Weines für das ankommende Volk bereit gehalten werden sollten, auch für Cigarren hatte er gesorgt und Sonnenkamp, der von Allem wußte, that, als ob er nichts sehe und höre.

Als der Abend hereinbrach, bat Prancken vor allen Anwesenden den Vater – so nannte er ihn mit Nachdruck im Beisein Aller – er möge in seinem Zimmer bleiben, bis man ihn rufe. Verschämt, bescheiden und geduldig sich fügend, begab sich Sonnenkamp auf sein Zimmer.

Nun wurden große Tische im Hofe aufgestellt, Speise und Trank darauf gesetzt, denn vom Oberrhein tönte Musik und kamen bereits die zusammen gefügten Schiffe und Gondeln. Sie hielten vor der Villa und ordneten sich, Fackeln und bunte Lampen, wie brennende Guirlanden aufgehängt, leuchteten von den Schiffen.

Sonnenkamp war allein auf seinem Zimmer, er hatte ein Bangen vor dieser Huldigung, die er doch gewaltsam hervorgerufen hatte. Wenn unversehens ein Wort dazwischen gerufen wurde? . . . Nein, es kann nicht sein.

Jetzt nahten sich Schritte; der Major und der Landrichter kamen. Der Major sagte, sie wollten ihm einstweilen Gesellschaft leisten. Sonnenkamp dankte und rauchte still weiter; er hielt die Cigarre so zart, als ob er sogar gegen sie bescheiden wäre. Er bat die Freunde um Entschuldigung, daß er jetzt keine Unterhaltung führen könne, er habe so viele Jahre in der fremden Welt gelebt und nun erdrücke es ihn fast, in so vielen redlichen Herzen eine Heimat gefunden zu haben, die er nicht verdiene; denn er habe ja nichts gegeben, als elendes Geld. Der Landrichter wollte etwas erwidern, aber der Major winkte abwehrend. In solchen Augenblicken, bedeutete er ihm leise, müsse man einen Mann auch einmal übertrieben reden lassen; es ist genug, wenn man ihm seine Worte abnimmt.

Jetzt näherten sich viele schwere Schritte, Prancken öffnete die Thür und sagte:

»Hier herein, ihr Männer.«

Eine Deputation der Schiffer trat ein und bat, Herr Sonnenkamp möge erlauben, daß man ihm ein Dankeszeichen bringe. Mit niedergeschlagenen Augen ging er zwischen den hell gekleideten Schiffern die Treppe hinab nach dem Park und hier that sich ihm ein schöner Anblick auf.

In den bunt beleuchteten Schiffen standen die Schiffer und sangen im Chor ein weithin schallendes Lied. Mit gefalteten Händen stand Sonnenkamp da und schaute drein, dann that er die Hände auseinander und rieb den Ring am Daumen der rechten Hand, der ihm Schmerzen machte. Das Lied war geendet; Hoch wurde gerufen dem großen Wohlthäter; die Böller knallten und hallten vielfältig wieder von den Bergen, daß es wie ein Donner weithin verkündet wurde stromauf und stromab.

Mit einer kurzen Rede dankte Sonnenkamp; Roland stand zu seiner Rechten, Manna zu seiner Linken. Er legte die Hand auf die Schulter seines Sohnes und verbarg dabei den Daumen; mit der andern Hand faßte er die Manna's und schloß mit der Bitte, daß die guten Nachbarn ihre Liebe auch auf diese seine Kinder übertragen möchten.

Ein junger Bursch, der am Steuer stand, brachte nun auch ein Hoch auf Roland aus. Wieder knallten die Schüsse. Roland sagte zum Major: »Ich kann nicht reden.« Er ging hinab, stieg in das erste Schiff und reichte den Männern die Hand und jetzt sah er, daß auch Erich auf dem Schiffe war. Er saß im Hintergrund, er hatte den Männern im Gesang geholfen; der Schullehrer Faßbender saß neben ihm.

Nun stieg man ans Land. Mit Musik zog die Schifferschaft durch den Park nach den Tischen, die zu ihrem Schmause aufgestellt waren. Sonnenkamp befahl, daß die Stühle weggenommen würden.

»Sie dürfen sich nicht setzen,« sagte er zu Prancken; »ich hatte geglaubt, daß Sie das bedenken. Machen Sie, daß die Leute bald wieder fortkommen. Dem niedrigen Volk ist nicht zu trauen. Das artet aus. Lassen Sie den Wein auf die Schiffe bringen, dort mögen sie tollen, wie es ihnen beliebt.«

Ein Hoch auf Frau Sonnenkamp wurde beim ersten Glase ausgebracht; Sonnenkamp dankte in ihrem Namen von der Freitreppe aus; er bedauerte, daß seine Frau leidend sei und an dem Feste nicht theilnehmen könne. Er bat die Männer, recht ruhig zu sein, denn sie sei sehr empfindlich. Die Lustbarkeit war damit gedämpft. Erich führte die Männer wieder nach den Schiffen, sie fuhren ab, Musik ertönte, Böller knallten und bald war es wieder still auf der Villa.

Man saß im Freundeskreise im großen Saal. Der Major sagte:

»Das Alles muß von einer guten Feder in die Zeitung. Sie, Herr Kamerad,« wendete er sich zu Erich, »Sie werden das gewiß schön geben. Erwidern Sie nichts, Sie müssen.«

Erich erklärte, daß er nicht widersprechen, sondern den Wunsch des Majors habe freiwillig ausführen wollen.

Der Major ging zur Professorin und sagte ihr, daß Erich mit dem Volke gesungen habe; er bedauerte, daß nicht auch Fräulein Milch das schöne Fest mit angesehen, sie sei aber hartnäckig gegen Alles, was das Haus Sonnenkamp betreffe; er könne es sich nicht erklären, sie sei doch sonst so gut gegen alle Menschen. Die Professorin wußte, warum Fräulein Milch sich zurückzog. Sie sah den Mann und die Kinder und die ganze Gesellschaft und konnte sich nicht erwehren, darüber nachzusinnen, wie es sein wird, wenn nicht huldigende Böllerschüsse das Echo in der Nacht wecken, sondern ein anderer Ruf sich über Berg und Thal verbreitet. –

Die Gesellschaft entfernte sich. Roland und Erich begleiteten die Professorin nach Hause, Roland war voll Glückseligkeit über diese allgemeine Ehre und Erich legte ihm nochmals ans Herz, welch ein Glück es sei, andere Menschen so beglücken zu können.

»Was nur Deine Mutter hat, sie war den ganzen Abend so traurig,« sagte Roland auf dem Heimweg.

»Sie ist nicht mehr zur Freude gestimmt,« entgegnete Erich.

Noch in der Nacht schrieb er einen begeisterten Bericht über die wohlthätige Stiftung und das heitere Fest und schickte ihn nach der Residenz an Professor Crutius.

Am zweiten Tage kam das Zeitungsblatt in die Villa. Sonnenkamp dankte Erich für diese begeisterte Kundgebung und Roland bat:

»Schenke mir das Blatt, ich will es zum ewigen Andenken aufbewahren.«

Es kam noch ein zweiter Bericht in der officiellen Zeitung und Prancken gestand bescheiden, daß er der Verfasser desselben. Das, was Erich geschrieben, war allerdings schön, aber dieser Bericht kam vor die Augen des Fürsten, und das war wichtiger und zeigte bald seine Folgen.


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